Schon seit längerer Zeit beobachten wir, dass die Ermittlungsbehörden vermehrt Verfahren gegen Unternehmen einleiten, die im Verdacht stehen entgegen der sog. RusslandSanktionen Handel mit russischen Unternehmen oder russischen Gütern zu treiben. Hierzu hatten wir bereits ausführlich berichtet.

Nun haben die Strafverfolgungsbehörden erkennbar aber auch solche Unternehmen in den Fokus genommen, die gar nicht direkt mit russischen Unternehmen oder russischen Gütern Handel treiben, sondern etwa Waren an Unternehmen im geografischen Umfeld Russlands liefern, wie z.B. Türkei, Armenien oder Kasachstan. Vermutet wird hier eine Umgehung der Sanktionen.

Wegen der Umgehung der Russland Sanktionen wird gegen Sie ermittelt?

Unsere Anwälte bei O&W aus dem Außenwirtschaftsrecht beraten Sie und Ihr Unternehmen gerne zu allen Fragen und Problemen im Außenhandel und zu den Russland-Sanktionen und unterstützen Sie bei Straf- und Bußgeldverfahren! Sie erreichen unsere Anwälte telefonisch unter +49 40 369615-0.

Vorsicht bei Umgehungen der Sanktionen über Drittstaaten

Hintergrund dieser Ermittlungen ist der Verdacht, dass die RusslandSanktionen umgangen werden, indem an einen „Mittelsmann“ in einem Drittstaat, wie etwa der Türkei, geliefert wird, der die Waren dann an den russischen Endabnehmer weiterleitet.

Denn nicht nur der direkte Handel nach Russland oder mit russischen Waren und Unternehmern ist sanktioniert, sondern auch alle Handlungen, die die Umgehung der Russland-Sanktionen bezwecken.

So hatte zuletzt auch das Magazin Monitor berichtet, dass ein deutsches Unternehmen elektronische Bauteile zuerst an eine russische Firma verkaufte. Später lief während des Ukraine-Krieges der Verkauf über die Türkei weiter. Der Export von Halbleitern und elektronischen Schaltkreisen aus der Türkei nach Russland sei seit dem Beginn des Angriffskrieges ohnehin sprunghaft angestiegen, von 300.000 US-Dollar im Jahr 2021 auf mehr als 86 Millionen US-Dollar im Jahr 2022.

Der Zoll und auch die Staatsanwaltschaften vermuten hier Umgehungen von EU-Sanktionen.

Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen besonders achtsam sein, wenn sich die Geschäftsbeziehungen seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine etwa in Drittstaaten wie die Türkei, Armenien oder Kasachstan verlagert haben oder Sie nunmehr Geschäftsbeziehungen in diese Länder aufnehmen.

Außenwirtschaftsprüfung: Prüfung von Umgehungslieferungen

Etwaige Umgehungslieferungen werden mittlerweile regelmäßig im Rahmen von Außenwirtschaftsprüfungen durch den Zoll geprüft.

Die Außenwirtschaftsprüfer lassen sich von Unternehmen Nachweise dafür zeigen, dass die Sendungen tatsächlich nicht nach Russland exportiert worden sind. Das führt insbesondere dann zu Problemen, wenn deutsche Exporteure zu den Incoterms EXW oder FCA liefern. Dann übergeben sie die Sendung allenfalls an die abholende Spedition. Der Verbleib der Ware ist für den Exporteur dann nicht mehr nachvollziehbar.

Gleichwohl stellt sich derzeit in den Außenwirtschaftsprüfungen heraus, dass die Zollverwaltung gleichwohl Nachweise für eine ordnungsgemäße Verzollung im Empfängerland verlangt. Insbesondere dann, wenn sie den Verdacht hat, es liegen Umgehungslieferungen vor, wird sie diese Nachweise verlangen.

Unternehmen sollten hier vorsichtig sein, welche Informationen sie an die Zollverwaltung herausgeben. Noch steht im Rahmen von Außenwirtschaftsprüfungen eine Mitwirkungspflicht.

Das bedeutet aber nicht, dass Unternehmen dazu verpflichtet sind nicht vorhandene Informationen für die Zollverwaltung zu beschaffen.

Strafverfahren gegen deutsche Exporteure wegen Umgehung

Seit einigen Monaten lässt sich eine Zunahme möglicherweise strafbarer Umgehungsgestaltungen bei der Ausfuhr in Richtung Russland feststellen.

Während zunächst eine Umgehung über die ehemaligen GUS-Staaten vorherrschte, wie insbesondere Kasachstan, Georgien oder Usbekistan, so treten mittlerweile Umgehungslieferungen auf, die entweder über Unternehmen

  • in der Freihandelszone von Dubai
  • über die Türkei

gesendet werden.

