Wer als Unternehmen von Präferenzzöllen und wettbewerbsfähigen Preisen profitieren möchte, kommt nicht um hin, den Warenursprung korrekt zu bestimmen.
Aber nicht nur für Zollpräferenzen und die Beantragung von verbindlichen Ursprungsauskünften spielt der Warenursprung eine wichtige Rolle – bei Unregelmäßigkeiten besteht die Gefahr, dass vom Zoll Einfuhrabgaben nachträglich erhoben werden.
Deswegen ist es unumgänglich, ein präsentes Wissen über die zahlreichen (Präferenz-)Regelungen und Ursprungsregeln zu haben, um den Warenursprung zu ermitteln.
Durch die Vielzahl an komplizierten Ursprungsregeln in den einzelnen Freihandelsabkommen kann das aber schnell zu einem aufwändigen Unterfangen werden.
Unsere Anwälte von O&W aus dem Zollrecht beschäftigen sich täglich mit Waren aus unterschiedlichsten Branchen und haben jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet des Zollrechts. Zögern Sie daher nicht, uns mit Ihren Fragen anzusprechen.
Dieser Beitrag soll Ihnen eine erste Hilfestellung bieten, um den Ursprung Ihrer Ware verlässlich zu bestimmen und verschafft einen ersten Überblick über das Präferenzsystem.
Fragen zum Warenursprung?
Unsere Anwälte bei O&W aus dem Zollrecht unterstützen Sie und Ihr Unternehmen und helfen Ihnen dabei, den Ursprung Ihrer Ware korrekt zu bestimmen. Wir klären dabei alle offenen Fragen rund um Ursprung und Zollpräferenzen. Sie erreichen unsere Anwälte telefonisch unter +49 40 369615-0.
Was ist der Warenursprung?
Wenn im Außenhandel die Rede vom Warenursprung ist, ist der Ort der Herstellung und/ oder Erzeugung einer Ware gemeint– und nicht etwa der Ort, von dem aus die Ware versandt wurde.
Kurz gesagt, der Ursprung ist die „wirtschaftliche Staatsangehörigkeit“ einer Ware.
Im Ursprungsrecht gibt es zwei Ursprungsarten,
- den nichtpräferenziellen Ursprung / handelspolitischen Ursprung und
- den präferenziellen Ursprung,
die strikt voneinander zu trennen sind.
Mehr Informationen zum dem Thema finden Sie in unserem Beitrag Unterschied zwischen Präferenzursprung und handelspolitischem Ursprung.
Wie ermittle ich den Warenursprung?
Wie der Warenursprung genau ermittelt bzw. erreicht wird, hängt maßgeblich von der Ursprungsart ab.
Während beim handelspolitischen Ursprung auf eine vollständige Gewinnung oder Herstellung und das Kriterium der letzten wesentliche Be- oder Verarbeitung abgestellt wird, müssen beim Präferenzursprung die Ursprungsregeln in den einzelnen Präferenz- bzw. Freihandelsabkommen beachtet werden.
Handelspolitischen Ursprung ermitteln
Den handelspolitischen Ursprung einer Ware zu bestimmen, ist nicht ganz so kompliziert und hängt vor allem mit der letzten Produktionsstufe zusammen.
Vormaterialien spielen in dem Zusammenhang in der Regel keine Rolle und werden nur bei Bedarf in die Bewertung miteinbezogen.
Die 2 wesentlichen alternativen Bedingungen für den Erwerb des handelspolitischen Ursprungs sind:
- Vollständige Gewinnung oder Herstellung der Ware in einem einzigen Ursprungsland (Art. 60 Abs. 1 UZK, Art. 31 UZK-DA)
- Letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung im Ursprungsland, wenn mehrere Länder an der Herstellung beteiligt sind (Art. 60 Abs. 2 UZK)
Ursprungserwerb durch vollständige Herstellung in einem Land
Die erste Ursprungsregel verlangt also, dass die Ware ausschließlich und vollständig in einem Land hergestellt oder gewonnen wird. Es dürfen also keine „ursprungsfremden“ Materialien hinzugefügt werden.
