Mit einer neuen Gesetzesinitiative, dem sogenannten „Anti-Coercion-Tool“ soll ein Mechanismus zur Stärkung der Autonomie der EU bei Handelskriegen geschaffen werden, mit dem die EU härter und effektiver auf handelspolitische Erpressungsversuche anderer Nicht-EU-Staaten reagieren kann – allerdings nicht proaktiv, sondern nur defensiv.

Unternehmen, vor allem auch solche in der deutschen Industrie könnten von dem Vorhaben, das noch Ende 2021 verabschiedet werden soll, profitieren.

Denn damit stellt sich die EU gezielter und breiter gegen Sanktionen und Boykottaktionen im EU-Ausland auf und stärkt damit Unternehmen und dem EU-Exporthandel den Rücken.

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Gesetzesinitiative beteiligt Unternehmen

Die EU hatte Ende März 2021 das neue Vorhaben um das „Anti-Coercion-Tool“ zur Stärkung der Autonomie der EU bei außenwirtschaftlichen Konflikten angekündigt und Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen dazu aufgefordert, sich an einer 12-wöchigen Konsultation zu beteiligen.

Die Konsultationsphase wurde Mitte Juni 2021 abgeschlossen. Als nächstes folgen weitere Beratungen zum Gesetzesentwurf.

Hintergrund: Wirtschaftliche Erpressung der EU

Das Maßnahmenpaket, das sich derzeit noch in der Entwicklungsphase befindet, aber aller Voraussicht nach noch Ende 2021 verabschiedet werden soll, soll Zwangsmaßnahmen anderer Länder mit abschreckenden, aber probaten Mitteln bekämpfen und unter der Einhaltung völkerrechtlicher Bestimmungen wirtschaftliche Schäden von der EU und EU-Unternehmen abwenden.

So kam es z.B. in der Vergangenheit vermehrt zu erpressungsähnlichen Praktiken von Seiten anderer Staaten, die darauf drängen, eine bestimmte politische Richtung in der EU zu erreichen, indem sie den Handel oder die Investitionen einschränken – oder zumindest damit drohen.

So hat China beispielsweise umfassende Boykott-Kampagnen gegen große EU-Unternehmen von staatlicher Seite aus initiiert und gesteuert. Vor allem große europäische Sport- und Modeketten waren davon betroffen.

China reagierte damit auf die Verhängung von Menschenrechtssanktionen der EU gegen Provinzfunktionäre.

Aber auch von Seiten der USA drohen im Zusammenhang mit dem Streit um die Ostseepipeline Nord Stream 2 Sanktionen für Unternehmen. Unter den Betroffenen ist auch ein deutscher Geschäftsführer. Derzeit haben die USA die Sanktionen zwar ausgesetzt – eine Wiederaufnahme ist aber jederzeit denkbar.

Derartige Boykott-Aktionen benachteiligen EU-Unternehmen in unzulässiger Art und Weise und untergraben die offene strategische Autonomie der EU, so die EU-Kommission.

Schlichtungsverfahren der Welthandelsorganisation (WTO) waren bislang nicht ausreichend geeignet, die gewünschten Ziele und Ergebnisse zu erreichen.

Andere adäquate Gegenmaßnahmen standen der EU bislang noch nicht zur Verfügung – das soll sich jetzt ändern.

Welche Maßnahmen beinhaltet das Anti-Coercion Tool?

Das neue Rechtsinstrument, das im Englischen als „Anti-Coercion Tool“ bezeichnet wird, würde der EU-Kommission neue Befugnisse verleihen, um Handels-, Investitions- oder andere Beschränkungen gegenüber jedem Nicht-EU-Land anzuwenden, das sich unzulässigerweise und rechtswidrig in die politischen Entscheidungen der EU oder der EU-Mitgliedstaaten einmischt.

Jedoch betonen Verantwortliche, dass die EU in jedem Fall eine Strategie der Risikominimierung verfolge und defensive Maßnahmen ergreife und sich nicht proaktiv an Wirtschaftskriegen beteilige.

Bei den Verantwortlichen handelt es sich u.a. um eine Task-Force, die die EU speziell für diese Gesetzesinitiative gegründet hat.

Sie besteht aus europäischen Wirtschaftsvertretern, Thinktank-Strategen, Parlamentariern und Spitzenbeamten aus den Ländern, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Spanien, Schweden und Tschechien besteht.

Die Leitung übernimmt der European Council on Foreign Relations (ECFR).

Ein aktueller Bericht der Task-Force schlägt zudem die Errichtung einer neuen EU-Behörde vor:

Das „EU Resilience Office“ solle mit der entsprechenden Expertise und diplomatischem Geschick dabei helfen, einen Überblick über die Erpressungsversuche anderer Länder zu bekommen und im Zweifel auch mögliche Gegenmaßnahmen vorzubereiten und zu koordinieren.

Anti-Coercion-Tool als ultima ratio

Der Exekutiv-Vizepräsident und Kommissar für Handel, Valdis Dombrovskis betonte in einer Stellungnahme zu dem geplanten Anti-Coercion-Tool, dass die EU seine handelspolitischen Interessen selbstbewusster verteidigen, die Widerstandsfähigkeit stärken und auch adäquate Gegenmaßnahmen im Kampf gegen wirtschaftliche Erpressung und Nötigung durch andere Länder ergreifen müsse und begrüßte das Konzept.

Experten warnen aber auch von einem Balanceakt:

Das Anti-Nötigungs-Instrument solle abschreckende Wirkung haben und im besten Fall gar nicht zur Anwendung kommen.

Anti-Coercion-Tool als ultima ratio!

Die EU bliebt bei außenwirtschaftlichen Konflikten weiter defensiv und wirkt deeskalierend. Das Anti-Nötigungs-Instrument soll vor allem abschreckende Wirkung entfalten und nur im Notfall als Gegenmaßnahme für wirtschaftliche Erpressungsversuche gegenüber der EU dienen.

Die Sanktionenabwehr sollte also die ultima-ratio bleiben, um außenwirtschaftsrechtliche Konflikte nicht eskalieren zu lassen, sondern deeskalierend auf die Beteiligten zu wirken.

Denn bereits die Drohung mit Gegensanktionen birgt Risiken und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich die Konfliktlage zwischen der EU und anderen Staaten nicht entspannt sondern eher verstärkt.

Dies würde sich dann erst recht negativ auf den Wirtschaftsverkehr und Außenhandel der Unternehmen, vor allem in der Export-Branche, auswirken.

Wichtig sei in dem Zusammenhang deshalb auch, dass es stets einen ausreichenden Verhandlungsspielraum und eine angemessene Beteiligung der Mitgliedstaaten bei den Entscheidungen gebe.

Nichtsdestotrotz werden Unternehmen von der neuen Handhabe der EU profitieren.

Es bleibt nur abzuwarten, in welcher Form die EU die Regelungen umsetzen wird und wie effektiv sie in der Praxis Wirkung zeigen.

Sie haben Fragen zum neuen Anti-Coercion-Tool? Wir behalten den Überblick über das neue Gesetzesvorhaben und informieren Sie gerne über Änderungen!

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Dieser Artikel wurde am 24. Juni 2021 erstellt. Er wurde am 30. Juni 2021 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.