In Art. 12 der Russland-Embargoverordnung ist ein Verbot festgehalten worden, sich wissentlich und vorsätzlich an Umgehungen zu beteiligen.

Dieses Umgehungsverbot bezieht sich insbesondere auf das Verbot Kaufverträge abzuschließen, einzuführen oder Waren zu verbringen.

Derzeit gibt es keine Strafvorschrift, mit der Verstöße gegen Artikel 12 der Russland-Embargoverordnung geahndet werden könnten. Eine entsprechende Vorschrift wurde vom Gesetzgeber im Jahr 2013 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgeschafft.

Allerdings wird derzeit auf der Ebene der Europäischen Union daran gearbeitet, Umgehungsausfuhren nach Russland in der Europäischen Union unter Strafe zu stellen.

Nichtsdestotrotz kann die Umgehung der Russland-Sanktionen auch ohne einen expliziten Straftatbestand strafbar sein. Denn das Russland-Embargo untersagt auch mittelbare Lieferungen nach Russland. Insofern kann schon unter den heutigen Strafvorschriften ein Verstoß vorliegen, wenn über eine Lieferung oder einen Verkauf nach Dubai oder in die Türkei beispielsweise eine mittelbare Lieferung nach Russland erfolgt.

Selbstverständlich sind diese Verstöße nur dann strafbar, wenn das Unternehmen zumindest auch Vorsatz hat. Allerdings gehen die Behörden hier oft schnell davon aus, dass Unternehmen, die in die Türkei oder nach Dubai liefern, zumindest die Lieferung nach Russland billigend in Kauf nehmen und damit vorsätzlich handeln.

In diesem Zusammenhang kommt es dabei natürlich stets auf jeden Einzelfall an.

Export-Compliance wird wichtiger

Unternehmen müssen dementsprechend jetzt besonders darauf achten, dass sie dokumentierte Prozesse haben, um Umgehungsgestaltungen erkennen zu können.

Insofern ist auch anzumerken, dass mitunter deutsche Exporteure gutgläubig von russischen Unternehmen benutzt werden, um Lieferungen nach Russland zu ermöglichen.

Hier kann es durchaus sein, dass russische Unternehmen an die persönliche Hilfsbereitschaft deutscher Exporteure appellieren oder auch ausführen, dass eigene Abnehmer abgesprungen sind, weswegen jetzt die Lieferung an ein drittes Unternehmen erfolgen müsse.

Exporteure sind daher sehr gut beraten, wenn sie ein System etablieren, sodass im Falle sogenannter „Red Flags“ Ausfuhren temporär gestoppt werden bzw. der Geschäftsleitung zur Entscheidung vorgelegt werden.

Zu diesen Warnzeichen können beispielsweise gehören:

  • Es erfolgen Anfragen von einem Unternehmen, das nach dem 24.02.2022 gegründet wurde und nicht in Island, Lichtenstein, Norwegen, Schweiz, Australien, Kanada, der EU, Japan, Südkorea, Taiwan, Neuseeland, USA oder Großbritannien ansässig ist.
  • Ein Unternehmen mit kritischen Produkten handelt und ein neuer Kunde ist, der nicht bereits vor dem 24.02.2022 Geschäfte getätigt hat.
  • Ein Bestandskunde, der erst nach dem 24.02.2022 kritische Produkte nachgefragt hat.
  • Der Kunde macht gegenüber Banken, Exporteuren oder sonstigen Dritten keine Angaben zu seinem Unternehmen und listet insbesondere nicht auf, was die beabsichtigte Endverwendung ist oder wer der Endabnehmer des Produktes ist.
  • Anfragen von Einheiten, die grundsätzlich nicht am Wirtschaftsverkehr teilnehmen und grundsätzlich keine Güter beziehen würden, wie beispielsweise Finanzinstitute oder Logistikunternehmen.
  • Die vom Kunden angebotenen Preise liegen deutlich über den Marktpreisen.
  • Der Kunde bzw. die Adresse des Kunden ähnelt einem Treffer auf der Sanktionsliste.

In verschiedenen Veröffentlichungen hat die Europäische Kommission zuletzt ausgeführt, dass sie eine gesteigerte Pflicht bei den europäischen Unternehmen sieht, die Exporte hinreichend zu kontrollieren.

In einer Mitteilung an Wirtschaftsakteure, Ein- und Ausführer vom 01.04.2022 hat die Europäische Kommission insbesondere ausgeführt, welche Sorgfaltspflichten sie verlangt, um eine Umgehung auszuschließen.

