Mit Beschluss vom 22.02.2018 (AZ 4 K 119/15) hat das FG Hamburg dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gleich mehrere für Importeure von Photovoltaik- Modulen aus China wichtige Fragen zur Vorabentscheidung gestellt. Der EuGH wird sich unter Anderem damit befassen, ob eine Antidumpingbefreiung im Rahmen des Undertaking-Systems auch bei einer Zollschuldentstehung wegen Unregelmäßigkeiten Anwendung findet. Ferner fragt das Finanzgericht, ob die Verpflichtungsrechnung auch bei einer Zollschuldentstehung wegen Unregelmäßigkeiten im Zeitpunkt der Einfuhr vorliegen muss oder auch nachgereicht werden kann. Schließlich möchte das FG Hamburg wissen, ob formale Fehler in der nachträglich vorgelegten Verpflichtungsrechnung eine Antidumpingbefreiung ausschließen. Die Entscheidung des EuGH könnte weitreichende Folgen für Importeure von Solarmodulen aus China haben. Unternehmer, die die Zollbefreiung im Rahmen des Undertaking-Systems in Anspruch nehmen, sollten daher entsprechende Maßnahmen zur Sicherung einer möglichen Erstattung von Zöllen bis zur Entscheidung des EuGH treffen.

Antidumpingzölle wegen Überschreitens der Verwahrfrist

Im zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin zum Mindestimportpreis eingeführte Solarmodule in vorübergehender Verwahrung gehabt. Aufgrund eines Arbeitsfehlers wurde jedoch die Verwahrfrist überschritten, sodass das Hauptzollamt Antidumpingzölle in voller Höhe wegen Pflichtverletzung festsetzte. Die Klägerin reichte eine Verpflichtungsrechnung und eine Ausfuhrverpflichtungsbescheinigung ein und berief sich darauf, dass die Antidumpingbefreiung trotz Pflichtverletzung gemäß Art. 212a Zollkodex (ZK) gewährt werden müsse. Die Verpflichtungsrechnung bezog sich dabei irrtümlicherweise auf den Beschluss 2013/423/EU und nicht auf den eigentlich zu zitierenden Durchführungsbeschluss 2013/707/EU. Außerdem fehlten die vorgeschriebenen Worte „and accepted by the“. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin eine verbesserte Verpflichtungsrechnung nach.

Finanzgericht für Antidumpingbefreiung trotz Pflichtverletzung

Zunächst fragt das FG Hamburg den EuGH, ob die Antidumpingbefreiung im Rahmen des Undertaking-Systems eine „Zollbefreiung“ im Sinne des Art. 212a ZK mit der Folge darstellt, dass die Befreiung auch bei einer Zollschuldentstehung wegen Unregelmäßigkeiten gewährt werden kann. Das Finanzgericht selbst hält die Heilung des Verstoßes auch hier grundsätzlich für möglich.

Ferner hält es das Finanzgericht nicht für erforderlich, dass die Verpflichtungsrechnung bereits im Zeitpunkt der Einfuhr vorgelegt wird, wie dies die Antidumpingmaßnahmen für Solarmodule grundsätzlich vorsehen. Denn nach Ansicht des Finanzgerichts kann von einem Verwahrer nicht erwartet werden, vorsorglich für sämtliche eingelagerte antidumpingpflichtige Waren die erforderlichen Verpflichtungsrechnungen für den Fall eines Verstoßes vorzuhalten. Damit sei der Streitfall von dem Normalfall der Anmeldung zum freien Verkehr zu unterscheiden, von dem die Antidumpingmaßnahmen ausgehen. Denn im Normallfall einer Anmeldung zum freien Verkehr könne von einem Wirtschaftsbeteiligten verlangt werden, auch zu diesem Zeitpunkt alle hierfür notwendigen Unterlagen vorzulegen.

Dabei äußert sich das Finanzgericht nicht zu einem möglichen Wertungswiderspruch, dass derjenige, der einen Pflichtverstoß begeht, Unterlagen nachreichen kann, was demjenigen verwehrt wird, der rechtzeitig eine Anmeldung zum freien Verkehr abgibt.

Nicht jeder Formfehler der Verpflichtungsrechnung ist schädlich

Als besonders wichtige Erkenntnis dürften Wirtschaftsbeteiligte aus dem Vorlagebeschluss ziehen, dass nicht jede formelle Unstimmigkeit der Verpflichtungsrechnung zur Versagung der Antidumpingbefreiung führt. So war sogar das beklagte Hauptzollamt der Ansicht, dass das Fehlen der Worte „and accepted by the“ nicht zur Ablehnung der Verpflichtungsrechnung führen konnte.

Entgegen dem Hauptzollamt hält das Finanzgericht Hamburg es auch nicht für schädlich, dass sich die Verpflichtungsrechnung irrtümlicherweise auf den Beschluss 2013/423/EU und nicht auf den eigentlich richtigen Durchführungsbeschluss 2013/707/EU bezog. Denn für einen objektiven Empfänger, so das Gericht, können kaum Zweifel aufkommen, dass es sich hierbei um eine irrtümliche Falschbezeichnung handelt, die das Ziel dieser Förmlichkeit (transparente Kontrolle des Mindesteinfuhrpreises) nicht gefährdet. Selbst wenn diese fehlerhafte Verpflichtungsrechnung unzureichend sein sollte, so hält das FG Hamburg es im vorliegenden Fall für zulässig, dass die Klägerin eine berichtigte Verpflichtungsrechnung im Rahmen des Einspruchsverfahrens nachgereicht hat.

Die Entscheidung des EuGH bleibt mit Spannung abzuwarten. Derzeit sollten Unternehmer dafür sorgen, dass eine mögliche Erstattung von Antidumpingzöllen auf Solarmodule nicht verjährt. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen die Antidumpingzölle wegen Unregelmäßigkeiten entstanden sind oder in denen fehlerhafte Verpflichtungsrechnungen vorgelegt worden sind.

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Dieser Artikel wurde am 2. Mai 2018 erstellt. Er wurde am 05. August 2018 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.