Das Finanzgericht Hamburg entschied am 3. August 2022, dass Untersuchungsberichte des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und die darin festgehaltenen Ermittlungsergebnisse zulässige Beweismittel darstellen.

Grund hierfür ist ein Verfahren, in welchem einem Unternehmen vorgeworfen wird, Antidumpingzölle zu umgehen. Das Unternehmen habe auf die Zollanmeldung vom September 2011 mit Einfuhrabgabenbescheid einen geringeren, als den gesetzlich geschuldeten Betrag entrichtet. Nach der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 galt im Einfuhrzeitpunkt für Waren, wie den streitgegenständlichen Unterlegscheiben (Position 7318 2200 KN), sofern sie ihren Ursprung in der Volksrepublik China hatten, ein nicht unternehmensbezogener Antidumpingzollsatz i.H.v. 85 %.

Antidumpingzoll Unterlegscheiben aus China/Thailand

Die beklagte Zollbehörde erhob am 6. Mai 2014 einen Einfuhrabgabenbescheid gegen das klagende Unternehmen. Die Zollbehörde beruft sich hierbei auf die Ermittlungen der OLAF. Diese hätten ergeben, dass es sich bei den eingeführten Unterlegscheiben um solche mit Ursprung in der VR China gehandelt habe.

Das Unternehmen vertritt die Auffassung keinen Antidumpingzollsatz entrichten zu müssen, da der Ursprung ihrer Waren thailändisch sei.

Die Zollbehörde verweist auf Dokumente von thailändischen Behörden. Insbesondere lägen Daten über die Vorlieferungen, der eingeführten und mit thailändischem Ursprung angemeldeten Unterlegscheiben aus China vor. Demzufolge sei die Ware zunächst von China nach Thailand geschickt worden. Erst von Thailand soll die Ware in die EU gesandt worden sein, sodass ein vermeintlicher thailändischer Warenursprung vorliegt und kein Antidumpingzoll erhoben wird.

Die Klägerin legte am 14. Mai 2014 Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid ein. Ein Antidumpingzoll dürfe nach ihrer Auffassung nicht erhoben werden, da die Ware aus Thailand und nicht aus China stamme. Zudem seien Ermittlungen von OLAF oder Daten thailändischer Behörden nicht unmittelbar bindend für ein deutsches Verwaltungsverfahren.

OLAF und Zollkriminalamt ermittelten Zollumgehung

Um den Fall aufzuklären, wurden zahlreiche Ermittlungen eingeleitet. Zu den Ermittlungen zählen unter anderem solche des Zollkriminalamtes.

Das Zollkriminalamt stellte fest, dass es seit der Einführung des Antidumpingzolls ein erheblichen Anstieg der Einfuhren von Verbindungselementen mit angemeldetem Ursprung in Thailand gab. Hingegen nahmen die Einfuhren dieser Waren aus China ab. In den Jahren 2007 und 2008 seien lediglich ca. 5.500 Tonnen Verbindungselemente mit angemeldetem Ursprung aus Thailand eingeführt worden, in den Jahren 2009 und 2010 hingegen ca.12.500 Tonnen.

Auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ermittelte aufgrund der Umgehungsvorwürfe von Antidumpingzöllen. Im August 2013 stellten Mitarbeiter von OLAF, durch eine Liste des thailändischen Außenhandelsministeriums bezüglich der Einfuhren sämtlicher Sendungen von Verbindungselementen fest, dass über 99 % der Verbindungelemente aus China nach Thailand eingeführt worden seien.

OLAF habe zudem die thailändischen Ausfuhrlisten mit den von den EU-Mitgliedstaaten übermittelten Daten über Einfuhren in die EU abgeglichen. Der Vergleich der Einfuhrdaten mit den Ausfuhrdaten habe eine große Zahl von Übereinstimmungen zwischen den eingeführten und den ausgeführten Sendungen gezeigt.

Zudem habe sich bei den Ermittlungen von OLAF bestätigt, dass sämtliche Verbindungselemente, die in verschiedenen Lagerhäusern in Thailand verweilten, bevor sie in die EU versandt wurden, ein Ursprungserzeugnis aus China besaßen.

