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- Inhaltsverzeichnis
- Was ist Mehrwertverzollung? Rechtliche Grundlagen im Unionszollkodex (UZK)
- Schritt-für-Schritt: Das Verfahren der passiven Veredelung korrekt durchführen
- Rechnet sich das? Die Zollersparnis mit einem Praxisbeispiel berechnen
- Häufig gestellte Fragen zur Mehrwertverzollung
- Fazit: Mehrwertverzollung als strategisches Instrument für den Mittelstand
Verfasst von Dr. Tristan Wegner, Partner und Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht bei O&W Rechtsanwaltsgesellschaft, mit über 13 Jahren Erfahrung in der Beratung von mittelständischen Unternehmen im internationalen Handel.
Für international agierende mittelständische Unternehmen können sich die Zollkosten bei der Wiedereinfuhr bearbeiteter Waren schnell summieren. Die Mehrwertverzollung bietet hier eine oft übersehene, aber hochwirksame Sparmöglichkeit. Dieser Artikel dient als praxiserprobter Leitfaden, der Ihnen zeigt, wie Sie die Mehrwertverzollung im Rahmen der passiven Veredelung strategisch nutzen können. Als spezialisierte Anwälte beleuchten wir nicht nur die Chancen, sondern auch die rechtlichen Fallstricke und zeigen, wie Sie diese vermeiden.
Was ist Mehrwertverzollung? Rechtliche Grundlagen im Unionszollkodex (UZK)
Die Mehrwertverzollung ist ein Zollverfahren, bei dem die Einfuhrabgaben für ausgebesserte oder bearbeitete Waren, die in die EU wiedereingeführt werden, nur auf Basis der im Ausland entstandenen Veredelungskosten berechnet werden. Dieses Verfahren ist ein zentraler Bestandteil der passiven Veredelung und dient dazu, eine Doppelverzollung von EU-Waren zu verhindern.
Definition nach Art. 86 Abs. 5 UZK und Abgrenzung zur Differenzverzollung
Die rechtliche Grundlage für die Mehrwertverzollung findet sich im Unionszollkodex (Art. 86 Abs. 5 UZK). Nach dieser Vorschrift wird die Zollschuld ausschließlich auf Basis der Kosten für den Veredelungsvorgang berechnet, der außerhalb des Zollgebiets der Union stattgefunden hat. Dies umfasst typischerweise Lohn- und Materialkosten.
Hiervon klar abzugrenzen ist die Differenzverzollung. Bei dieser Methode wird der Zoll auf die Differenz zwischen dem Wert der wiedereingeführten Veredelungserzeugnisse und dem statistischen Wert der ursprünglich aus der EU ausgeführten Waren berechnet. Die Mehrwertverzollung ist oft transparenter und vorteilhafter, da sie auf den konkret nachweisbaren Kosten basiert.
Für wen und wann ist das Verfahren relevant?
Das Verfahren der passiven Veredelung ist besonders relevant für deutsche mittelständische Unternehmen, die Waren zur Bearbeitung, Reparatur oder Montage in ein Drittland (z.B. Türkei, China, UK) versenden und anschließend wieder in die EU importieren.
Typische Anwendungsfälle sind:
- Textilveredelung (z.B. Färben, Bedrucken von Stoffen)
- Montage von Bauteilen zu einem Endprodukt
- Reparatur von Maschinen und Anlagen
Gerade für Einkäufer und Zollverantwortliche ist es entscheidend, die Kriterien zu kennen, um die Vorteile der passiven Veredelung für Einkäufer zu realisieren und die Mehrwertverzollung für mittelständische Unternehmen strategisch zu nutzen.
Schritt-für-Schritt: Das Verfahren der passiven Veredelung korrekt durchführen
Ein reibungsloser Ablauf ist entscheidend, um die Zollvorteile zu sichern. Der Prozess lässt sich in zwei kritische Phasen unterteilen: die Antragstellung und die Nämlichkeitssicherung.
Die Bewilligung beantragen: Formale und materielle Voraussetzungen
Bevor Sie Waren zur passiven Veredelung ausführen können, ist zwingend eine Bewilligung durch das zuständige Hauptzollamt erforderlich. Fehler im Antrag können zu Ablehnungen und teuren Verzögerungen führen. Eine anwaltliche Prüfung des Antrags auf passive Veredelung gibt hier die nötige Sicherheit.
Die wichtigsten Voraussetzungen als Checkliste:
- Ansässigkeit in der EU: Ihr Unternehmen muss im Zollgebiet der Union ansässig sein.
- Absicht der Wiedereinfuhr: Sie müssen beabsichtigen, die Veredelungserzeugnisse wieder in das Zollgebiet der Union einzuführen.
- Sicherung der Nämlichkeit: Sie müssen nachweisen können, dass die wiedereingeführten Erzeugnisse aus den ursprünglich ausgeführten Waren hergestellt wurden.