Insofern gehört hierzu insbesondere, dass Unternehmen vertragliche Bestimmungen in ihrer Einfuhr- und Ausfuhrverträge aufzunehmen hätten, mit denen sichergestellt wird, dass die Waren nicht unter die Russland-Embargoverordnung fallen.

Auch sollen Vertragsklauseln verwendet werden, mit dem der Einführer in einem Drittland, wie beispielsweise Dubai oder der Türkei, verpflichtet wird, die betreffenden Waren weder nach Russland noch nach Belarus auszuführen oder an einen dritten Geschäftspartner weiterzuverkaufen, der sich nicht dazu verpflichtet hat, die Waren nach Russland oder Belarus auszuführen.

Da die deutschen Behörden im Rahmen von Außenwirtschaftsprüfungen und Kontrollen bei der Ausfuhr derzeit massiv nach Verstößen gegen das Russland-Embargo fahnden, sollten Unternehmen hier entsprechende Prozesse etablieren und ihre Mitarbeiter sensibilisieren.

Stärke Verbote bei Umgehung stehen bevor

Nun steht nicht nur der direkte Verstoß gegen das Russland-Embargo im Fokus von Behörden und Politik, sondern es werden insbesondere Umgehungsgeschäfte in den Fokus genommen.

Bereits jetzt ist nicht nur der direkte Handel nach Russland oder mit russischen Waren und Unternehmern ist sanktioniert, sondern auch alle Handlungen, die die Umgehung der Russland-Sanktionen bezwecken.

Nach Berichten verschiedener Medien plant die Bundesregierung aber zusätzlich eine deutliche Verschärfung der bereits geltenden Sanktionen:

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärte bei einer Pressekonferenz: Die Umgehung der Sanktionen sei „kein Kavaliersdelikt“.

Erkenntnissen zufolge würden die von der EU beschlossenen Russland-Sanktionen zu erfolgreich umgangen werden. Die russische Wirtschaft zeige sich erstaunlich widerstandsfähig und insbesondere das russische Militär wisse sich erfolgreich durch Umgehungsgeschäfte weiterhin mit wichtigen Gütern und Technologien zu versorgen.

Gerade die Einhaltung von Exportverboten sog. Hightech-Güter sei elementar, da sich das russische Militär etwa mit Mikrochips aus Kühlschränken und Waschmaschinen versorge. Der Export dieser Güter werde weiter strengstens sanktioniert bleiben – die Einhaltung dieser Verbote müsse noch schärfer überprüft werden.

Ergänzend seien dazu folgende Erweiterungen der Sanktionen geplant:

  • Exporte in bestimmte Drittstaaten sollen künftig nur noch mit Endverbleibserklärungen möglich sein, Robert Habeck nannte diese bei einer Presse-Konferenz „Nicht-nach-Russland-weiter-transportier-Erklärungen“.
  • Soweit Unternehmen in Drittstaaten sanktionierte Waren nach Russland weitergeben, werden diese Unternehmen auf eine Sanktionsliste aufgenommen. Der Handel mit diesen Unternehmen soll dadurch strafbewährt verhindert werden.
  • Schließlich sollen Informationsoffenlegungspflichten etabliert werden: Jeder, der vermutet oder sogar weiß, dass Sanktionen umgangen werden, soll verpflichtet werden, dies an die Behörden weiterzuleiten.

Unternehmen sollten daher etwaige Verschärfungen der Sanktionen, die zu neuen Pflichten und Einschränkungen führen, genau beobachten. Angaben von Behörden und Politik ist zu entnehmen, dass zentrales Mittel für die Durchsetzung der Sanktionen die strafrechtliche Verfolgung bleiben soll.

Wenn Sie Fragen zu den Russland-Sanktionen und diesbezüglichen Strafen haben, dann sprechen Sie uns gerne an.

Dieser Artikel wurde am 24. Februar 2023 erstellt. Er wurde am 27. November 2023 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Annika Siggelkow

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  • Rechtsanwältin Annika Siggelkow ist seit 2023 Rechtsanwältin bei O&W Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Frau Rechtsanwältin Siggelkow berät unsere Mandanten speziell im Bereich Zollstrafrecht, Bußgeldverfahren, Compliance und allen Fragestellungen bezüglich Strafverfahren und Bußgeldverfahren beim Import und Export, speziell auch im Außenwirtschaftsrecht. Ihre Expertise hat sie durch vorherige Tätigkeiten in einer Kanzlei für Wirtschaftsstrafrecht. Sie engagiert sich neben Ihrer Tätigkeit ehrenamtlich in der Organisation für Opfer von Straftaten, WEISSER RING e.V.