Aus den Bestandsverzeichnissen der Lagerhäuser gehe die Verbindung zwischen den eingeführten chinesischen Sendungen und den in die EU ausgeführten Sendungen deutlich hervor. Sowohl die Nummern der Rechnungen und/oder die Warencodes, als auch die Warenbeschreibungen und die Mengen seien bei den Ein- und Ausfuhren identisch.

Die zuständigen Vertreter der Lagerhäuser hätten zudem bestätigt, dass es sich bei den Sendungen von Verbindungselementen, um solche aus China gehandelt habe. Nach dem Umladen in andere Container seien diese dann weiter in die EU verschifft worden. Außerdem sei in allen Lagerhäusern Herstellungs-, Be- und Verarbeitungstätigkeiten untersagt, sodass die Ware auch nicht aufgrund von Verarbeitung einen thailändischen Warenursprung erhalten könne.

Fazit der Untersuchung von OLAF sei somit, dass die Verbindungselemente aus Stahl zoll– und abgabenfrei nach Thailand aus China eingeführt und nach kurzer Zwischenlagerung von dort in die EU wieder ausgeführt worden seien. Die von der Klägerin vorgelegten Ursprungszeugnisse seien somit als gefälscht anzusehen.

Sind OLAF-Berichte zulässige Beweismittel für den Zoll?

Im Juli 2014 beantragt die Klägerin die Aussetzung der Vollziehung des Antidumpingzolls. Die beklagte Zollbehörde lehnte den Aussetzungsantrag mit Ablehnungsbescheid ab. Im Folgenden beglich die Klägerin jedoch den offenen Abgabenbetrag vollständig.

Die Klägerin hat im März 2016 Klage erhoben und verfolgt ihr Begehren weiter. Die eingeführten Unterlegscheiben hätten ihren Warenursprung in Thailand. Einen eindeutigen Nachweis dafür, dass sie ihren Ursprung in der VR China gehabt hätten, habe die Beklagte nicht geführt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass Untersuchungen und Missionen von OLAF keine bindende Wirkung auf deutsche Gerichte hätten.

Weiter vertritt sie, dass die Ermittlungen des Zollkriminalamtes und OLAF keine konkrete, belegbare Verbindung zu den eingeführten Waren besäßen. Zudem wird die Behauptung der Beklagten, das vorgelegte Ursprungszeugnis sei gefälscht, bestritten. Die Klägerin stellt die durch das Gericht durchgeführten Vernehmungen des Geschäftsführers eines der Lagerhäuser, im Hinblick auf seine Glaubwürdigkeit in Frage.

Im Übrigen seien die Berichte von OLAF auch nicht hinreichend belastbar. Sie empfindet es als zweifelhaft, ob Staatsbeamte in Thailand beim Auftreten von EU-Behörden vor Ort nur wahre Aussagen treffen würden.

Die Klägerin verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), welches besage, dass die Ermittlungen und Berichte von OLAF nicht für die EU-Mitgliedstaaten verbindlich seien. Ein Mitgliedstaat habe Ermessen, ob und inwiefern er entsprechend seiner innerstaatlichen Gesetzgebungshoheit diese von OLAF erhobenen Daten und Schlussfolgerungen umsetze. Eine Ermessensausübung sei vorliegend, jedoch noch nicht erfolgt. Die von OLAF generierten Daten würden als absolut gesetzt und nicht rechtsstaatlich hinterfragt. Der EuGH habe bestätigt, dass es sich hinsichtlich der von OLAF generierten Daten lediglich um unverbindliche Empfehlungen handle.

OLAF Ermittlungen sind aus Sicht des Zolls bindend

Die beklagte Zollbehörde beantragt, die Klage abzuweisen. Sie führt ergänzend aus, dass der Ursprung der Unterlegscheiben in China nicht durch generelle Untersuchungen und Missionen des OLAF nachgewiesen sei, sondern dieser Feststellung konkrete einzelfallbezogene Ermittlungen des Zollkriminalamts und des OLAF zugrunde gelegen hätten.

Weiter sei laut der Zollbehörde, die Berücksichtigungsfähigkeit der Ermittlungsergebnisse von Gemeinschaftsmissionen wie OLAF durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt.

