Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in einem Urteil vom 20. Mai 2021 (2021/C 278/32) mit den Pflichten und Rechten eines Bürgen im Rahmen einer Zollbürgschaft beschäftigt.

Dabei ging es im Kern um die Frage, ob der Bürge im Verhältnis zu den Zollbehörden auch Zollschuldner ist.

Außerdem ging es um die Frage, ob der Bürge auch bei einer Zwangsvollstreckung für den Zahlungsausfall beim Zollschuldner vollumfänglich haften muss.

Der EuGH stellte zudem fest: Auch bei einer Klage gegen einen Bürgen zur Sicherung der Zollschuld müssen die Zollbehörden Verjährungsfristen beachten.

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Zollbürgschaft für Zollager

Dem Verfahren vor dem EuGH ging ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen einer Versicherungsgesellschaft und den Zollbehörden in Lettland voraus.

Die Versicherungsgesellschaft hatte für die Dauer eines Jahres (vom 04. April 2012 bis zum 5. April 2013) eine Gesamtbürgschaft (heute Verpflichtungserklärung) für eine andere Gesellschaft, die ein Zollager verwaltet, übernommen.

Weil die Zollschuldnerin nicht zahlte, wandten sich die Zollbehörden an die Versicherungsgesellschaft und forderten sie in ihrer Eigenschaft als Bürgin auf, die Zollschuld zu begleichen.

Die Versicherungsgesellschaft weigerte sich mit dem Einwand, dass die Steuerbehörden sie verspätet über die Inanspruchnahme der Zollbürgschaft informiert hätten.

In dem Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen stritten die Beteiligten über die Rolle des Bürgen im Verhältnis zwischen dem Zollschuldner und den Zollbehörden. Vor allem ging es dabei um die Frage:

Ist der Bürge Zollschuldner nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften im Zollkodex?

Der oberste Gerichtshof in Lettland war der Auffassung, dass der Bürge nicht als  „Schuldner“ eingestuft werden kann, da das Bürgschaftsverhältnis spezifisch ist.

Vielmehr sei die Einschaltung des Bürgen nur dann möglich, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Zuwiderhandlung gegen die zollrechtlichen Vorschriften
  2. Einziehung der Zollschuld ist beim Hauptschuldner unmöglich
  3. Die ohne berechtigten Grund nicht entrichtete Steuer muss eingezogen werden

Außerdem sei in diesem Zusammenhang unklar, ob die Zollbehörden an bestimmte Verjährungsfristen für die Einforderung der Zollforderung gebunden sind und diese gegenüber dem Bürgen beachten müssten.

Fragen an den EuGH

Der oberste Gerichtshof in Lettland rief daher den EuGH an, um folgende Fragen verbindlich zu klären:

  1. Ist der Bürge Zollschuldner im Sinne von Artikel 221 Absatz 3 des Zollkodex und müssen die Zollbehörden deshalb auch gegenüber dem Bürgen die 3-jährige Verjährungsfrist für die Mitteilung der Zollschuld beachten?
  2. Kann der Bürge von den Zollbehörden im Wege der Zwangsvollstreckung nach Art. 232 Abs. 1 Buchst. a des Zollkodex in Anspruch genommen werden, wenn der Zollschuldner die Abgaben nicht zahlt?
  3. Gilt auch bei der Klage gegen einen Bürgen zur Sicherung der Beitreibung einer Zollschuld eine angemessene Verjährungsfrist?

Wer ist Zollschuldner im Zollrecht?

Dafür ist es zunächst einmal nicht unwesentlich zu erwähnen, was Zollschulden sind und wie sie entstehen.

Der Unionszollkodex (UZK) definiert die Zollschuld als Verpflichtung einer Person, die einen aufgrund von geltenden Zollbestimmungen vorgesehenen Betrag der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben für eine bestimmte Ware zu entrichten hat.

Wann entsteht eine Zollschuld im Zollrecht?

Eine Zollschuld entsteht, wenn

  • eine abgabenpflichtige Ware vom Zoll zum freien Verkehr überlassen wird, inklusive der Endverwendung oder
  • eine Ware in die vorübergehende Verwendung mit nur teilweiser Abgabenbefreiung überlassen wird oder
  • ein Präferenznachweis vor dem Hintergrund eines Draw-Back-Verbots ausgestellt wurde. 

Der Zollschuldner ist in dem Zusammenhang nach Art. 77 Absatz 3 UZK die Person, die zur Erfüllung der Zollschuld verpflichtet ist, also den Betrag der Zollschuld zu entrichten hat.

Damit festgestellt werden kann, wer letztendlich aber die Zollschulden auch „entrichten“, muss, enthält der Zollkodex weitere Kriterien:

Im Regelfall ist Zollschuldner stets der Zollanmelder, also die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt oder in deren Namen vom Bevollmächtigten eine Zollerklärung abgegeben wird.

Wer ist Zollschuldner im Zollrecht?

Jede Person, die den Betrag der Zollschuld zu entrichten hat. Das heißt im Regelfall der Zollanmelder.

Anders sieht es dagegen aus, wenn bei einer Zollanmeldung Angaben vorliegen, die dazu führen, dass die Einfuhrabgaben ganz oder teilweise nicht erhoben werden.

Dann kann auch die Person zum Zollschuldner werden, die die für die Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert hat und diese gewusst hat oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass sie unrichtig waren.

Das tritt zum Beispiel auf Personen zu, die die Bedingungen und Pflichten zu erfüllen hatten, die sich aus der vorübergehenden Verwahrung der Waren oder der Inanspruchnahme des Zollverfahrens ergeben.

Zollbürgschaft: Bürge ist nicht Zollschuldner

Nun zur Frage, ob auch Bürgen Zollschuldner sein können.

