Der Zoll hat auf der Roadshow „Brexit und Zoll“ die Wirtschaft über Veränderungen beim anstehenden Brexit informiert. Auch O&W Rechtsanwälte waren auf der Veranstaltung vertreten.

Die Veranstaltung fand am Freitag, den 9. November in der Handelskammer Hamburg auf Initiative der Außenhandelsvereinigung des deutschen Außenhandels, des Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., dem Deutschen Industrie und Handelskammertag sowie dem Deutschen Speditions- und Logistikverband e.V. statt. Die Veranstaltung in Hamburg war Teil einer bundesweiten Vortragsreihe zum Thema Brexit.

In verschiedenen Vorträgen wurde dabei versucht die vielfältigen möglichen Konsequenzen des wohl bevorstehenden Brexits näher zu beleuchten und erste mögliche Lösungsansätze in den Raum geworfen. Interessant war dabei, dass sowohl die Konsequenzen für versendende Unternehmen, als auch für Logistiker und die Zollverwaltung diskutiert wurden.

Hochkarätige Referenten des Zolls zum Brexit

Für die Roadshow konnten hochkarätige Referenten gewonnen werden. Die Moderation übernahm Herr Axel Rostalski aus der Abteilung der Außenwirtschaftspolitik und -recht der Handelskammer Hamburg. Vertreten war außerdem das Bundesministerium für Finanzen, die Generalzolldirektion, die Behörde für Gesundheit und Veterinärwesen Hamburg sowie der Deutsche Speditions- und Logistikverband.

Jeder Referent schilderte seine Sicht auf den Brexit und beleuchtete dabei sein Fachgebiet.

In seiner Begrüßung schilderte Arne Olbrisch, Leiter Außenwirtschaftspolitik und -recht der Handelskammer Hamburg den aktuellen Zwischenstand des Brexit und stellte noch einmal klar, dass bisher, in Ermangelung eines Austrittsabkommens, immer noch nicht sicher wäre, wie Unternehmen, Logistiker und Zollverwaltung sich mit Verstreichen des Austrittsdatums zu verhalten hätten. Im Falle eines harten Brexit, also eines Austritts ohne die Vereinbarung einer Übergangsfrist wäre wohl mit enormen Störungen des Warenverkehrs und der Lieferketten zu rechnen. Insbesondere stellte er heraus, dass auch kleinere Unternehmen (KMU) durch den Brexit vor Probleme gestellt werden könnten, da sie im März 2019 zum ersten Mal vor die Aufgabe gestellt werden könnten mit einem Drittland der Union Handel zu treiben, sollten sie geschäftliche Beziehungen nach Großbritannien unterhalten.

Stand der Verhandlungen

In ihrem Vortrag griff Frau Karolin Abel, Bundesministerium für Finanzen, die Eingangsworte des Herrn Olbrisch auf und berichtete von dem aktuellen Verhandlungsstand. So wusste sie zu berichten, dass aktuell immer noch vergeblich auf einen Durchbruch im Nordirlandstreit gewartet werden würde und immer mehr Wirtschaftsweisen den „Exit vom Brexit“ vorschlagen würden.

Allerdings war sie positiv gestimmt, dass sich, zumindest auf sachlicher Ebene, in Kürze ein Brexit-Abkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien abzeichnen könnte. Selbst im Falle der abschließenden Ausarbeitung eines solchen Abkommens verbliebe dann angesichts der britischen Hardliner allerdings immer noch die Frage, ob das britische Parlament ein solches Abkommen dann auch tatsächlich ratifizieren würde. Trotzdem stellte sie auch immer wieder heraus, dass die Gefahr eines harten Brexits ohne Abkommen noch nicht gebannt sei.

Sie berichtete, dass nach Informationen des Auswärtigen Amtes die EU wohl sämtliche Mitgliedstaaten aufgefordert hätte „Notfallpläne“ für den Fall des harten Brexits zu entwickeln. In Deutschland sollen Informationen zu einem solchen Plan wohl Mitte Dezember bekannt gegeben werden. In diesem Notfallplan würde es wohl insbesondere um Fragen der Staatsangehörigkeit, der Freizügigkeit und von Neueinstellungen innerhalb der Zollverwaltung gehen.

Im Falle eines harten Brexits sei eine Verzollungswelle und die Bildung von Verzollungs-Hotspots an Flug- und Seehäfen zu befürchten. Es wird in diesem Fall mit einem Mehrbedarf an geschultem Personal für die Zollverwaltung von knapp 900 Zollbeamten gerechnet.

