Es kann vorkommen, dass der Zoll zu Unrecht Antidumpingzölle festsetzt und das Unternehmen aber bereits die Antidumpingzölle bezahlt hat – in diesen Fällen muss der Zoll dem Unternehmen die Antidumpingzölle erstatten und hat kein Zurückbehaltungsrecht.

Um die Frage der Erstattungspflicht des Zolls ging es auch in einem Gerichtsverfahren über Antidumpingzölle auf Stahl- und Eisenrohre aus China, das Anfang 2021 bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ging.

Das Finanzgericht Hamburg entschied im März 2021 (Urt. v. 05.03.2021, Az. 4 K 112/1) zugunsten des Unternehmens und verpflichtete mit seinem Urteil den Zoll zur Rückzahlung der Antidumpingzölle.

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Antidumpingzoll auf Eisen- und Stahlrohre aus China

Dem Urteil des FG Hamburg waren mehrere unterschiedliche Gerichtsverfahren vorausgegangen:

Zunächst wandte sich 2014 ein chinesischer Ausführer, die Hubei Xinyegang Steel Co. Ltd., gegen die europäische Antidumpingverordnung, die Antidumpingzölle auf bestimmte nahtlose Rohre aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China in Höhe von bis zu 39,2 % festsetzte – und das mit Erfolg.

Das EuG erklärte die Antidumpingverordnung für nichtig, allerdings nur mit Wirkung inter partes!

Das bedeutet, nur die Hubei Xinyegang Steel Co. Ltd kann sich auf die Ungültigkeit der Verordnung berufen und ist von der Zahlung befreit. Für alle anderen Unternehmen war die Verordnung zu diesem Zeitpunkt weiterhin verbindlich!

2014 meldete dann ein anderes Unternehmen Rohre aus Stahl (Zolltarifnummer 73045993200) mit Ursprung in China zur Überlassung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an und erhielt einen Antidumpingzollbescheid.

Im Jahr 2017 beantragte das Unternehmen die Erstattung der Antidumpingzölle, auch noch im Rahmen der 3-jährigen Erstattungsfrist.

Zur Begründung führte das Unternehmen an, dass die Verordnung aus allgemeinen Gründen fehlerhaft und daher auch mit Wirkung erga omnes, also für sämtliche Zollschuldner unwirksam sei.

Diese Wirkung muss aber gerichtlich auf EU-Ebene erst einmal verbindlich festgestellt werden, daher lehnte das Hauptzollamt den Antrag zurecht ab.

Daher wandte sich die Klägerin an das Finanzgericht Hamburg, das die Verordnung wiederum dem EuGH zur verbindlichen Entscheidung vorlegte. Denn nur der EuGH kann abschließend EU-Rechtsakte wie die Antidumpingverordnung für unanwendbar erklären.

Antidumpingverordnung (EG) Nr. 926/2009 ist ungültig

Der EuGH erklärte dann Anfang 2021 die zugrunde liegende Antidumpingverordnung (EG) Nr. 926/2009 über die Einführung eines Antidumpingzolls auf bestimmte nahtlose Rohre aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China für ungültig.

Denn Antidumpingzölle dürfen nur unter den folgenden strengen Voraussetzungen durch die EU-Kommission festgesetzt werden:

  1. Vorliegen von Dumping
  2. Erhebliche Schädigung des EU-Wirtschaftszweigs oder Drohung einer solchen Schädigung

Außerdem darf die Feststellung nicht nur auf bloßen Behauptungen und Vermutungen beruhen. Vielmehr muss die Annahme von Dumping und der Schädigung mit Faktoren wie

  • der erheblichen Steigerung der gedumpten Einfuhren,
  • freien Kapazitäten der Ausführer
  • Preissenkung in der EU aufgrund der erhöhten Einfuhren und
  • Lagerbeständen belegt werden.

Im vorliegenden Fall jedenfalls konnte die EU-Verordnung diesen strengen Voraussetzungen nicht standhalten.

Der Umstand, dass sich der betroffene EU-Wirtschaftszweig nicht vollständig von den Auswirkungen des Dumpings erholt habe, konnte nicht anhand der zulässigen Faktoren ausreichend belegt werden. Und das sprach nach der Auffassung des EuGH vielmehr dafür, dass sich die Situation des  Wirtschaftszweigs sich positiv entwickelt habe.

