Lebensmittelaufsichtsbehörden haben in verschiedensten Lebensmitteln unzulässig hohe Mengen an Ethylenoxid bzw. E410, einem stark krebserregenden Desinfektionsmittel gefunden, jüngst vor allem in Sesamsamen mit Ursprung in Indien und Johannisbrotkernmehl.

Viele Hersteller sind deshalb freiwillig dazu übergegangen, betroffene Produkte aus den Märkten zurückzurufen.

Weil eine zu hohe Kontamination mit Ethylenoxid in Lebensmitteln stark gesundheitsgefährdend ist und krebserregend sein kann, kontrollieren die Zollbehörden vermehrt die Einfuhren bestimmter Lebensmittel.

Vielen Unternehmen stellt sich in dem Zusammenhang auch die Frage nach der Haftung als Hersteller, Importeur oder sogar Spediteur.

Fragen zur Haftung bei importierten Lebensmitteln mit Ethylenoxid?

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EU kontrolliert Lebensmittel-Import

Bereits mit der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1793 hatte die EU die Verstärkung der amtlichen Importkontrollen beim Eingang bestimmter Lebens- und Futtermittel nicht tierischen Ursprungs aus bestimmten nichteuropäischen Ländern angeordnet.

Der Hintergrund ist das Risiko einer Kontamination durch Mykotoxine (einschließlich Aflatoxinen), Pestizidrückstände, Pentachlorphenol und Dioxine sowie einer mikrobiellen Kontamination bei den betroffenen Lebens- und Futtermitteln.

Am 23.10.2020 hat die EU-Kommission dann die Durchführungsverordnung (EU) 2020/1540 veröffentlicht, mit der die EU zusätzlich die Einfuhren von Sesam und Sesamprodukten aus Indien kontrolliert, weil vermehrt eine Kontamination mit Ethylenoxid festgestellt wurde.

Was ist Ethylenoxid?

Ethylenoxid ist ein gasförmiges Pflanzenschutz- und Begasungsmittel, das aufgrund seiner krebserregenden Wirkung seit 1991 in der EU für die Lebensmittelerzeugung strengstens verboten ist.

Nichteuropäische Länder wie Indien, Türkei, China oder auch die USA und Kanada setzen Ethylenoxid aber weiterhin ein.

Dabei lässt sich allerdings nur schwer nachvollziehen, ob Lebensmittel selbst mit Ethylenoxid behandelt werden oder nur durch den Transport kontaminiert werden, weil die Container vorab mit Ethylenoxid desinfiziert werden.

Was ist Ethylenoxid?

Ethylenoxid ist ein farbloses, hochentzündliches Gas, das in einigen Ländern als Pflanzenschutz- und Begasungsmittel und Desinfektionsmittel für Nahrungsmittel verwendet wird. In der EU ist der Einsatz von Ethylenoxid in Lebensmitteln wegen seiner gesundheitsschädlichen Wirkung seit 1991 verboten.

Um die Belastung für die Endverbraucher und die Umwelt möglichst gering zu halten, hat der europäische Gesetzgeber für zahlreiche Rückstände und Kontaminanten verbindliche Höchstwerte festgelegt, u.a. auch für das Ethylenoxid.

Weil Ethylenoxid im Verdacht steht, das Erbgut zu verändern und Krebs zu erregen, hat die EU gemäß der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 für Ethylenoxid und sein Abbauprodukt 2-Chlorethanol in Lebensmitteln einen Rückstandshöchstgehalt (RHG) bei 0,05 mg/kg festgelegt.

Produkte, die diese Höchstmengen überschreiten, dürfen nicht in die EU eingeführt werden und müssen vom Markt genommen werden.

Was ist das Schnellwarnsystem RASFF?

Seit September 2020 haben Lebensmittelkontrollbehörden das krebserregende Ethylenoxid vermehrt in verschiedenen Zusatzstoffen und Lebensmitteln nachgewiesen und daraufhin die Importkontrollen verschärft.

Die Kontrollen gehen dabei auch auf das eigens von der EU im Jahr 1979 eingerichtete Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF) zurück.

Das RASFF soll als Kontrollinstanz EU-weit den hohen Lebensmittelsicherheitsstandard wahren und ermöglicht eine schnelle Reaktion und Sicherheitsmaßnahmen der zuständigen Lebensmittelsicherheitsbehörden, sobald in der Lebensmittelkette Risiken für die öffentliche Gesundheit bekannt werden.