Art. 31 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 enthält eine abschließende Aufzählung für die Fälle, in denen ein Erzeugnis als im jeweiligen Land vollständig gewonnen oder hergestellt gilt:
Handelspolitischer Ursprung: Vollständige Herstellung der Ware in einem Land
- in diesem Land oder Gebiet gewonnene mineralische Erzeugnisse
- dort geerntete pflanzliche Erzeugnisse
- dort geborene oder ausgeschlüpfte und dort aufgezogene lebende Tiere
- Erzeugnisse von dort gehaltenen lebenden Tieren
- dort erzielte Jagdbeute und Fischfänge
- Erzeugnisse der Seefischerei und andere Erzeugnisse, die von in diesem Land oder Gebiet registrierten und die Flagge dieses Landes oder Gebietes führenden Schiffen aus dem Meer außerhalb der Hoheitsgewässer eines Landes gewonnen wurden
- Waren, die an Bord von Fabrikschiffen aus unter vorangegangenem Punkt genannten Erzeugnissen, die ihren Ursprung in diesem Land oder Gebiet haben, gewonnen oder hergestellt worden sind, sofern die Fabrikschiffe in diesem Land oder Gebiet ins Schiffsregister eingetragen sind und die Flagge dieses Landes oder Gebiets führen
- aus dem Meeresboden oder Meeresuntergrund außerhalb von Hoheitsgewässern gewonnene Erzeugnisse, sofern dieses Land oder Gebiet zum Zwecke der Nutzbarmachung Ausschließlichkeitsrechte über diesen Meeresboden oder Meeresuntergrund ausübt
- Abfälle und Reste, die bei Herstellungsvorgängen anfallen, und Altwaren, sofern sie dort gesammelt worden sind und nur zur Rückgewinnung von Rohstoffen verwendet werden können
- dort ausschließlich aus Erzeugnissen gemäß aller vorstehenden Kriterien hergestellte Waren
Weil die Mehrheit der Waren heutzutage aber globale und arbeitsteilige Produktionsprozesse durchlaufen, hat die 1. Regelung nur eine untergeordnete Bedeutung.
Prinzip der letzten Be- oder Verarbeitung
Viel wichtiger ist dagegen die zweite Ursprungsregel, die zum Tragen kommt, wenn mehrere Länder an der Herstellung einer Ware beteiligt sind.
Beispiel: Warenbestandteile eines Autos werden an mehreren internationalen Produktionsstandorten gefertigt. Zum Schluss werden die Autoreifen im letzten Schritt in Japan an das Auto angebracht. Das Auto, welches anschließend per Schiff in die EU verbracht wird, hat in diesem Fall japanischen Ursprung.
Bei solchen mehraktigen und länderübergreifenden Produktionsprozessen erwirbt eine Ware bei folgenden Voraussetzungen den Ursprung:
Handelspolitischer Ursprung: Herstellung der Ware in mehr als einem Land
- letzte wesentliche, wirtschaftlich gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung wurde im Ursprungsland
- in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen und
- zur hat zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt oder stellt eine bedeutende Herstellungsstufe dar.
Als wirtschaftlich nicht gerechtfertigt gilt eine Verarbeitung im Übrigen dann, wenn ihr Zweck darin besteht, handelspolitische Maßnahmen wie z.B. Antidumpingmaßnahmen zu umgehen.
Ansonsten verlangt der Unionszollkodex in dem Zusammenhang also eine nicht nur unwesentliche Be- oder Verarbeitung und stellt dabei auf das Kriterium der Verarbeitungstiefe ab. Diese hängt wiederum mit den neu gewonnen Eigenschaften und der Beschaffenheit der Ware zusammen.
Mit anderen Worten:
Jede Form der Minimalbehandlung, darunter:
- einfache Montagevorgänge
- Kommissionier-, Verpackungs- und Verladeprozesse, wie z.B. Umpacken, Portionieren, Abfüllen
- Mess-, Prüf- und Justagevorgänge
- Reparaturen und Restauration zur Herstellung des ursprünglichen Zustands
- Anbringen von Prüfzeichen, Etiketten etc.
- ausschließlich verkaufsfördernde Vorgänge
reichen nicht für den Ursprungserwerb aus.
