Umgehung von Antidumpingzöllen durch ausländische Montage

Bereits seit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 des Rates aus dem Jahr 1993 erhebt die EU Antidumpingzölle auf die Einfuhr von Fahrrädern mit dem Ursprungsland China, um den europäischen Wettbewerb zu stärken.

Aber nicht nur fertiggestellte Fahrräder, auch die Einfuhr von bestimmten wesentlichen Fahrradteilen aus China wird mit Antidumpingzöllen erschwert.

Antidumping bei Montage außerhalb von China

In der Praxis ist es aber kein seltener Vorgang, dass die Produktion und Montage von Waren in verschiedene Länder im asiatischen Raum ausgelagert werden, bevor sie dann in die Union eingeführt werden. Die Gefahr bei solchen komplexen länderübergreifenden Produktionsketten ist, dass Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer sich leicht einer Antidumpingmaßnahme entziehen können.

So hatten in der Vergangenheit Unternehmen bereits vermehrt durch den Versand von chinesischen Fahrrädern über Kambodscha, Pakistan und die Philippinen Antidumpingzölle umgangen.

Drittländer von Antidumpingmaßnahmen erfasst

Deswegen weitete die EU die Antidumpingmaßnahmen auf  weitere asiatische Länder im Jahr 2013 aus, um die effektive Durchsetzung von Antidumpingmaßnahmen weiterhin zu gewährleisten:

Antidumpingzölle erfassten seitdem u.a. auch aus Sri Lanka verschiffte Einfuhren von Fahrrädern – unabhängig davon, ob Sri Lanka als Ursprungsland des Erzeugnisses angemeldet war oder nicht.

Rechtsgrundlage für diese Ausweitung ist der Artikel 13 der Antidumpinggrundverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates).

Demnach kann die EU bei der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen Antidumpingzölle auf die Einfuhren gleichartiger Ware oder Teile dieser Ware aus Drittländern ausweiten.

Im Falle eines Montagevorgangs an der entsprechenden Ware, der in ein Land außerhalb von China ausgelagert wurde, kann unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls eine Umgehung von Antidumpingmaßnahmen angenommen werden.

So legt der Artikel 13 Abs. 2 a der Grundverordnung für die Montage fest, dass diese seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung begonnen haben muss oder erheblich ausgeweitet worden sein muss.

Des Weiteren müssen die für die Montage verwendeten Teile ihren Ursprung in dem Land haben, für das die Antidumpingmaßnahmen erlassen wurden, hier also China.

Zudem muss der Wert der montierten Teile 60 Prozent oder mehr des Gesamtwertes der montierten Ware ausmachen.

Uneinigkeit bestand aber bei dem Begriff des Ursprungs

Streitig war, ob der Begriff „Ursprung“ sehr eng verstanden werden und damit dem zollrechtlichen Begriff des „Ursprungs“ gleichgesetzt werden sollte.

Die EU war der Auffassung, dass eine sehr weite Auslegung des Begriffs vorgenommen werden sollte. Dann wäre die Folge, dass auch ein reines „Durchschleusen“ der betreffenden Ware durch andere Länder für einen Ursprung in dem von dem Antidumpingzoll belasteten Land ausreicht und damit in vielen Fällen Umgehungszölle verhängt werden können.

EuGH klärt Ursprungsbegriff – Ursprung ist weit zu verstehen

Der EuGH hat jetzt mit seinem Urteil aus 2019 Klarheit geschaffen und die Voraussetzungen konkretisiert, unter denen eine Montage in einem Drittland auch eine Umgehung von Antidumpingmaßnahmen bedeuten kann.

Ferner hat das Gericht festgehalten, dass die Europäische Union nicht die Beweislast für den wahren Ursprung der montierten Teile trägt – das erhöht die Gefahr bei montierten Teilen aus Drittländern, einer Umgehung von Antidumpingzöllen beschuldigt zu werden.

Fahrradteile aus China in Pakistan montiert

In dem konkreten Fall ging es um die Einfuhr von Fahrrädern mit dem Ursprungsland China, auf die die Kommission seit Anfang der 90er Jahre Antidumpingzölle erhoben hatte. Im Rahmen der Produktion der Fahrräder wurden Fahrradteile zur Bearbeitung nach Sri Lanka und anschließend zur Montage weiter nach Pakistan versandt.

Hinsichtlich des Ursprungbegriffs in Art. 13 Abs. 2 a der Antidumping-Grundverordnung war in der Rechtsprechung des EuGH noch ungeklärt, ob bei der Einfuhr von Teilen auf das von der Antidumpingmaßnahme direkt betroffenem Land – in diesem Fall China – oder aber auch auf den Ursprung der montierten Teile abzustellen ist.

Der Gerichtshof fasst den Begriff des „Ursprungs“ nun sehr weit: Nicht nur die direkte Einfuhr aus einem mit Antidumpingmaßnahmen belasteten Land wird erfasst, sondern eben auch zwischengeschaltete Drittländer, in denen dann beispielsweise Fahrradteile montiert werden.

Die Konsequenzen machen einen entscheidenden Unterschied bei der Bewertung von der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen:

Stammt ein wesentlicher Anteil der montierten Teile, konkret gesagt 60 % des Gesamtwerts der Ware oder mehr, aus einem dazwischen geschalteten Drittland wie zum Beispiel Sri Lanka und Pakistan bzw. wurde dort auch nur geringfügig bearbeitet, dann wird die Ware so behandelt, als käme sie aus dem Land, das die Antidumpingmaßnahmen direkt betrifft, hier also China.

Fazit ist also, dass durch die sehr weite Auslegung des „Ursprungs“ auch ein reines Durchschleusen durch Länder wie Sri Lanka ausreicht, um weiterhin als chinesische Ware angesehen zu werden.

Geringe Beweispflicht der EU – Gefahr für Unternehmen

Was die Beweispflicht der EU betrifft, so trägt sie zwar die Beweispflicht für eine Umgehung von Antidumpingmaßnahmen in einem anderen als dem von Antidumpingmaßnahmen betroffenen Land, also außerhalb Chinas.

Jedoch übersteigt es nach Auffassung des EuGH die Prüfpflichten der EU, den zollrechtlichen Ursprung der Teile nachzuweisen.

Das bedeutet, die Europäische Kommission muss im Rahmen einer Umgehungsüberprüfung nur den Beweis führen, dass die montierten oder bearbeiteten Teile aus dem Land, für das die Maßnahmen gelten, in das jeweilige Montageland eingeführt wurden.

Wird dieser Nachweis erbracht, werden für die montierten Waren Antidumpingzölle fällig.

Gleichwohl ist für Unternehmen bei alledem zu beachten, dass sie die Möglichkeit haben, zu beweisen, dass die streitigen Teile ihren Ursprung in einem anderen Land haben, als in dem von Antidumpingmaßnahmen betroffenen Land.

Sollten hier entlastende Beweise vorgebracht werden können, kann ein Befreiungsantrag von Antidumpingmaßnahmen in Betracht kommen.

Wir überprüfen für Sie, ob Sie von Antidumpingmaßnahmen wegen Montage in Drittländern betroffen sind und wie Sie weiter verfahren können.

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Dieser Artikel wurde am 24. Januar 2020 erstellt. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Anton Schmoll

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.