Was ist das RASFF?

Das RASFF ist das europäische Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel, über das Informationen über lebens- und futtermittelbedingte Gesundheitsgefahren ausgetauscht und Abhilfemaßnahmen wie ein Verkaufsverbot, Produktrückruf, Beschlagnahmung oder Zurückweisung der gefährlichen Produkte koordiniert werden.

Die Mitglieder melden über das RASFF unverzüglich getroffene Maßnahmen, darunter

  • Beschränkung des Inverkehrbringens von Lebensmitteln / Futtermitteln
  • Rücknahme vom Markt oder Rückruf von Lebensmitteln / Futtermitteln
  • Freiwillige Maßnahmen, wie Auflagen, die das Inverkehrbringen oder die Verwendung von Lebensmitteln oder Futtermitteln verhindern und einschränken
  • Zurückweisung eines Postens, eines Behälters oder einer Fracht Lebensmittel oder Futtermittel durch Zollbehörden

Geht von einem in die EU eingeführten Lebens- oder Futtermittel wahrscheinlich ein ernstes Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt aus, kann die EU auch selbst Maßnahmen ergreifen, die dann EU-weit für die Einfuhren gelten, z.B.

  • Aussetzung der Einfuhr des betroffenen Lebens- oder Futtermittels aus dem gesamten betroffenen Exportland / einzelnen Gebiets des Exportlandes oder Durchfuhrdrittland
  • Festlegung besonderer Bedingungen für das fragliche Lebens- oder Futtermittel

Ethylenoxid – Welche Produkte wurden zurückgerufen?

Aktuell ist noch nicht abzusehen, welche Produktgruppen zukünftig noch betroffen sein könnten.

Das liegt vor allem daran, dass bei den vielfach verwendeten Zusatzstoffen wie Johannisbrotkernmehl (E 410) und Guarkernmehl (E 412) eine Belastung mit Ethylenoxid festgestellt wurde.

In Verdacht stehen gerade vor allem Lieferungen aus den Bezugsländern Türkei und Italien. Aber auch untersuchte Produkte aus Vietnam, Korea und China enthielten Auffälligkeiten.

Ethylenoxid: Welche Produkte werden zurückgerufen?

Unter den betroffenen Produkten finden sich vor allem

  • Johannisbrotkernmehl (E 410),
  • Guarkernmehl (E 412),
  • Nahrungsergänzungsmitteln,
  • Gewürzpulver
  • Pflanzenextrakte (z.B. Moringa),
  • Instant-Asianudeln und
  • einzelne bio-zertifizierte Produkte.

Das Problem: Johannisbrotkernmehl und Guarkernmehl werden als Zusatzstoffe in diversen Lebensmittel wie Speiseeis, Fertigmahlzeiten, Milchgetränke, Marmeladen und Joghurts verwendet.

Einige Experten befürchten deshalb gerade eine große Rückrufwelle, die für die Lebensmittelunternehmen millionenschwere Kosten verursachten könnte.

Aktuell laufen nahezu täglich Rückrufaktionen durch die Hersteller.

Ethylenoxid in Sesam aus Indien

Im Oktober 2020 hatte das RASFF zuletzt vermehrt auch bei Sesamsamen mit Ursprung in Indien Alarm geschlagen.

Denn über das RASFF wurden sehr große Mengen an Ethylenoxid in bestimmten Chargen mit Sesamsamen gemeldet, die ihren Warenursprung in Indien haben oder von dort versandt wurden und anschließend in die EU verbracht worden sind.

Der Rückstandshöchstgehalt von 0,05 mg/kg für Ethylenoxid wurde im Falle der Sesamsamen um mehr als das Tausendfache überschritten.

Vor allem Unternehmen, die Sesam aus Indien in die EU einführen, müssen sich auf größere Zollkontrollen und Nachweispflichten einstellen.

Den die Vorgabe für die Einfuhren von Sesamsamen aus Indien lautet seit dem 26.10.2020:

  • Der Zoll muss 50 Prozent der Sesam-Importe aus Indien bei ihrer Einfuhr kontrollieren.
  • Sesam-Importeure aus Indien müssen als Einfuhrvoraussetzung zusätzlich ein Analysezertifikat als negativen Nachweis vorlegen. Das Zertifikat muss bestätigen, dass die Höchstmengen für Ethylenoxid in der Einfuhrware nicht überschritten werden.