Beachte: im europäischen Ursprungsrecht gibt es für die Regel der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung außerdem noch zwei Fallgruppen, die unterschieden werden müssen:
- Waren, die im Anhang 22-01 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 aufgeführt sind: hier gelten bestimmte verbindliche Kriterien / Listenregeln für die ursprungsbegründende Be- und Verarbeitung
- Alle anderen Waren: ursprungsbegründende Be- oder Verarbeitungsvorgänge werden im Einzelfall geprüft
Prozentuale Mengen- und Wertschöpfungsgrenzen spielen bei dem handelspolitischen Ursprung in der Regel also keine Rolle (im Gegensatz zu dem präferenziellen Ursprung) – der Ursprung von verwendeten Vormaterialien wird nur in Ausnahmefällen berücksichtigt.
Als Faustformel kann jedenfalls gelten: Wird die letzte Produktionsstufe in ein anderes Land verlagert, erwirbt die Ware den Ursprung in diesem Land.
Faustformel Handelspolitischer Ursprung
Bei der Verlagerung der letzten Produktionsstufe in ein anderes Land erwirbt die Ware den Ursprung in diesem Produktionsland – vorausgesetzt es handelt sich um eine bedeutende Herstellungsstufe mit ausreichender Verarbeitungstiefe.
Diese Regelung hat im Vergleich zum Ursprungserwerb im komplexen Präferenzsystem entscheidende Vorteile:
Sie ist flexibler und führt auch zu gerechteren Ergebnissen.
Denn eine Regelung, die auf dem Prinzip der Wertschöpfung basiert, ist immer preisanfällig und führt zu schwankenden Ergebnissen bei der Ermittlung des Ursprungs.
Je nachdem, ob sich der Verkaufspreis oder der Preis der eingesetzten Vormaterialien ändert, ändert sich auch der Ursprung der gesamten Ware.
Dies würde dem Prinzip zuwiderlaufen, eine einheitliche Ursprungssystematik im Außenhandel zu integrieren.
Da der Begriff der letzten wesentlichen Bearbeitung trotzdem recht unbestimmt ist, führt er auch in der Zollpraxis nicht selten zu Auslegungsfragen und ermöglicht zugleich aber auch einen Argumentationsspielraum für Unternehmen gegenüber dem Zoll.
Um den Warenursprung zweifelsfrei festzustellen, müssen Waren daher einschließlich ihres Herstellungsverfahrens im Einzelfall betrachtet werden. Pauschale Aussagen können an dieser Stelle nicht getroffen werden.
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Präferenziellen Warenursprung ermitteln
Die EU hat mit mehreren Ländern weltweit – teilweise einseitige und teilweise gegenseitige – Präferenzabkommen geschlossen, darunter z.B.
- Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich
- CETA zwischen der EU und Kanada
- EVFTA zwischen der EU und Vietnam
- JEFTA zwischen der EU und Japan
Deutschland als Mitgliedstaat der Union profitiert ebenfalls von diesen Abkommen, muss aber im Gegenzug dann auch die Vorschriften für den Ursprungserwerb in den entsprechenden Ländern beachten. Denn alleine die Herkunft der Ware in den Ländern reicht nicht für den präferenziellen Ursprung aus.
Jedes dieser Präferenzabkommen enthält einen Anhang mit sogenannten Listen- bzw. Ursprungsregeln, die für den Ursprungserwerb konkrete Anforderungen für die vorzunehmenden Be- oder Verarbeitungsschritte aufstellen.
Achtung: Die Anforderungen an den präferenziellen Ursprung sind vom jeweiligen Präferenzabkommen abhängig und können unterschiedlich ausfallen.
Unternehmen sollten daher die einschlägigen ursprungsbezogenen und warenspezifischen Präferenzregelungen prüfen – an dieser Stelle hilft die Datenbank des Zolls „Warenursprung und Präferenzen online (WUP)“ weiter.
Dort können Sie in der Rubrik ,,Gegenüberstellung der Verarbeitungslisten“ die HS-Position Ihrer Ware (die ersten vier Stellen der Zolltarifnummer) eingeben und das gewünschte Land oder auch mehrere Länder auswählen.