Wie der EuGH zutreffend feststellt, bezeichnet der Zollkodex an keiner Stelle den Bürgen als Sicherungsgeber wortwörtlich als „Zollschuldner“. Und auch der Sinn und Zweck einer Bürgschaft spricht nach der Auffassung des EuGH gegen diesen Terminus.

Als Bürge wird eine in der EU ansässige und von den Zollbehörden eines EU-Mitgliedstaats zugelassene „dritte Person“ bezeichnet, die sich schriftlich dazu verpflichtet, den gesicherten Betrag der fälligen Zollschuld gesamtschuldnerisch mit dem Zollschuldner zu entrichten.

Das bedeutet, der Bürge tritt gerade nicht als Vertreter an die Stelle des Zollschuldners. Er garantiert lediglich die Erfüllung der Zollschuld. Der Umfang der Bürgschaft richtet sich dabei nach den gesetzlichen Regelungen und den Bedingungen im Bürgschaftsvertrag.

Das hat wiederum zur Folge, dass der Bürge zwar dazu verpflichtet sein kann, die Zollschulden zu begleichen. Er wird dadurch aber nicht zum Zollschuldner.

Wer ist Bürge bei Zollschulden?

Als Bürge von Zollschulden haftet die Person, die durch Bürgschaftsvertrag dazu verpflichtet wird, die fällige Zollschuld zu entrichten. Der Bürge garantiert gegenüber den Zollbehörden die Zahlung der Einfuhrabgaben, handelt dabei aber nicht als Zollschuldner im eigentlichen Sinne.

Die Frist für die Zollbehörden, die Abgabenhöhe mitzuteilen, gelte also nur gegenüber dem eigentlichen Zollschuldner, so der EuGH. Die 3-jährige Verjährungsfrist erstrecke sich nicht auf den Bürgen.

Dafür spreche auch der Sinn und Zweck einer Bürgschaft, so das Gericht. Denn eine Bürgschaft diene dazu, eine Sicherheit für den Fall zu leisten, dass der Zollschuldner die Zollschuld nicht bezahlt.

Das heißt, der Bürge übernimmt die Zollschuld nur, nachdem die Zollbehörden dem Zollschuldner den Abgabenbetrag zuvor mitgeteilt haben.

Außerdem könnte sich der Bürge dann regelmäßig von seinen Pflichten aus dem Bürgschaftsvertrag lösen, wenn die Mitteilung der Zollschuld zu spät erfolgt. Daher gilt für ihn auch nicht die 3-jährige Mitteilungsfrist.

Volle Haftung bei Zwangsvollstreckung

Bei der zweiten Frage ging es im Wesentlichen darum, ob der Bürge auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung der Zollschuld haften muss.

Denn für den Fall, dass der Zollschuldner den Abgabenbetrag nicht innerhalb der gesetzten Frist bezahlt, können die nationalen Zollbehörden im Wege der Zwangsvollstreckung die Zahlung dieses Betrags sicherstellen.

Und dafür können die Zollbehörden in den EU-Mitgliedstaaten alle zulässigen gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen, so der EuGH.

Neben der Zwangsvollstreckung gegen den Zollschuldner versteht der EuGH darunter auch ausdrücklich die Aufforderung an den Bürgen, die Sicherheit zu leisten, also seine Bürgschaftsverpflichtung zu erfüllen.

Dafür spreche, dass der Bürge bei der Übernahme einer Bürgschaft naturgemäß dazu da sei, den (Zahlungs-)Ausfall des (Zoll-)Schuldners auszugleichen.

Außerdem erwähne der Artikel 232 Absatz 1 Buchstabe a) Unterabsatz 2 des Zollkodex den Bürgen ausdrücklich.

Daher kommt der EuGH in seinem Urteil zu dem Schluss, dass sich die Maßnahmen der Zwangsvollstreckung durch die nationalen Zollbehörden einschließlich der dafür vorgesehene Fristen auch gegen den Bürgen richten und diesen verpflichten.

Bürgschaftsklage des Zolls kann verjähren

Bei der letzten Frage ging es um die Frage nach einer angemessenen Verjährungsfrist.

Zur Debatte stand, ob es für eine Klage gegen den Bürgen zur Sicherung der Beitreibung einer Zollschuld eine angemessene Verjährungsfrist geben muss. Die eindeutige Antwort des EuGH darauf lautet „Ja!“.

Dazu machte der EuGH zunächst grundsätzliche Ausführungen zum Institut der Verjährung und stellt die Frage: „Warum gibt es überhaupt Verjährungsfristen?“.

Das Erfordernis einer angemessenen Verjährungsfrist folge aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Dieser Rechtsgedanke müsse als Teil der Rechtsordnung der EU nicht nur von den Unionsorganen, sondern auch von den Organen der Mitgliedstaaten (also auch von den Zollbehörden) beachtet werden, so der EuGH.

Hinter dem Grundsatz der Rechtssicherheit steht nämlich folgender fundamentaler Wertungsgesichtspunkt:

Die Rechtslage und Rechtsverhältnisse sollen für alle Betroffenen vorhersehbar sein. Dazu gehöre vor allem auch die Sicherheit für Steuerpflichtige, dass seine Rechte und Pflichten gegenüber den Steuer- oder Zollbehörden nicht auf unbestimmte Zeit in Frage gestellt werden könnten.

Eine angemessene Verjährung schütze insoweit sowohl den Einzelnen als auch die betreffende Verwaltung.

Daher ergibt sich nach Auffassung des EuGH auch keine abweichende Wertung in Bezug auf die Klage gegen einen Bürgen zur Sicherung der Erhebung einer Zollschuld.

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Dieser Artikel wurde am 16. August 2021 erstellt. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.