Problematisch ist das vor allem auch aus dem Gesichtspunkt, dass Unternehmen bei Sesam oder Sesamprodukten nicht verpflichtend Angaben zum Warenursprung machen müssen. Der Warenursprung lässt sich bei Sesam-Importen also im Regelfall nicht anhand des Etiketts ermitteln.

Pflichten für Lebensmittelunternehmer

Es stellt sich die Frage, welche Rechte und Pflichten die Unternehmen im Zusammenhang mit Ethylenoxid trifft.

Grundsätzlich kann die Aussage getroffen werden, dass die Haftung und Verantwortlichkeit im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht sehr weit reicht und die Regelungen mehr Unternehmen in die Pflicht nimmt, als man vielleicht im ersten Moment denken mag.

Denn das europäische Lebensmittelrecht betrachtet alle Aspekte der Lebensmittelherstellung als ein Kontinuum („vom Acker bis zum Teller“).

Die europäischen Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Basis-Verordnung) zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts sowie das korrespondierende deutsche Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) regeln daher für sämtliche Unternehmen, die unter den Begriff des Lebensmittelunternehmers fallen, Pflichten.

Im Ergebnis werden somit alle alle Gewerbetreibenden, die mit Lebensmitteln umgehen und eine potentielle Auswirkung auf die Lebensmittelsicherheit haben, zu Verantwortlichen.

Wer ist Lebensmittelunternehmer?

Als Lebensmittelunternehmen gelten alle Unternehmen, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen. Dabei spielt keine Rolle, ob das Unternehmen auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist oder nicht und ob es öffentlich oder privat ist.

Zum Kreis der verantwortlichen Lebensmittelunternehmer gehören daher sämtliche Tätigkeiten von der Primärproduktion, über den Vertrieb bis zur Abgabe an den Endverbraucher, darunter

  • Hersteller (Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung),
  • Importeure,
  • Speditionen,
  • Distributeure,
  • Fuhrunternehmer,
  • Lagerhalter,
  • Makler und
  • Einzel- und Großhändler.

Welche Handlungspflichten man als Unternehmen hat, richtet sich dabei nach der jeweiligen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufe.

Grundsätzlich gilt aber: Alle Lebensmittelunternehmen müssen nicht nur dafür Sorge tragen, dass die für die eigenen Tätigkeiten originären Anforderungen des Lebensmittelrechts eingehalten werden.

Unternehmen müssen vielmehr überprüfen, ob vor- und nachgelagerte Unternehmen in der Lieferkette, mit deren Lebensmitteln das eigene Unternehmen in Berührung kommt, die Anforderungen einhält.

Handlungspflichten für Importeure & Speditionen

Importeure, aber auch die Lebensmittellogistik wie Speditionen gelten im Lebensmittelrecht somit als Lebensmittelunternehmer.

Das führt dazu, dass Lebensmittel-Importeure und Speditionen auch die Verantwortung für die Verkehrsfähigkeit der Produkte tragen und für die eingeführten Lebensmittel haften.

Dementsprechend müssen Importeure und Speditionen sicherstellen, dass die eingeführten Lebensmittel sicher sind und keine Gefahr für die Gesundheit der Endverbraucher und die Umwelt darstellen – das verursacht mitunter große technische und organisatorische Anstrengungen.

Wichtig zu wissen ist, dass Importeure und Speditionen

  • sich über die geltenden rechtlichen Vorschriften im Lebensmittelrecht informieren,
  • aber auch zollrechtliche Besonderheiten im Blick haben müssen.

Unabhängig von der Stellung innerhalb der Lebensmittelkette (!) müssen Unternehmen grundsätzlich tätig werden, wenn sie erkennen oder Grund zur Annahme haben, dass ein Lebensmittel nicht den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit entspricht, also z.B. den Rückstandshöchstgehalt für Ethylenoxid übersteigt.

Es reicht also, wenn dem Lebensmittelunternehmer konkrete Umstände bekannt sind, die objektiv eine Wahrscheinlichkeit für die Nichteinhaltung der Lebensmittelsicherheit ergeben.

Unternehmen müssen diesen Hinweisen nachgehen – es handelt sich somit um eine Risikomanagemententscheidung.

Rückverfolgbarkeit Lebensmittel

Um im Krisenfall das Schicksal der Lebensmittel und letztendlich auch die Fehlerquelle ermitteln zu können, müssen sämtliche Unternehmen die Rückverfolgbarkeit der Produkte sicherstellen.