Präferenzregeln sind abkommensabhängig!
Die Voraussetzungen an den präferenziellen Ursprung mögen sich zwar ähneln – sie sind aber nicht nicht übertragbar und vom jeweiligen Präferenzabkommen abhängig – Unternehmen sollten die Ursprungsregeln daher vorab genau prüfen.
Ursprungsregeln in Präferenzabkommen
Was aber ist eigentlich unter den Ursprungsregeln (oft auch als Listenregeln bezeichnet) zu verstehen?
Was sind Ursprungsregeln?
Jedes Präferenzabkommen enthält sogenannte Ursprungsregeln, auch Listenregeln genannt. Diese Regeln stellen schreiben konkreten Be- oder Verarbeitungsvorgänge bei Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft (VoU) vor, anhand derer die dadurch hergestellte Ware die gewünschte Ursprungseigenschaft erwerben kann.
Vorab: Einige Waren und Bestandteile im Verarbeitungsprozess spielen bei der Ermittlung und für den Ursprungserwerb keine Rolle und bleiben unberücksichtigt – dabei handelt es sich um sogenannte „neutrale Elemente“.
Diese „neutralen Elemente“ bleiben bei der Ermittlung des Warenursprungs außen vor:
- Erzeugnisse, die nicht in die endgültige Zusammensetzung des herzustellenden Erzeugnisses eingehen und nicht eingehen sollen
- Zur Herstellung verwendete Maschinen, Anlagen, Ausrüstung, Werkzeuge sowie Energie und Brennstoffe
Welche Ursprungs- / Listenregeln aber gibt es und was sagen sie aus?
Folgende Listenregeln werden in vielen Präferenzabkommen verwendet:
Ursprungsregeln in Präferenzabkommen
- Es dürfen nur vollständig gewonnene oder erzeugte Waren verwendet werden
- Vormaterialien bestimmter Tarifpositionen ohne Ursprungseigenschaft sind bei der Be- oder Verarbeitung zugelassen oder davon ausgeschlossen
- Ein bestimmter Be- oder Verarbeitungsvorgang ist vorgeschrieben
- Der Wertzuwachs muss einen bestimmten Anteil ausmachen bzw. darf einen bestimmten Prozentsatz nicht überschreiten
- Kombination verschiedener Regeln
- Auswahl zwischen verschiedenen Regeln
Wichtig zu wissen, ist dass die Be- oder Verarbeitung immer im Zusammenhang mit einer bestimmten Tarifposition im Harmonisierten System (HS) steht.
Dabei kann sich eine Ursprungsregel auf sämtliche Waren eines ganzen Warenkapitels, auf eine Tarifposition oder eine Positionengruppe oder auch nur auf eine bestimmte Auswahl von Waren einer Position (so genannte „ex“-Position) erstrecken.
Das bedeutet zwangsläufig für Unternehmen: Sie müssen die Zolltarifnummer für Ihre (Fertig-)Ware, aber auch die der eingesetzten Vormaterialien kennen.
Nur dann können die Anforderungen abgeleitet und für den Ursprungserwerb umgesetzt werden.
In diesem Zusammenhang kann der Erwerb einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) hilfreich sein.
Vollständige Gewinnung oder Herstellung
Diese Ursprungsregel gibt es in allen Präferenzabkommen und ist am unkompliziertesten – denn sie ist abschließend und mit Fallbeispielen geregelt.
Die Voraussetzungen für den Ursprungserwerb nach dieser Regel sind: die Erzeugnisse müssen nachweislich in einem Land vollständig erzeugt oder gewonnen werden.
Das heißt aber, dass auch alle Vormaterialien einschließlich der verwendeten Rohstoffe aus ein- und demselben Land stammen müssen und sämtliche Herstellungsstufen und Verarbeitungsschritte in diesem Land stattgefunden haben müssen.
Ausreichende Be- oder Verarbeitung
Am weitesten verbreitet und in allen Präferenzabkommen enthalten ist auch die Regel der ausreichenden Be- oder Verarbeitung.
Die Verarbeitungslisten (auch als Listen abgekürzt) in den Ursprungsprotokollen enthalten dann jeweils produktbezogene Voraussetzungen, die die Verarbeitungsvorgänge konkretisieren.