Zudem verwies sie auf die vermeintlich gefälschten Ursprungszeugnisse. Zwar begründe die Berufung auf ein gefälschtes Ursprungszeugnis für sich allein genommen noch keine Vermutung für einen Warenursprung in China. Es könne aber als Indiz dafür herangezogen werden, dass die Ware nicht wie angegeben aus Thailand stamme.

Die vom thailändischen Lagerhausunternehmen erlangten Auskünfte seien von deren Geschäftsführer und damit von einer hierzu befugten und geeigneten Person erteilt worden. Ein anderes wichtiges Indiz für den tatsächlichen Warenursprung  in China sei, die Aussage des Geschäftsführers. Dieser berichtet dass in seinem Lagerhausbetrieb in Thailand Waren aus China umverpackt worden seien.

Gesamtbetrachtung führt zu Antidumpingzoll-Nachzahlung

Das Gericht ist davon überzeugt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Unterlegscheiben um chinesische Ursprungsware gehandelt. Überzeugt haben das Gericht die von dem Zollkriminalamt und von OLAF gewonnen Erkenntnisse.

Die von OLAF, den thailändischen Behörden und der Geschäftsführung der Lagerhallen zur Verfügung gestellten Datensätze und die weiteren eingeholten Auskünfte legen in einer Gesamtschau einzelfallbezogen, detailliert und widerspruchsfrei dar, dass die von der Klägerin eingeführten Unterlegscheiben ihren Ursprung nicht in Thailand, sondern in der VR China hatten.

Diese Schlüsse zieht das Gericht aus:

  • Beschaffenheit der Waren
  • Transport der Waren
  • Import-Bestandsverzeichnis der Lagerhäuser
  • Dokumente aus der Zollanmeldung (Handelsrechnung, Packlisten, Bill of Lading Nr. ZZZ)
  • Transportunternehmen
  • Zeugenaussagen

Aus der Verknüpfung der Import-, Lager– und Exportdaten folgt, dass die Unterlegscheiben kurz vor der Ausfuhr in die EU aus China eingeführt und für sechs Tage in den Lagerhallen in Thailand einlagert und umgepackt wurden.

Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Daten, da es sich um solche des thailändischen Außenhandelsministerium bzw. den thailändischen Zollbehörden zur Abwicklung von Im- und Exportgeschäften standardmäßig erhobenen Informationen handelt.

Die Ermittlungsergebnisse von OLAF und die von ausländischen Behörden oder Unternehmen übermittelten Daten sowie die Vermerke über Zeugenaussagen im Rahmen der OLAF-Missionen stellen zulässige Beweismittel dar, die vorliegend zu würdigen waren.

OLAF-Berichte stellen zulässige Beweismittel dar. Sie werden nach denselben Maßstäben beurteilt wie die Verwaltungsberichte der Kontrolleure der nationalen Verwaltungen und haben dieselbe Beweiskraft.

An diese gesetzliche Wertung anknüpfend entspricht es der ständigen Rechtsprechung des EuGH, in OLAF-Berichten zulässige Beweismittel zu sehen. Jedes Gericht muss dann im Einzelfall prüfen, ob ein OLAF-Bericht für den konkreten Streitfall aussagekräftig sei oder gegebenenfalls nur eine allgemeine Beschreibung der fraglichen Situation enthalte.

Zudem ist das Gericht von der Stimmigkeit und Detailliertheit der von OLAF ermittelten Daten überzeugt. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Unterlegscheiben ihren Ursprung in der VR China hatten.


Die Klage des Unternehmens ist unbegründet und der Nacherhebungsbescheid über Antidumpingzoll ist rechtmäßig.

Haben Sie Fragen zu Antidumpingzöllen oder andere zollrechtliche Fragestellungen?

Sprechen Sie uns gerne an. Für Unternehmen: 15 Minuten kostenlose Erstberatung unter +49 40 369615-0

Dieser Artikel wurde am 15. November 2022 erstellt. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

Ihr Ansprechpartner

  • Anton Schmoll

    Rechtsanwalt
    ABC-Str. 21
    20354 Hamburg
  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.