Denn nur dann können adäquate und effektive Maßnahmen wie ein Produktrückruf oder Warnhinweise für die Verbraucher durchgesetzt werden.

Jedoch sind die Unternehmen nicht im grenzenlosen Umfang dazu verpflichtet, entlang der Lieferkette die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.

Wen müssen Unternehmen kontrollieren?

Beim Thema Rückverfolgbarkeit gilt die Faustformel: „eine Stufe nach oben und eine Stufe nach unten“.

Das bedeutet: Lebensmittelunternehmen müssen entlang ihrer Lieferkette feststellen können,

  • von wem sie die betroffenen Lebensmittel erhalten haben und
  • an wen sie die Erzeugnisse geliefert haben.

Um die Identität der Kunden und Lieferanten im Einzelnen feststellen zu können, müssen Unternehmen Systeme und Verfahren einrichten, für die es aber keine spezifischen gesetzlichen Vorgaben gibt.

Die sendungsbegleitenden Informationen den Weg sollen dadurch den Weg der Waren lückenlos und umfänglich transparent machen.

Insbesondere bei komplexen Vertriebsprozessen, bei denen der Hersteller das Warehousing auf einen Dienstleister überträgt, der die

  • Lagerung
  • Kommissionierung
  • Konfektionierung und
  • Verteilung

für den Hersteller übernimmt, sind IT-Systeme notwendig, um die gesamte Lieferkette und Stationen in Echtzeit nachvollziehen zu können.

Die entsprechenden Informationen müssen dann im Anschluss an die zuständigen Lebensmittelkontrollbehörden weitergeleitet werden.

Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel

Außerdem gibt es bestimmte Kennzeichnungspflichten für Lebensmittel, die in die Union in den Verkehr gebracht werden, um die Rückverfolgbarkeit zu erleichtern.

Hier richten sich die Vorgaben für die Kennzeichnung nach dem jeweiligen Lebensmittelsektor. Existieren keine sektorspezifischen Regelungen, reicht im Regelfall eine Loskennzeichnung nach der Los-Kennzeichnungs-Verordnung (LKV).

Rücknahme und Rückruf Lebensmittel

Die Rücknahme und der Lebensmittelrückruf verursachen für Unternehmen einen großen logistischen Aufwand und Kosten und führen im schlimmsten Fall auch zu einem Reputationsverlust.

Umso wichtiger ist es deshalb zu wissen, welche Unternehmen an diesen Maßnahmen mitwirken müssen.

Auch hier spricht die Regelung alle Lebensmittelunternehmen an. Sämtliche Unternehmen, die ein Lebensmittel eingeführt, erzeugt, verarbeitet, hergestellt oder vertrieben haben, fallen unter die gesetzlichen Bestimmungen zur Produktrücknahme und Produktrückruf.

Allerdings mit der Einschränkung, dass die Verpflichtung nur dann greifen soll, wenn das betroffene Produkt nicht mehr unter der unmittelbaren Kontrolle des ursprünglichen Lebensmittelunternehmers steht.

Außerdem greift hier ein abgestuftes Maßnahmenpaket:

Bevor es tatsächlich zum worst case, dem Produktrückruf kommt, muss das Unternehmen das betroffene Produkt zuerst vom Markt zurücknehmen.

Die Rücknahme zielt darauf ab, den Vertrieb, die Ausstellung oder das Angebot eines Produkts zu verhindern.

Beachte: Die Rücknahme vom Markt kann auf jeder Stufe der Lebensmittelkette erfolgen kann und nicht nur nicht nur zum Zeitpunkt der Lieferung an den Endverbraucher.

Wann müssen Unternehmen Lebensmittel vom Markt nehmen?

Lebensmittelunternehmer sind unter folgenden Voraussetzungen zur Rücknahme verpflichtet:

  1. das Lebensmittel wird vom Unternehmer als nicht sicher angesehen, da es nicht den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit entspricht
  2. das Lebensmittel befindet sich bereits auf dem Markt und hat unmittelbare Kontrolle des ursprünglichen Lebensmittelunternehmens verlassen

Wann ein Lebensmittel als unsicher gilt, legt die Verordnung 178/2002 fest.

Darüber hinaus verlässt das Lebensmittel die unmittelbaren Kontrolle eines Lebensmittelunternehmers, wenn es verkauft oder unentgeltlich abgegeben oder auf andere Weise übertragen wurde, so dass der ursprüngliche Unternehmer keinen Rechtsanspruch mehr auf das Lebensmittel hat.