Achtung: In einigen Präferenzabkommen werden für die ausreichende Be- oder Verarbeitung auch als Synonym die Begriffe „ausreichende Fertigung“ oder „Erfüllung erzeugnisspezifischer Ursprungsregeln“ verwendet – alle 3 Begriffe haben die gleiche rechtliche Bedeutung!
Wichtig: Die EU gilt in allen Präferenzregelungen als ein „Land“ – die erforderlichen Be- oder Verarbeitungen können also auch grenzüberschreitend (innerhalb der EU) in verschiedenen Betrieben in Deutschland oder anderen EU-Mitgliedstaaten erfolgen.
Handelt es sich bei der Ware um eine sogenannte Warenzusammenstellung im Sinne der Allgemeinen Vorschriften zum Harmonisierten System, findet die Regel für eine ausreichende Be- oder Verarbeitung nicht mehr Anwendung.
Der Grund dafür ist, dass Warenzusammenstellungen zolltariflich und auch präferenzrechtlich als eine Einheit bewertet werden.
Insofern gelten für Warenzusammenstellungen die jeweiligen Ursprungsregelungen der in den Ursprungsprotokollen als Maßstab für den Ursprungerwerb – bei dieser Art von Ursprungsprüfung muss einiges beachtet werden und sollte im Zweifel von einem Anwalt aus dem Zollrecht begleitet werden.
Unternehmen müssen in dem Zusammenhang außerdem das sogenannte Draw-Back-Verbot (Verbot der Zollrückvergütung oder Zollbefreiung) im Hinterkopf behalten: Viele der Präferenzabkommen schreiben vor, dass Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft nur dann verwendet werden dürfen, wenn sie verzollt wurden.
Auch an dieser Stelle hilft das WuP des Zolls weiter – dort finden Sie eine Übersicht, für welche Präferenzregelungen und für welche Vormaterialien dieses Verbot gilt.
Präferenzieller Ursprung: Ausreichende Be- oder Verarbeitung
Wann eine Ware ausreichend be- oder verarbeitet wurde, bestimmt sich nach den Verarbeitungslisten in den Ursprungsprotokollen der Präferenzabkommen. Besonderheiten gelten für Warenzusammenstellungen. Außerdem muss das Draw-Back-Verbot beachtet werden.
Kumulierung – Was ist das?
Kumulierung – einfach gesagt „Anhäufung“ bedeutet, dass die Be- und Verarbeitungsvorgänge, die zuvor in einem Vertragsstaat im Rahmen eines Präferenzabkommens stattgefunden haben, beim Ursprungserwerb in einem anderen Partnerland des Abkommens angerechnet werden.
Das hat zur Folge, dass Vorerzeugnisse mit Ursprung in Partnerstaaten, die „kumuliert“ werden können, nicht mehr ausreichend be- oder verarbeitet werden müssen.
Je nachdem, wie viele Länder an der Bearbeitungsprozedur beteiligt sind, gibt es unterschiedliche Kumulierungsvarianten, die noch unterschieden werden müssen, darunter fallen die
- Bilaterale Kumulierung, bei der zwei Länder Vertragsparteien sind und die
- Diagonale / Multilaterale Kumulierung, bei der mehrere Länder als Vertragsparteien beteiligt sind (z.B. bei dem Regionalen Übereinkommen, Pan-Euro-Med-Abkommen)
Die Kumulierungsvarianten können dabei als eingeschränkte oder als vollständige Kumulierung auftreten. Das hängt davon ab, welche Vormaterialien „kumuliert“ werden dürfen.
Verantwortliche im Außenhandel profitieren durch die Kumulierung, insbesondere nach der Ausweitung des Abkommens der Pan-Euro-Med-Staaten und sollten prüfen, ob durch die Inanspruchnahme von Zollpräferenzen Einfuhrabgaben gespart werden können.
Wichtig und zwingende Voraussetzung für die Präferenzgewährung ist allerdings, dass alle an einem Produktionsvorgang beteiligten Staaten gegenseitige Freihandelsabkommen abgeschlossen haben.