Frau Abel betonte auch noch einmal, dass angesichts der bald ablaufenden Frist alle Beteiligten, also sowohl die Zollverwaltung, als auch die Unternehmen und die Logistikbranche dringend Planungssicherheit für den Brexit benötigen würden.

Gerüchteweise soll Theresa May wohl grünes Licht für Verhandlungen über den Verbleib Großbritanniens in der EU-Zollunion beziehungsweise in einer neuen Zollunion gegeben haben. Über einen aktuellen Verhandlungsstand soll allerdings noch nichts bekannt geworden sein.

Theresa May stellte die Idee in den Raum, dass die EU und GB sich möglicherweise darauf verständigen könnten eine Übergangszeit bis Ende 2020 zu vereinbaren, da Großbritannien bis zu diesem Zeitpunkt noch am Haushalt der Europäischen Union beteiligt sei. Wie bei den meisten Punkten innerhalb des Themas Brexit, ist aber auch dies nur eine Idee. Sollten sich die Beteiligten über eine solche Übergangsfrist verständigen können, würde wohl das gesamte Unionsrecht zunächst unverändert in Großbritanniens weiter gelten. Dies würde bedeuten, dass auch sämtliche Zollregelungen zunächst unverändert blieben und alle Beteiligten länger Zeit hätten sich auf ein neues Zollrecht einzustellen. Ob Großbritannien sich auf eine solche Übergangsfrist verständigen möchte, müsse aber abgewartet werden, denn als reiner „rule-taker“ hätten sie in der Unionsgesetzgebung dann kein Mitspracherecht mehr.

Im Falle eines harten Brexits allerdings würde der Unionszollkodex (UZK) mit all seinen Regelungen, aber auch den Vereinfachungen, vollständig gelten und die EU würde von den Zollbeamten dann kein Nachlassen bei den Zollkontrollen erwarten, nur weil es sich bei Großbritannien um einen ehemaligen Mitgliedstaat der Union handelt. Insbesondere, weil es hier um Mittel für den EU-Haushalt geht, würden die Kontrollen genauso streng ausfallen wie bei jedem anderen Drittland der Union.

Hinsichtlich der später zu erfolgenden Ausgestaltungen der Beziehung zwischen der Union und Großbritannien stellte Sie dar, dass die Union sich derzeit ein Freihandelsabkommen mit Großbritannien wünscht. Problematisch sei allerdings, dass Großbritannien weder den freien Personenverkehr gewährleistet, noch in den EU-Haushalt zahlen oder die Rechtsprechung des EuGH anerkennen möchte. Die Beziehungen, wie sie sich Großbritanniens vorstellt, würden dabei also hinter den Beziehungen der EU zu Norwegen und der Schweiz zurückbleiben und Großbritannien nicht anders als ein Drittland wie Kanada oder Japan sein, sodass man sich auch in diesem Bereich auf Schwierigkeiten einstellen müsse. In einem White Paper hatte Großbritannien einen Binnenmarkt nur für Waren gefordert. Die Grundfreiheiten der Union können allerdings nicht voneinander getrennt werden.

Brexit für Speditionen und Logistiker

Über die Probleme des Brexits aus der Sicht der Spediteure und Logistiker referierte Hans-Peter Grage, Customs Manager von Hellmann Worldwide Logistics.

Er leitete seinen Vortrag damit ein, dass er herausstellte, dass es seiner Meinung nach im Bereich des Brexits nur Fragezeichen und noch keine Ausrufezeichen geben würde. Jedenfalls würden für alle Seiten die Vorteile des gemeinsamen Marktes wegfallen. Es sei außerdem ein Rückschritt, dass sämtliche Zollverfahren wieder eingeführt werden müssten. Ein Rückschritt zurück auf den Zeitpunkt vor Abschluss des Binnenmarktes.

Für die Logistikbranche sah er insbesondere den Mehrbedarf an Personal und die massiven Zeitverzögerungen, die durch die Notwendigkeit der Verzollung entstehen könnten, als problematisch an. Durch die Zollverfahren würden im hohen Maße Lademittel gebunden werden. Egal ob Zugmaschine, Trailer oder Laderaum – sämtliche Sachmittel würden sich verknappen und dadurch verteuern. Auch stellte er in Aussicht, dass im schlechtesten Fall durch die hohe Bindung von Sach- und Personalmitteln Lieferungen nach Großbritannien möglicherweise überhaupt nicht mehr profitabel sein könnten und Logistiker keine verbindlichen Terminzusagen mehr machen könnten.