Das ist z. B. der Fall, wenn er es an einen Großhändler abgegeben hat oder es sich bei einem anderen Unternehmer in der Vertriebskette befindet.

Wann aber müssen Unternehmen ein Lebensmittel zurückrufen?

Rückruf bedeutet in dem Fall die Aufforderung an den Verbraucher, das Produkt an den Ort des Kaufs zurückzubringen oder es zu vernichten.

Wann müssen Unternehmen Lebensmittel zurückrufen?

Wenn eine Rücknahme erforderlich ist und das Erzeugnis den Verbraucher erreicht haben könnte, verpflichtet die europäische Verordnung 178/2002 die Lebensmittelunternehmer:

  • den Verbraucher genau und wirksam über den Rücknahmegrund zu informieren und
  • falls erforderlich die bereits an den Verbraucher gelieferten Erzeugnisse zurückzurufen.

Der Rückruf ist notwendig, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, um ein hohes Maß an Gesundheitsschutz zu erreichen.

Ethylenoxid: Haftung Importeure

Doch in welchem Prüfungsumfang müssen Importeure die Lebensmittel kontrollieren?

Amtliche Kontrollen der in- und ausländischen Lebensmittel erfolgen durch stichprobenartige Analysen durch die amtliche Lebensmittelüberwachung.

Aber Importeure sind auch dazu verpflichtet, Eigenkontrollen bei den Lebensmitteln vorzunehmen.

Prüfpflichten Importeur beim Lebensmittel-Import

Importeure müssen folgende Punkte überprüfen:

  • Rückverfolgbarkeit sicherstellen
  • Zusammensetzung des Lebensmittels (Rezepturkontrolle, Laboranalyse)
  • Qualität des Lebensmittels (Laboranalyse)
  • Übereinstimmung der Inhaltsangaben mit dem tatsächlichen Gewicht bzw. Volumen
  • Auswirkungen der Verpackung auf das Lebensmittel und
  • Kennzeichnungspflicht: Pflichtangaben nach inländischen Vorschriften auf der Verpackung (Deklarationen) prüfen

Importeure: Stichprobenuntersuchung

Der Importeur muss die Qualitätskontrolle in Form von Stichprobenuntersuchungen durchführen und dabei

  • die Zusammensetzung der Lebensmittel,
  • die gesundheitlichen Unbedenklichkeit,
  • Verpackung und
  • die Gewichtsangabe überprüfen. 

Dabei muss der Importeur ein zuverlässiges Verfahren wählen, um etwaige Mängel mit ausreichender Sicherheit aufdecken zu können.

Der Umfang der Stichproben sollte dabei außerdem groß genug sein, um am Ende das Inverkehrbringen von nicht verkehrsfähiger Ware in die EU zu verhindern und sollte repräsentativ für die Gesamtmenge der Einfuhrware sein.

Das kann im Einzelfall und bei einem großen Importvolumen zu umständlichen, unbequemen oder mit Kosten verbundenen Untersuchungen für den Importeur führen.

Importeur muss selbst Stichproben nehmen!

Beachte: Der Importeur muss der Untersuchungspflicht in jedem Fall selbst nachkommen – Er darf die Kontrolle nicht durch eine privatrechtliche Vereinbarung mit seinem ausländischen Lieferanten umgehen.

Auch die Vorlage schriftlicher Erklärungen des ausländischen Herstellers oder der Hinweis auf Vertrauensschutz bei langjährigen Geschäftsbeziehungen sind nicht ausreichend.

Bestätigungen durch Behörden und anerkannte Laboratorien entbinden den Importeur ebenfalls nicht von seiner Prüfungspflicht.

Allerdings werden derartige Nachweise neben Faktoren wie detaillierter Kenntnis und die eigene Überprüfung des Qualitätssicherungssystems des ausländischen Lebensmittelherstellers durchaus positiv berücksichtigt.

Das gilt vor allem für Importeure, die ausschließlich Produkte von einer Konzerngesellschaft mit eigenem Qualitätssicherungssystem einführen.

Hier fällt der Maßstab für die Sorgfaltspflichten geringer aus, als bei Produkten, die von dritter Seite bezogen werden.