Das macht das Kumulierungsrecht sehr undurchsichtig und komplex – hier ist eine Beratung durch einen erfahrenen Anwalt aus dem Zoll- und Außenwirtschaftsecht unumgänglich, um auf der sicheren Seite zu sein.
Minimalbehandlungen reichen nicht für Warenursprung
Auch im Rahmen des präferenziellen Warenursprungs muss ein ausreichendes Maß an Be- und Verarbeitungstiefe vorhanden sein – Minimalbehandlungen reichen hier nicht für den Ursprungserwerb aus (auch nicht der Umstand, dass mehre Minimalbehandlungen durchgeführt werden).
Allerdings gilt im europäischen Ursprungsrecht die Regel von der Gesamtbetrachtung: hiernach muss wenigstens ein Vormaterial mit Ursprung der Europäischen Union verwendet werden. Der Wertanteil der Vormaterialen spielt dabei keine Rolle!
Welche Vorgänge als Minimalvorgänge gelten, führen die Abkommen im Rahmen einer Aufzählung aus – so auch beim Regionalen Übereinkommen über die Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln:
Minimalbehandlungen reichen nicht für den präferenziellen Ursprung!
Folgende Vorgänge und Tätigkeiten sind Minimalbehandlungen und können daher keinen Ursprung begründen:
- Behandlungen, die dazu bestimmt sind, die Erzeugnisse während des Transports oder der Lagerung in ihrem Zustand zu erhalten
- Teilen oder Zusammenstellen von Packstücken
- Waschen, Reinigen, Entfernen von Staub, Oxid, Öl, Farbe oder anderen Beschichtungen
- Bügeln von Textilien
- einfaches Anstreichen oder Polieren
- Schälen, teilweises oder vollständiges Bleichen, Polieren oder Glasieren von Getreide und Reis
- Behandlungen zum Färben von Zucker oder Formen von Würfelzucker
- Enthülsen, Entsteinen oder Schälen von Früchten, Nüssen und Gemüse
- Schärfen, einfaches Schleifen oder einfaches Zerteilen
- Sieben, Aussondern, Einordnen, Sortieren, Einstufen, Abgleichen (einschließlich des Zusammenstellens von Sortimenten)
- einfaches Abfüllen in Flaschen, Dosen, Fläschchen, Säcke, Kästen oder Schachteln, Befestigen auf Karten oder Brettchen sowie alle anderen einfachen Verpackungsvorgänge
- Anbringen oder Aufdrucken von Marken, Etiketten, Logos oder anderen gleichartigen Unterscheidungszeichen auf den Erzeugnissen selbst oder auf ihren Verpackungen
- einfaches Mischen von Erzeugnissen, auch verschiedener Arten
- Mischen von Zucker mit anderen Vormaterialien
- Zusammentreffen von zwei oder mehr der unter den zuvor genannten Behandlungen
- einfaches Zusammenfügen von Teilen eines Erzeugnisses zu einem vollständigen Erzeugnis oder Zerlegen von Erzeugnissen in Einzelteile
- Schlachten von Tieren
Die meisten der aufgezählten Tätigkeiten und Bearbeitungsvorgänge sind mehr oder weniger selbsterklärend.
Der Begriff des „einfachen Zusammenfügens“ hingegen ist eher schwammig und muss im Einzelfall betrachtet werden.
Anhaltpunkte dafür, dass es sich um mehr als nur ein einfaches Zusammenfügen und folglich keine Minimalbehandlung mehr handelt, können sein
- es sind besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten nötig
- der Einsatz von Maschinen ist aus technischen Gründen zwingend erforderlich (also nicht nur aus Kostengründen)
Territorialitätsprinzip beachten
Alle Präferenzregelungen eint, dass die Ware für den Ursprungserwerb bestimmte territoriale Bedingungen einhalten muss.
So bestimmt das sogenannte Territorialitätsprinzip in der Europäischen Union: alle Be- oder Verarbeitungsvorgänge, die zu dem Erwerb der EU-Ursprungseigenschaft beitragen, müssen ohne Unterbrechung in der EU stattfinden.