Knackpunkt Nämlichkeitssicherung: Identität der Waren nachweisen
Die Sicherung der Nämlichkeit ist der kritischste Punkt im gesamten Verfahren. Der Zoll muss zweifelsfrei erkennen können, dass die aus- und wiedereingeführten Waren identisch sind, um Missbrauch zu verhindern.
Bei mangelnder Nämlichkeitssicherung droht die komplette Streichung der Zollvergünstigung, was zu erheblichen Nachforderungen führt.
Praktische Methoden zur Sicherung der Nämlichkeit sind:
- Seriennummern oder andere eindeutige Kennzeichnungen
- Entnahme von Mustern, Proben oder Abbildungen bei der Ausfuhr
- Detaillierte Warenbeschreibungen und technische Dokumentationen
- Fotos der auszuführenden Waren
Rechnet sich das? Die Zollersparnis mit einem Praxisbeispiel berechnen
Der größte Vorteil der Mehrwertverzollung liegt in der konkreten Kostenersparnis. Der folgende Vergleich zeigt, wie Sie mit dem korrekten Verfahren eine Doppelverzollung vermeiden.
Detailliertes Berechnungsbeispiel: So vermeiden Sie die Doppelverzollung
Szenario: Ein deutsches Maschinenbauunternehmen sendet Bauteile im Wert von 10.000 € zur Montage in die Türkei. Die dort anfallenden Veredelungskosten (Lohn und zusätzliches Material) betragen 3.000 €. Der Zollsatz für die fertige Baugruppe liegt bei 4 %.
| Berechnungsmethode | Berechnungsgrundlage | Zollabgabe |
|---|---|---|
| Ohne passive Veredelung | Voller Warenwert bei Wiedereinfuhr (10.000 € + 3.000 € = 13.000 €) | 13.000 € * 4 % = 520 € |
| Mit Mehrwertverzollung | Nur die Veredelungskosten im Drittland (3.000 €) | 3.000 € * 4 % = 120 € |
| Ersparnis | 400 € |
Dieses Beispiel zeigt klar: Die Mehrwertverzollung verhindert, dass der Wert der ursprünglich deutschen Waren erneut dem Zoll unterworfen wird.
Anwaltliche Prüfung: Absicherung der Kalkulation und Veredelungskosten
Die korrekte Ermittlung und der Nachweis der „Veredelungskosten“ sind entscheidend. Die Zollbehörden prüfen diese Angaben sehr genau. Eine unklare Kostenzuordnung bei der Veredelung oder eine nicht nachvollziehbare Kalkulation kann zu Betriebsprüfungen und empfindlichen Nachforderungen führen. Als Anwälte für Zollrecht unterstützten wir als O&W Rechtsanwaltsgesellschaft Mandanten dabei, die Veredelungskosten rechtssicher zu dokumentieren und die Kalkulation gegenüber dem Zoll zu verteidigen.
Häufig gestellte Fragen zur Mehrwertverzollung
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Was ist der Unterschied zwischen Mehrwertverzollung und Differenzverzollung?
Die Mehrwertverzollung basiert auf den exakten Veredelungskosten im Ausland (Art. 86 Abs. 5 UZK), während die Differenzverzollung den Zoll auf die Differenz zwischen dem Wert der Veredelungserzeugnisse und dem Wert der aus der EU ausgeführten Waren berechnet.
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Wie berechnet man die Mehrwertverzollung?
Man berechnet sie, indem man den anfallenden Zollsatz ausschließlich auf die nachgewiesenen Kosten der im Drittland durchgeführten Veredelungsarbeiten (z.B. Lohn- und Materialkosten) anwendet, wie in unserem Praxisbeispiel oben detailliert gezeigt wird.
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Wann lohnt sich passive Veredelung?
Die passive Veredelung lohnt sich vor allem dann, wenn die Veredelungskosten im Drittland deutlich niedriger sind als der Wert der ursprünglich ausgeführten Waren und wenn der anfallende Einfuhrzollsatz signifikant ist, sodass eine spürbare Ersparnis entsteht.
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Was sind die häufigsten Fehler, die es zu vermeiden gilt?
Die häufigsten Fehler sind eine unzureichende Nämlichkeitssicherung, eine fehlerhafte oder nicht nachweisbare Kalkulation der Veredelungskosten, Formfehler im Antrag auf Bewilligung und die Nichteinhaltung von Fristen, was zum Verlust der Zollvergünstigung führen kann.
Fazit: Mehrwertverzollung als strategisches Instrument für den Mittelstand
Die Mehrwertverzollung ist kein bürokratisches Hindernis, sondern ein wirksames strategisches Werkzeug zur Reduzierung von Einfuhrabgaben und zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer sorgfältigen Vorbereitung, einer lückenlosen Dokumentation und einem tiefen Verständnis der rechtlichen Anforderungen des UZK.
Um sicherzustellen, dass Sie alle Vorteile der Mehrwertverzollung nutzen und Haftungsrisiken proaktiv vermeiden, ist eine anwaltliche Prüfung Ihres individuellen Falles unerlässlich.
Dieser Artikel wurde am 14. November 2025 erstellt.
Ihr Ansprechpartner
Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.