Mit dem Urteil des EuGH fiel die Rechtsgrundlage für die Erhebung von Antidumpingzölle rückwirkend weg. In solchen Fällen können und sollten Unternehmen, die bereits erhobene Antidumpingzölle bezahlt haben, die Erstattung und Rückzahlung von Antidumpingzöllen verlangen.

Also bleibt dem Hauptzollamt eigentlich keine andere Wahl, als dem Erstattungsantrag stattzugeben, oder?

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Zoll verweigert Erstattung

Das Hauptzollamt aber verweigerte die Zahlung in diesem Fall trotz der verbindlichen Klärung durch den EuGH. Und das mit einem Argument, das sich nunmehr ausschließlich auf ein prognostiziertes Handeln der EU stützte:

Die EU könnte den vom EuGH gerügten Fehler womöglich heilen und damit durch den Erlass einer gültigen Antidumpingverordnung die Rechtsgrundlage für die Erhebung der Antidumpingzölle wiederherstellen. Daher stünde dem Zoll ein Zurückbehaltungsrecht zu, so das zuständige Hauptzollamt.

Dahinter steht die rechtliche Erwägung, dass es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, Abgaben erstattet zu verlangen, die sofort wieder zurückgezahlt werden müssten. Ein solches Verhalten des steuerpflichtigen Unternehmens ist treuwidrig.

Die Idee ist zwar nicht völlig neu und stammt aus einem ähnlich gelagertem Fall, bei dem es um Antidumpingzölle auf bestimmte Verbindungselemente aus China ging. In diesem Verfahren „Eurobolt“ erklärte der EuGH die Antidumpingverordnung ebenfalls für ungültig.

Jedoch heilte die EU-Kommission die gerügten Fehler daraufhin und veranlasste, dass die erstatteten Antidumpingzölle wieder vom Zoll eingezogen wurden. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass es sich um „bloße“ Formfehler handelte.

Zoll hat kein Zurückbehaltungsrecht

Die Hamburger Finanzrichter lehnten ein Zurückbehaltungsrecht des Zolls im Fall der Antidumpingzölle auf Stahlrohre mit Ursprung in China ab.

Der Zoll sei als mitgliedsstaatliches Organ der Union dazu verpflichtet, finanzielle Konsequenzen, die sich aus unwirksamen Handeln der EU ergeben, zu beseitigen. Und dazu gehöre insbesondere die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Antidumpingzöllen.

Außerdem könne der Zoll die Erstattung nicht aus dem Grund verweigern, dass die EU in der nahen Zukunft eine gültige, inhaltsgleiche Antidumpingverordnung erlassen werde und das Unternehmen zu einem späteren, nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt ohnehin Antidumpingzölle bezahlen müsse, so das Finanzgericht Hamburg.

Prognose des Zolls begründet kein wirksames Steuerrechtsverhältnis!

Wird eine fehlerhafte Antidumpingverordnung vom EuGH erga omnes für nichtig erklärt, existiert keine Rechtsgrundlage für den Zoll, um für die betroffene Ware Antidumpingzölle zu erheben. Die Prognose, dass die EU-Kommission ihre Fehler behebt und eine wirksame inhaltsgleiche Antidumpingverordnung erlässt, begründet keinen wirksamen Gegenanspruch und daher auch kein Zurückbehaltungsrecht des Zolls.

Denn für ein solches Zurückbehaltungsrecht zugunsten der Zollverwaltung braucht es ein wirksames Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Unternehmen als Zollschuldner und dem Fiskus.

Genau so ein Steuerrechtsverhältnis entsteht aber erst dann, wenn es eine gültige und wirksame Antidumpingverordnung, also einen wirksamen Gegenanspruch der Union gibt. An einem solchen fehlt es hier aber zum Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld.

Das Argument des Zolls, dass die EU-Kommission womöglich eine vergleichbare Vorschrift erlassen wird, ist eine bloße Prognose und vermag kein vergleichbares Steuerrechtsverhältnis begründen.

Das ist auch nachvollziehbar. Denn ansonsten könnte der Zoll die Erstattung regelmäßig verweigern! Und zwar mit dem Einwand, dass die EU-Kommission ihre fehlenden Belege in einer Antidumpingverordnung noch „nachliefern“ könnte (beispielsweise durch neue Datenerhebungen) und durch Neuerlass der Verordnung ihre Fehler nachträglich behebt.