Das bedeutet aber gleichzeitig, dass die Ware innerhalb der EU in verschiedenen Produktionsstätten in mehreren EU-Mitgliedstaaten gefertigt werden darf und am Ende trotzdem europäischen Ursprung erwerben wird.
Ausnahmen von dieser Regel gelten nur für bestimmte Fälle in einigen Präferenzabkommen und für die Kumulierung.
Um die Einhaltung des Territorialitätsprinzips nachzuweisen, müssen Unternehmen Lieferantenerklärungen verwenden.
Präferenzkalkulation – wie geht das?
Wie aber bestimmte ich als Unternehmen jetzt, ob ich die bei meiner Ware die einschlägigen Ursprungsregeln erfülle und darauf basierend Zollpräferenzen in Anspruch nehmen kann?
Indem eine sogenannte Präferenzkalkulation vorgenommen wird, für die folgende Angaben erforderlich sind:
- Stückliste des hergestellten Produktes
- Zolltarifnummer des hergestellten Produktes
- Herstellungskosten und Gewinn
- Ab-Werk-Preis des hergestellten Produktes
- Vormaterialien: Artikelbezeichnung, Zolltarifnummer, nichtpräferenzieller Ursprung und Präferenzstatus / Vorursprungsnachweise sowie Einkaufspreise
- Prozentualer Anteil der Einkaufspreise im Verhältnis zum Ab-Werk-Preis
Präferenzkalkulationen können mitunter sehr komplex sein, daher sollte vorab überprüft werden, ob überhaupt Zölle bei der Einfuhr ins Bestimmungsland fällig werden. Falls nein, erübrigt sich nämlich die aufwändige Berechnung.
Im nächsten Schritt muss dem hergestellten Fertigprodukt die richtige HS-Position (ersten vier Ziffern der Zolltarifnummer) zugeordnet werden.
Nur dann kann in den Verarbeitungslisten die zutreffende Be- oder Verarbeitungsregel ausgewählt und überprüft werden.
Am häufigsten findet man unter den Be- oder Verarbeitungsregeln einen sogenannten Positionswechsel oder eine Wertklausel oder eine Kombination beider Kriterien.
Was ist ein Positionswechsel?
Unter einem Positionswechsel ist folgendes zu verstehen: das hergestellte fertige Erzeugnis muss einer anderen tariflichen Position im Harmonisierten System zugewiesen und darin eingereiht werden können, als die eingesetzten Vormaterialien ohne Ursprung (VoU) zuvor. Ansonsten liegt keine ausreichende Be- oder Verarbeitung nach dieser Ursprungsregel vor. In Ausnahmefällen greift hier aber auch die Toleranzregel.
Was sind Werteklauseln?
Werteklauseln sind bestimmte prozentuale Angaben, die auf die Wertschöpfung in der EU abstellen und einen (Höchst-)Rahmen für die Be- oder Verarbeitung der Vormaterialien aufstellen.
Die Prozentangabe steht in Relation zu dem sog. Ab-Werk-Preis (AWP) des hergestellten Erzeugnisses.
In einigen Listenregeln ist zusätzlich oder alternativ auch das Verhältnis der verwendeten Vormaterialien mit und ohne Ursprungseigenschaft zueinander vorgeschrieben.
Was ist der Ab-Werk-Preis (AWP)?
Der „Ab-Werk“-Preis (AWP) oder auch „Ex Works“ (EXW) ist der Preis des Erzeugnisses ab Werk , der dem Hersteller in der EU gezahlt wird, in dessen Unternehmen die letzte Be- oder Verarbeitung stattgefunden hat.
Voraussetzung: Der Preis umfasst den Wert aller verwendeten Vormaterialien.
Nicht zum AWP gehören:
- alle inländischen erstattungsfähigen Abgaben (z.B. Umsatzsteuer, Verbrauchsteuern)
- Transport- & Versicherungskosten bei anderen Lieferbedingungen als „Ab Werk“
- Zoll & Steuern im Bestimmungsland bei Lieferbedingung DDP (delivered duty paid – Lieferung verzollt und versteuert)
- Montagekosten, die in einem Partnerstaat anfallen und in der Ausfuhrrechnung stehen
Bereits feststehende Rabatte müssen aus dem Rechnungspreis herausgerechnet werden, handelsübliche Skonti und Boni („nachträgliche Mengenrabatte“) dagegen nicht.