Ethylenoxid: Haftung Spediteure & Lagerhalter

Auch Lagerhalter und Spediteure sind Lebensmittelunternehmer, weil sie mit dem Transport eine mit dem Vertrieb zusammenhängende Tätigkeit ausführen. Sie stehen also auf einer Stufe mit den Lebensmittel-Herstellern. Dementsprechend muss auch die Lebensmittellogistik bestimmten Sorgfaltspflichten nachkommen.

Lebensmittelhygiene-Praxis

Das führt dazu, dass Pflichten aus anderen gesetzlichen Regelungen wie z.B. der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) auf den Transport und die Lagerung von Lebensmitteln Anwendung finden.

Danach müssen Logistikunternehmen wie Speditionen eine auseichende Hygienepraxis in ihre Abläufe implementieren, die die Lebensmittelsicherheit gewährleistet.

Dazu gehören

  • Betriebshygiene für Gerät und Einrichtungen
  • Produktions­hygiene für‘s Handling
  • Personalhygiene der beteiligten Mitarbeiter

und funktionserhaltende Maßnahmen an den Fahrzeugen wie z.B.

  • ein Kühlsystem,
  • Temperaturaufzeichnung,
  • Reinigung,
  • Vorkühlung der Fahrzeuge,
  • vorausschauende Beladung (Luftzirkulation),
  • zügige Entladung (kurze Türöffnungszeiten),
  • saubere Arbeitskleidung und
  • Hygiene-Schulungen.

Allerdings beinhalten diese Gesetze keine unmittelbaren eigenen Regelungen zur zivilrechtlichen Haftung.

Sofern es also um Schadensersatz geht, können Landwirte, Verbraucher oder auch Logistik-Auftraggeber als Vertragspartner ihre Schäden über allgemeine zivilrechtliche Regelungen und insbesondere das Produkthaftungsgesetz (ProdHG) gegenüber der Spedition machen.

Kontrollpflichten

Neben der Lebensmittel-Hygiene gibt es Prüf- und Kontrollpflichten für die Logistikunternehmen.

Ein Logistiker, der als Lebensmittelunternehmen gilt, muss in jedem Falle ein Qualitätsmanagementsystem auf der Basis guter Herstellungspraxis und ein Rückverfolgbarkeitssystem, wie oben bereits beschrieben, einführen.

Voraussetzung ist dabei aber folgende vertragliche Konstellation:

  • Der Lebensmittelhändler kauft die Ware inklusive der Zusatzstoffe
  • Der Lebensmittelhändler ist Eigentümer der Ware
  • Der Lebensmittelhändler beauftragt den Logistiker mit der Lagerung, Kommissionierung und der Auslieferung
  • Der Lebensmittelhändler veranlasst selbst auf eigene Rechnung Qualitätskontrollen und erstellt auch die Rechnung an den Abnehmer.
  • Der Lebensmittelhändler bezahlt den Logistiker nur für seine Dienstleistungen, die er auf Weisung des Auftraggebers erbringt

Logistiker: Haftungsumfang klären

Verstöße gegen die Bestimmungen im Lebensmittelrecht werden mit harten Geld- und im schlimmstem Fall sogar Freiheitsstrafen geahndet.

Gerade Fälle, bei denen es um Kontaminationen in Lebensmitteln geht, werden Haftungsrisiken und Versicherungen noch relevanter und bedeutsamer, da hier auch die potentiellen Gesundheitsgefahren für die Verbraucher steigen.

Außerdem kommt es bei Logistikunternehmen in der Praxis des Öfteren vor, dass der Auftraggeber den Logistiker bittet, weitere Leistungen zu übernehmen. Es kommt also zu einer Auftragserweiterung.

Dies führt in erster Linie zu zusätzlichen Einnahmen. Doch es erweitern sich auf die gesetzlichen Vorgaben und Haftungsrisiken.

Deshalb sollten Speditionen und Lebensmittellogistiker vor der Auftragserteilung folgende Fragen stellen:

  1. Um welche Tätigkeit handelt es sich?
  2. Welche gesetzlichen Vorgaben existieren?
  3. Welche Genehmigungen und Formalien müssen vorliegen?

Für die Haftung gegenüber dem Auftraggeber kann als Faustformel gelten: gesetzliche Haftungsbegrenzungen gelten nur für das Transportrecht:

Die in den Allgemeinen Deutsche Spediteurbedingungen (ADSp) enthaltenen Haftungsbegrenzungen gelten also nur für transport- oder lagerungsbezogene Tätigkeiten und originär logistische Zusatztätigkeiten wie z. B. Verpackung und Kommissionierung.