Dadurch, dass auch kleinere Unternehmen, die bisher nur auf dem Binnenmarkt Handel getrieben haben, nun im Drittlandverkehr aktiv werden müssten, würde in den Unternehmen außerdem ein Mehrbedarf an geschulten Personal und auch an Zollsoftware entstehen.

Er stellte noch als Idee in den Raum die Ausfuhrzollanmeldungen für Waren nach Großbritannien am Sitz des Ausführers abzuwickeln, um die Bildung von Verzollungshotspots zu verhindern. Außerdem müsse Großbritannien zwingend am Unionsversandverfahren beteiligt werden, da ansonsten für jede Sendung, auch für Kleinsendungen, ein eigenes Versandpapier erforderlich wäre. Ein nur schwer zu bewerkstelligender Aufwand.

Er forderte nachdrücklich eine Lösung, bei der die Logistikflexibilität erhalten bleibt.

Keine Übergangsfrist des Zolls für den Brexit

Auch Herr Marko Uhl von der Generalzolldirektion aus der Fachdirektion V sieht enorme Probleme der Verzögerung innerhalb der Lieferketten.

Unternehmen, die zum ersten Mal außerhalb des Binnenmarktes Handel treiben werden, riet er, sich dringend jetzt schon um die Beantragung einer EORI-Nummer und um einen Zugang zum ATLAS Verfahren zu kümmern. Ein solcher Zugang würde für die Zollanmeldungen relevant werden.

Unternehmen empfiehlt er außerdem, sich jetzt schon vorsorglich, um die Tarifierung ihrer Waren zu kümmern und den Ursprung der eigenen Waren zu ermitteln. Auch kann es Sinn machen, jetzt schon die Bewilligung als „Ermächtigter Ausführer“ ändern beziehungsweise umschreiben zu lassen. Dies ist allerdings abhängig von der Ausgestaltung und der Reichweite der eigenen Bewilligung.

„Es wird keine Schonfrist für Unternehmen geben, sobald der Brexit vollzogen ist. Zollrechtliche Bestimmungen werden ab diesem Tag eingehalten werden müssen.“

Zum Zeitpunkt des Austritts sei jedenfalls mit einem hohen Verwaltungsaufkommen und Wartezeiten zu rechnen. Wie lange die Beantragung einer solchen Zulassung dann dauern würde, konnte er derzeit noch nicht absehen. Auf Arbeitsebene habe die Kommission wohl zugegeben, dass sie derzeit an einem Notfallplan bezüglich Ermächtigungen und Vereinfachungen arbeiten würde. Konkretes wurde bisher aber nicht preisgegeben, um insbesondere die Verhandlungsposition der Union nicht zu schwächen.

Auch kann es sich im Hinblick auf Verfahrensvereinfachungen lohnen, bereits jetzt einen AEO-S beziehungsweise einen AEO-C Antrag zu stellen, denn die Bearbeitung dieser Anträge würde bereits jetzt eine längere Zeit dauern.

Ähnlich wie Herr Grage, sah auch Herr Uhl es als dringend angezeigt, dass die Union und Großbritannien sich auf ein gemeinsames Versandverfahren einigen. Im Mai bekundete Großbritannien Interesse daran, dem Übereinkommen über die Vereinfachungen im Warenverkehr und dem Übereinkommen über ein gemeinsames Versandverfahren beizutreten. Die übrigen 27 Mitgliedstaaten haben ihrerseits bisher alles getan, um den Beitritt zu diesem völkerrechtlichen Abkommen vorzubereiten. Die EU muss Großbritannien allerdings noch förmlich zum Beitritt einladen. Großbritannien muss dann nach der Einladung noch nachweisen, dass es auch tatsächlich in der Lage ist, an diesem Übereinkommen teilzunehmen. Großbritannien hat bisher aber wohl noch Probleme mit der Vorhaltung der notwendigen Sachmittel.

Aus dem Publikum kam die Frage auf, ob Unternehmen mit einer Art Übergangsfrist beim Brexit durch den Zoll rechnen könnten, innerhalb derer Pflichtverstöße im Handelsverkehr mit GB milder und nachsichtiger bestraft werden würden. Herr Uhl antwortete darauf mit einem klaren Nein.

Fragen des präferenziellen Ursprungs, Verbote und Beschränkungen

Angelika Lorenz von der Generalzolldirektion referierte zum Thema des präferenziellen Ursprungs, der Verbote und Beschränkungen.

Dabei stellte sie heraus, dass nach dem derzeitigen Stand, mangels Präferenzabkommens zwischen Großbritannien und der EU keine Präferenzbehandlung möglich sei. Konsequenz sei, dass Drittlandszölle in voller Höhe zu entrichten wären.