Weil die Berechnung von vielen Faktoren abhängt und sehr aufwändig sein kann, ist es erlaubt, über einen angemessenen Zeitraum hinweg die Präferenzkalkulation mithilfe der sogenannten „Worst case–Methode“ zu vereinfachen.
Was ist die Worst-Case-Kalkulation?
Unter der „Worst-Case-Kalkulation“ versteht man eine Berechnung, bei der
- der niedrigste Ab-Werk-Preis kalkuliert und
- ggf. der niedrigste fakturierte Wert der Vormaterialien mit Ursprungseigenschaft, sowie
- der höchste fakturierte Wert der Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft veranschlagt wird.
Diese Methode erlaubt es, bei unterschiedlichen Einkaufspreisen für Vormaterialien und einer komplizierten Rabattgestaltung beim Verkauf über einen angemessenen Zeitraum hinweg die schlechtmöglichste Konstellation nach der Verarbeitungsliste anzuwenden, um die Präferenzkalkulation zu vereinfachen.
Aber Vorsicht: Die Berechnung anhand von Durchschnittspreisen ist nicht in allen Präferenzabkommen erlaubt! Im Zweifel sollten daher die einschlägigen Präferenzregelungen überprüft werden.
Toleranzregel
Sollte ein Erzeugnis nicht die Anforderungen erfüllen, kann es aber trotzdem noch den Ursprung erwerben.
Das ist dann der Fall, wenn der Wert der Vormaterialien ohne Ursprung den in der entsprechenden allgemeinen Toleranzregel festgelegten Wert nicht übersteigt.
Was ist die Toleranzregel?
Grundsätzlich gilt: alle Vormaterialien ohne Ursprung (VoU) müssen gemäß der Listenregel be- oder verarbeitet werden.
In den meisten Ursprungsprotokollen der Abkommen findet sich allerdings eine Verarbeitungsklausel über die sogenannte allgemeine Toleranzregel.
Nach dieser Regelung können Vormaterialien ohne Ursprung bis zu einem bestimmten Prozentwert auch ohne Einhaltung der Bedingungen der Verarbeitungsliste ursprungsunschädlich eingesetzt werden und werden bei der Ursprungsermittlung nicht berücksichtigt.
Die Toleranzgrenze beträgt im Regelfall 10 % – das bedeutet, der Gesamtwert dieser Vormaterialien 10 Prozent des Ab-Werk-Preises des Erzeugnisses nicht überschreiten darf.
Präferenziellen Warenursprung ermitteln – Tipps für Unternehmen
Vereinfacht kann die präferenzielle Ursprungseigenschaft einer Ware mit dem nachfolgenden Prüfungsschema ermittelt werden.
Welche Länder | Welche Abkommen, welche (Ursprungs-)Regeln kommen zur Anwendung? (z.B. Schweiz: Protokoll 3 zum Abkommen EU/ Schweiz) |
Vollständige Erzeugung | Ausschließliche Verwendung von EU-Ursprungswaren? |
Ausreichende Be- oder Verarbeitung | Welche Waren mit welcher HS-Position (z.B. Elektromotor Pos. 8501) Liste: – Erfassung (z.B. „ex Kap. 85“) – HS-Stand der Liste (2002 oder 2007) – Bedingung? (z.B. 30 %-Regel) |
Minimalbehandlung | Katalog der nicht ausreichenden Be- oder Verarbeitung prüfen z.B. Wertsteigerung durch reines Umpacken/ Umetikettieren |
Territorialitätsbehandlung | Keine Bearbeitung außerhalb der Zone EU-Partnerstaat |
Draw-Back-Verbot beachtet | Keine Zollrückvergütung oder Zollbefreiung anlässlich der Ausfuhr? |
Kumulation | Sind Vorerzeugnisse mit anrechenbarem Ursprung enthalten? |
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Dieser Artikel wurde am 10. Mai 2021 erstellt. Er wurde am 28. September 2024 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.
Ihr Ansprechpartner
- Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.