Im Ergebnis stand dem Zoll daher kein Zurückbehaltungsrecht zu und musste dem Urteil des EuGH Folge leisten.

Antidumpingverordnung (EU) 2015/2272 aufgehoben

Am 25. Juni 2021 hob die EU-Kommission im Übrigen auch die Antidumpingverordnung (EU) 2015/2272 auf, mit der die ursprünglichen Maßnahmen aus dem Jahr 2009 für weitere 5 Jahre verlängert wurden.

Die EU hatte 2015 endgültige Antidumpingzölle auf die Einfuhren bestimmter nahtloser Rohre aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China erhoben.

Der Grund für die Aufhebung: Die verlängerten Antidumpingmaßnahmen beruhen naturgemäß auf den ursprünglichen und jetzt ungültigen Antidumpingmaßnahmen aus 2009.

Und nach der Rechtsprechung des EuGH ist „die Verlängerungsverordnung im gleichen Umfang ungültig ist wie die endgültige Verordnung„.

Ursprüngliche Antidumpingverordnung nichtig = Verlängerungsverordnung nichtig!

Wird eine Antidumpingverordnung wie die (EG) Nr. 926/2009 für ungültig erklärt, ist auch die darauf beruhende Verlängerungsverordnung nichtig. Denn die Folgeverordnung beruht ja auf denselben Rechtsfehlern wie die Ursprüngliche.

Die Kommission hob daher die endgültigen Antidumpingzölle mit ex-tunc Wirkung auf und ordnete ferner an, dass alle endgültigen Antidumpingzölle, die aufgrund der betroffenen Antidumpingverordnung (EU) 2015/2272 von Unternehmen entrichtet wurden, erstattet oder erlassen werden.

Auch hier gilt es für Unternehmen die 3-jährige Erstattungsfrist zu beachten. Diese läuft grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der Mitteilung der Zollschuld an.

Beachte: Eine Fristverlängerung scheidet aus, sofern sich das Unternehmen auf die Tatsache berufen will, dass die die Verordnung (EG) Nr. 926/2009 für ungültig erklärt wurde (auch erga omnes). Diese Tatsache stellt weder ein unvorhersehbares Ereignis noch höhere Gewalt dar. Und genau das ist aber Voraussetzung für eine Fristverlängerung.

Unternehmen: Hilfe beim Erstattungsantrag

Zwar bejahte das Hamburger Finanzgericht im vorliegenden Fall die Erstattungspflicht des Zolls. Das kann in ähnlichen Fällen aber auch ganz anders ausgehen. Das zeigt der Fall Eurobolt, bei dem es um formelle Verfahrensfehler bei Erlass einer Antidumpingverordnung geht.

Insofern lohnt es sich, den Einzelfall von einem erfahrenen Anwalt aus dem Zoll- und Antidumpingrecht bewerten zu lassen.

Die Anwälte für Zollrecht bei O&W haben hier jahrelange Erfahrung. Sie können beurteilen, wann ein Erstattungsantrag Aussicht auf Erfolg hat und wann sich sogar eine Klage gegen eine Antidumpingverordnung lohnen kann.

Außerdem wird der Zoll nach unserer Erfahrung bei zu Unrecht erhobenen Antidumpingzöllen regelmäßig nicht von sich aus tätig. Daher sollten Unternehmen selbst rechtzeitig aktiv werden und einen Antrag auf Erstattung der Antidumpingzölle stellen. Denn für Erstattungsanträge nach Art. 236 ZK läuft eine 3-jährige Antragsfrist.

Weil bei der Antragstellung im Vorfeld jedoch einiges schiefgehen kann, empfehlen wir hier die Beratung durch einen Anwalt aus dem Zollrecht. Wir helfen Ihnen daher gerne mit der Antragstellung und bereiten die notwendigen Anträge für Sie vor.

Unsere Anwälte prüfen Ihren Erstattungsantrag und verhelfen Ihnen zur Rückzahlung!

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Dieser Artikel wurde am 13. August 2021 erstellt. Er wurde am 27. August 2021 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

Ihr Ansprechpartner

  • Anton Schmoll

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.