Da es im Moment noch an Regelungen über den präferenziellen Ursprung fehle, müssten auch Vormaterialien aus Großbritannien aktuell als möglicherweise kritisch eingestuft werden. Künftig könnten außerdem Be– und Verarbeitungen von Unionswaren in Großbritannien dazu führen, dass eine Ware ihren EU-Ursprung verliert.

Es müsste außerdem damit gerechnet werden, dass es im Hinblick auf Lieferanten- und Langzeitlieferantenerklärungen Probleme geben wird, denn es gibt noch keine Erkenntnisse darüber, wie mit vor dem Brexit ausgestellten Lieferantenerklärungen umzugehen sei. Für Unternehmen könnte es sich derzeit anbieten, solche Erklärungen im Hinblick auf Großbritannien bis zum Austrittsdatum zu befristen. Es besteht noch die Gefahr, dass aus Großbritannien stammende Waren nach dem Austritt zu Nichtunionswaren werden. Die Problematik dieses Themenkomplexes hat man allerdings erkannt – das Bundesministerium für Finanzen hat diesbezüglich in der letzten Woche einen Kommentar an die Kommission hergetragen.

Empfehlenswert kann es aktuell sein, Waren aus Großbritannien vorsorglich jetzt schon im Lager entsprechend zu kennzeichnen, um sie später von übriger Drittlandsware noch unterscheiden zu können.

Hinsichtlich der Exportüberwachung wird sich die Situation möglicherweise bald so gestalten, dass die Zollbehörden den Warenverkehr aus GB vollständig hinsichtlich sämtlicher bestehender Verbote und Beschränkungen überwacht, um das europäische Schutzniveau aufrechtzuerhalten. Großbritannien würde dann Unionswaren anhand der eigenen britischen Verbote und Beschränkungen prüfen. Wie diese aussehen würden ist noch nicht absehbar. In einer Absichtserklärung hat GB jedoch erklärt, dass insbesondere die technischen Standards und das allgemein hohe Schutzniveau der EU aufrechterhalten werden soll. Trotzdem sind auch in dieser Hinsicht Divergenzen denkbar.

Es sei aber damit zu rechnen, dass möglicherweise die Vorlage von Genehmigungs- und Begleitdokumenten notwendig werden könnte.

Bisher war die Verbringung von Dual-Use-Gütern nach Großbritannien außerdem genehmigungsfrei. Im Falle eines harten Brexits ohne Austrittsabkommen oder Übergangszeit würde es sich bei Lieferungen nach Großbritannien aber nicht mehr um eine Verbringung, sondern um die Ausfuhr dieser Güter in ein Drittland handeln. Damit würde eine Genehmigungspflicht mit Zuständigkeit des BAFA bestehen. Außerdem wäre eine Ausfuhranmeldung abzugeben. Es wäre hier denkbar, dass in Hinsicht des effektiven Risikomanagements künftig für Lieferungen von Dual-Use-Gütern nach GB eine manuelle Freigabe durch den Zoll erfolgen muss. Hierdurch könnte es zu großen Zeitverzögerungen kommen. Just-in-time Lieferungen wären quasi unmöglich.

Auswirkungen auf laufende Zollverfahren und Transitware

Mit Problemen sei außerdem zu rechnen, wenn zum Stichtag des Austritts zwischen Großbritannien und der Union noch Waren im Transit unterwegs sind. Im Falle des harten Brexits würde dieser Warenverkehr automatisch zum Drittlandsverkehr werden. Auf Arbeitsebene arbeitet die Union wohl auch diesbezüglich an einem Notfallplan, hat hierzu allerdings noch nichts konkretes bekannt gegeben, um die eigene Verhandlungsposition nicht zu schwächen. Ziel muss es hier wohl sein, einen Vorgang, der nach dem Unionsrecht begonnen wurde, dann auch nach Unionsrecht zu beenden.

Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass es hinsichtlich des Brexits immer noch viele Fragezeichen und kaum Ausrufezeichen gibt. Für alle Beteiligten ist es unbedingt wünschenswert, dass Großbritannien und die Europäische Union sich auf ein Abkommen verständigen können oder zumindest eine Übergangsfrist vereinbaren. Die Unsicherheiten werden sich wohl erst in den nächsten Monaten und Jahren auflösen.

Dieser Artikel wurde am 13. November 2018 erstellt. Er wurde am 22. November 2020 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Anton Schmoll

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.