Der EuGH befasste sich in einem Vorabentscheidungsverfahren mit den Regeln zum nichtpräferenziellen Ursprung von Waren. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die Primärregel im Anhang 22-01 der Delegierten Verordnung 2015/2446 zur Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Rohren und Hohlprofilen mit der Tarifposition 7304 41 ungültig ist.

Das Urteil dürfte auch Auswirkungen für andere Listenregeln der Kommission zur Bestimmung des Ursprungs haben. Unternehmen sollten daher ihre Ursprungsbestimmung überprüfen.

Worum ging es in der Entscheidung?

Die Stahlhandelsgesellschaft Stappert führte Rohre aus Südkorea ein. Diese nahtlosen Rohre aus nicht rostendem Stahl gehören zur zolltariflichen Unterposition 7304 41 (kaltgezogen oder kaltgewalzte Rohre oder Hohlprofile). Zur Herstellung werden zunächst Rohblöcke (sog. Rohrluppen) in China hergestellt. Diese werden sodann in Südkorea mittels einer Kaltumformung zu Rohren gezogen.

Die Stahlhandelsgesellschaft war der Auffassung, dass Südkorea das Ursprungsland der Rohre sei und berief sich auf Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex (ZK).

Das Zollamt berief sich auf die Primärregeln (s.u.) und stellte fest, dass das Ursprungsland der Rohre China sei. Die Rohre hätten denselben nicht präferenziellen Ursprung wie die Rohrluppen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass Antidumpingzölle fällig geworden wären. Hiergegen legte Stappert erfolglos Einspruch ein und erhob sodann Klage vor dem Finanzgericht Hamburg. Mit der Klage begehrte die Klägerin die Erteilung einer verbindlichen Ursprungsauskunft (vUA) nach Art. 33 ZK, mit der festgestellt werden sollte, dass Südkorea das Ursprungsland der importierten Rohre ist.

Das FG Hamburg hat dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Sind Rohrluppen von dem Begriff „Hohlprofile“ erfasst?

Der Vollständigkeitshalber sei hier erwähnt, dass der EuGH, auf die erste Frage des FG Hamburg, festgestellt hat, dass die Rohrluppen nicht von dem Begriff „Hohlprofile“ umfasst sind. Die Rohrluppen stellen vielmehr Rohre dar, da sie u.a. gerade und von gleichmäßiger Wanddicke sind.

Gültigkeit der Primärregel

Die wohl wichtigste Neuerung aus der Entscheidung betrifft jedoch die Gültigkeit der Primärregel was den nicht präferenziellen Ursprung der Ware angeht.

Zur Erläuterung: Handelt es sich um Ware aus einem nicht präferenziellen Ursprung, so bestimmt sich der Warenursprung im Grundsatz nach der Generalklausel des Art. 60 ZK. Art. 60 Abs. 2 ZK bestimmt den Ursprung bei Waren, die in mehreren Ländern hergestellt wurden. Vereinfacht gesagt, gelten Waren als Ursprungswaren des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen wurden. Da diese Generalklausel recht weit gefasst ist, gewährt Art. 62 ZK der Kommission die Ermächtigung, Regelungen hinsichtlich des Ursprungs von Waren, u.a. auch der in Art. 60 Abs. 2 des ZK genannten Waren, genauer auszugestalten.

Dies hat die Kommission mit der Delegierten Verordnung 2015/2446 getan. Im Anhang 22-01 dieser Verordnung werden die wesentlichen Be- und Verarbeitungsprozesse aufgelistet, aus denen sich ein nichtpräferenzieller Ursprung ergibt. Aus dieser Liste, die nach zolltariflichen Positionen aufgebaut ist, ergibt sich die Primärregel bzgl. des Ursprungs der Ware.

Durch die Primärregel soll vorrangig das Ursprungsland der Ware ermittelt werden. Im Kapitel 73 des Anhangs 22-01 ist nachrangig geregelt, dass ansonsten die Ware in dem Land ihren Ursprung hat, in dem der größere Teil der Vormaterialien seinen Ursprung hat.

In dem vom EuGH entschiedenen Fall ging es um Rohre und Hohlprofile, die unter der Zolltarifnummer 7304 geregelt sind.

Das für den EuGH entscheidende Problem dabei war, dass ein Hohlprofil mit der Zolltarifnummer 7304 49 welches durch Kaltumformung verarbeitet wird und danach wieder ein Hohlprofil darstellt dieses Mal mit der Zolltarifnummer 7304 41 als wesentliche Be- oder Verarbeitung im Sinne der Primärregel und des Art. 60 Abs. 2 ZK gilt und deshalb das letzte verarbeitende Land als Ursprung des Enderzeugnisses gilt. Wird jedoch ein Rohr mit der Zolltarifnummer 7304 49 durch Kaltumformung in ein anderes Rohr oder ein Hohlprofil verarbeitet, welches unter die Zolltarifnummer 7304 41 fällt, gilt dies nicht als wesentliche Verarbeitung und Ursprungsland bleibt dasjenige der Vorprodukte.

Dies stellt nach Ansicht des EuGH eine Ungleichbehandlung dar, da jeweils Produkte der Unterposition 7304 49 in Produkte der Unterposition 7304 41 verarbeitet wurden, für die die Kommission keine überzeugende Erklärung geliefert hat.

Aufgrund dessen hat der EuGH die Primärregel für ungültig erklärt, „soweit sie es ausschließt, dass der Wechsel der Tarifposition, der sich aus der Verarbeitung von Rohren der Unterposition 7304 49 HS zu (…) Rohren und Hohlprofilen (…) der Unterposition 7304 41 HS, ergibt, letzteren die Eigenschaft von Erzeugnissen mit Ursprung in dem Land verleiht, in dem dieser Wechsel stattgefunden hat.“ Denn dieses Ergebnis ist nicht mit Art. 60 Abs. 2 ZK vereinbar. Es liegt ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission vor.

Bereits früher entschieden hatte das Gericht, dass die Voraussetzung eines Wechsels der Tarifposition allein nicht genügt, um den Warenursprung zu bestimmen. Denn der gemeinsame Zolltarif wurde „für eigene Zwecke und nicht für die Bestimmung des Warenursprungs geschaffen“. Ein Tarifwechseln kann lediglich als Indiz einer wesentlichen Verarbeitung dienen. Das Gericht hält ausdrücklich fest, dass „auch ohne einen solchen Positionswechsel eine wesentliche Be- oder Verarbeitung gegeben sein“ kann.

Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung ist insbesondere für Importeure von entsprechenden Rohren wichtig. Zudem könnte die Entscheidung auch künftig weitreichende Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Denn es stellt sich nunmehr die Frage hinsichtlich der Auslegung und der Gültigkeit der Primärregel aus dem Anhang 22-01 für andere Waren. Hier scheint zumindest die Möglichkeit zu bestehen, dass auch andere Regelungen aufgrund von Beurteilungsfehlern ungültig sind und es in diesen Fällen hinsichtlich des Warenursprungs wieder entscheidend auf die Auslegung von Art. 60 Abs. 2 ZK ankommt.

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Dieser Artikel wurde am 17. Januar 2024 erstellt. Er wurde am 24. Januar 2024 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.