Seit Oktober 2020 ist die Einfuhr bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils) mit Ursprung in Indonesien, China und Taiwan mit Antidumpingzöllen von bis zu 19 % belegt.
Im Juni 2022 wurde nach dem Antrag eines Europäischen Stahlherstellerverbandes eine Untersuchung über die mutmaßliche Umgehung der Antidumpingzölle durch das Ausstellen von türkischen Ursprungszeugnissen eingeleitet.
Die Untersuchung bestätigte den Verdacht. Betroffene Ware aus der Türkei wird nunmehr nicht weiter als Ware mit Ursprung in der Türkei anerkannt – selbst mir Ursprungszeugnis nicht. Antidumpingzölle von 17,3 % werden jetzt erhoben für sämtliche betroffene Ware, die aus der Türkei in die EU versendet wurde.
Unternehmen drohen hohe Nachzahlungen, und das sogar rückwirkend bis Juli 2022.
Antidumpingzölle auf Ware aus Indonesien, China und Taiwan
Im Oktober 2020 kam eine Untersuchung der Europäischen Kommission zu dem Ergebnis, dass bestimmte warmgewalzte Flacherzeugnisse, die ihren Ursprung in Indonesien, China und Taiwan haben, zu gedumpten Preisen in die Union eingeführt werden. In der Folge wurden Antidumpingzölle von bis zu 19 % festgelegt. Länder- und unternehmensspezifisch gelten teilweise geringere Antidumpingzölle.
Betroffen sind
flachgewalzte Erzeugnisse aus nicht rostendem Stahl, auch in Rollen (Coils) (auch nach Länge zugeschnittene Waren und Schmalband („narrow strip“)), nur warmgewalzt, ausgenommen Erzeugnisse nicht in Rollen (Coils) mit einer Breite von 600 mm oder mehr und einer Dicke von mehr als 10 mm,
die zum Zeitpunkt der Verordnung unter den HS-Codes 7219 11, 7219 12, 7219 13, 7219 14, 7219 22, 7219 23, 7219 24, 7220 11 und 7220 12 (TARIC-Codes 7219 11 00 10, 7219 12 10 10, 7219 12 90 10, 7219 13 10 10, 7219 13 90 10, 7219 14 10 10, 7219 14 90 10, 7219 22 10 10, 7219 22 90 10, 7219 23 00 10, 7219 24 00 10, 7220 11 00 10 und 7220 12 00 10) eingereiht werden.
Verwendung finden die Erzeugnisse in verschiedenen Bereichen des Bauwesens, beispielsweise im Schiffsbau, in der Automobilindustrie oder beim Herstellen von Eisenbahnschienen. Aufgrund der hohen Festigkeit, Zähigkeit und guten Schweißbarkeit können sie auch in vielen anderen Industriezweigen eingesetzt werden.
Umgehungsverdacht: Zollamtliche Erfassung für Importe aus der Türkei
Im Juli 2022 leitete die Europäische Kommission ein Verfahren zur Überprüfung der Verlängerung der Antidumpingmaßnahmen ein. Im Zuge der daraufhin erlassenen Verordnung wurde die zollamtliche Erfassung von Importen aus der Türkei ab dem 28.07.2022 angeordnet.
Betroffene Ware, die seitdem in die EU importiert und zollamtlich erfasst wurde, kann nunmehr mit dem im Nachhinein festgelegten Antidumpingzoll rückwirkend belegt werden.
Importeure, die seit dem 28.07.2022 warmgewalzte Flacherzeugnisse aus der Türkei eingeführt haben, sollten überprüfen, ob Sie in die Pflicht einer Nachzahlung genommen werden können.
Ausweitung der Antidumpingzölle auf warmgewalzte Flacherzeugnisse aus der Türkei
Mit der jüngsten Durchführungsverordnung vom 17.04.2023 weitete die Europäische Kommission die Antidumpingzölle auf unter die Warendefinition fallende Importe aus der Türkei aus, und zwar unabhängig davon, ob diese als Erzeugnisse türkischen Ursprungs angemeldet werden oder nicht.
Der Versand aus der Türkei ist ausreichend für die Anwendung der Antidumpingzölle.
Dem liegt das Ergebnis der Untersuchung zugrunde, dass Ware indonesischen Ursprungs systematisch zur Umgehung von Antidumpingzöllen über die Türkei in die EU eingeführt worden sei.
Die Untersuchung wies seit Beginn der ursprünglichen Untersuchung über die Verhängung von Antidumpingzöllen im Jahr 2018 einen erheblichen Anstieg des Exports von Rohstoffen für die Herstellung der betroffenen Waren aus Indonesien in die Türkei sowie einen erheblichen Anstieg des Exports der betroffenen Waren aus der Türkei in die EU aus. Vor Beginn des Untersuchungszeitraumes seien überhaupt keine entsprechenden Rohstoffe aus Indonesien in die Türkei exportiert worden. Im Untersuchungszeitraum sei der Export auf über 60.000 Tonnen im Jahr 2021 angestiegen. Gleichzeitig sei der Export der betroffenen Ware aus der Türkei in die EU um mehr als das 30-fache angestiegen. Der Großteil der Gesamtexporte der betroffenen Ware aus der Türkei in die EU (88 % – 93 %) sei vor allem vom dem türkischen Unternehmen Çolakoğlu bezogen worden. Çolakoğlu seinerseits habe seine Rohstoffe nahezu ausschließlich aus Indonesien bezogen.
Zwar seien die Rohstoffe in der Türkei weiterverarbeitet worden. Allerdings entspräche die erfolgte Verarbeitung nicht den Voraussetzungen unter denen eine Umgehung der Antidumpingmaßnahmen ausgeschlossen werden könnte. Rohstoffe aus Indonesien machten nahezu 100% des Gesamtwertes der Rohstoffe aus. Die Wertschöpfung durch die Verarbeitung in der Türkei habe durchschnittlich weniger als 5 % betragen.
Erwähnenswert ist insoweit, dass den türkischen Ursprungszeugnissen keine Glaubhaftigkeit mehr zugebilligt wird. Ursprungszeugnisse weisen in der Regel den nicht-präferenziellen Ursprung aus, das heißt den Ursprung, der für die zollrechtliche Würdigung relevant ist.
Im vorliegenden Falle wird auch die Ware, der ein türkischer Ursprung durch entsprechende Dokumente attestiert wird, nicht als türkische anerkannt.
Anträge auf Befreiung von den Antidumpingzöllen von anderen Unternehmen wurden bisher nicht bewilligt. Unternehmen können aber weiterhin die Befreiung von Antidumpingzöllen beantragen. Im Antragsverfahren ist zu beweisen, dass die Antidumpingmaßnahmen nicht umgangen werden.
Dieser Artikel wurde am 20. April 2023 erstellt. Er wurde am 24. Juli 2023 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.