Sofern die Auftragserweiterung auch produktions- oder handelsbezogene Tätigkeiten umfasst, gelten die Haftungsbegrenzungen des Transportrechts und der ADSp im Regelfall nicht mehr!

An dieser Stelle sollten Speditionen eigene Geschäftsbedingungen oder vertragliche Regelungen schaffen und auch auf die Versicherungsabdeckung achten.

Die Anwälte von O&W aus dem Transportrecht sind Ihnen hierbei gerne behilflich und beraten Sie und Ihr Unternehmen zu den möglichen Haftungsrisiken und erarbeiten zusammen die optimale Vertragsgestaltung.

Haftung als Verkäufer von Johannisbrotkernmehl

Hersteller und Importeure von betroffenen Lebensmitteln wie Johannisbrotkernmehl könnten Schadensersatzforderungen, Forderungen nach Aufwendungsersatz und Nacherfüllung drohen.

Hier scheint gerade der Fall von Sachschäden relevant.

Das Produkthaftungsgesetz ist hier in der Regel nicht anwendbar, da Sachschäden hiernach nur bei Sachen ersetzt werden, die ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt sind und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden sind.

Dies ist bei der Haftung innerhalb der sogenannten Herstellungskette nicht der Fall.

Es bleibt demnach nur bei einer vertraglichen oder deliktischen Haftung innerhalb der Lieferkette.

Hierfür kommt es gerade im Kaufrecht und dem dazugehörigen Mängelgewährleistungsrecht drauf an, ob die Kaufsache mangelhaft war. Dies wird man wohl bejahen müssen.

Allerdings kommt es gerade beim Schadensersatz auch drauf an, ob dem Verkäufer ein Verschulden zur Last fällt, also ob er den Mangel und damit die Pflichtverletzung zu vertreten hat.

Dies richtet sich wohl danach, ob eventuelle Mängel durch den Verkäufer zu vertreten sind, z.B. dadurch, dass er eventuellen Qualitätssicherungsmaßnamen etc. nicht nachgekommen ist.

Rechte als Käufer von Johannisbrotkernmehl

Als Käufer von betroffenen Lebensmitteln wie Johannisbrotkernmehl haben Sie eventuell das Recht, vom Verkäufer die Lieferung neuer nicht belasteter Ware zu verlangen.

Auch müssten Sie hierzu Einzelfall die Ware zunächst gegenüber Ihrem Lieferanten rügen.

Das hier mit Ethylenoxid belastete Johannisbrotkernmehl dürfte als mangelhaft anzusehen sein.

Denn, sofern es den Rückstandshöchstgehalt übersteigt und deshalb

  1. nicht für die Verwendung als Zusatzstoff in Lebensmittel geeignet ist und
  2. deshalb nicht in die EU eingeführt werden darf

weist die Ware in der Regel nicht die vereinbarte oder vorausgesetzte Beschaffenheit auf.

Der Ersatz von Folgeschäden, die z.B. durch Verspätung, Vernichtung oder entgangenen Gewinn entstehen, kommt auch in Betracht.

Ethylenoxid in Lebensmitteln – Zollkontrollen drohen

Unternehmen müssen verstärkt mit Kontrollen durch die Lebensmittelbehörden und Zollbehörden rechnen.

So kann der Zoll u.a.

  • die Einfuhrware anhalten und kontrollieren
  • Proben entnehmen und analysieren
  • die Einfuhr untersagen.

Hält der Zoll ihre Importware fest, weil es Anhaltspunkte für die Belastung mit Ethylenoxid gibt, können hierdurch im Einzelfall bei Ihnen zusätzliche Lagerkosten entstehen oder auch Kosten für die Vernichtung der Ware.

Gerne beraten die Anwälte von O&W Sie und Ihr Unternehmen im Zusammenhang mit einer etwaigen Rückrufaktion und dem Kontakt mit Behörden und der Abwicklung.

Gerne beraten unsere Anwälte Sie und Ihr Unternehmen zu den Haftungsrisiken bei importierten Lebensmitteln mit Ethylenoxid.

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Dieser Artikel wurde am 10. September 2021 erstellt. Er wurde am 21. September 2021 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

Ihr Ansprechpartner

  • Anton Schmoll

    Rechtsanwalt
    ABC-Str. 21
    20354 Hamburg
  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.