Gestellung im Zollrecht: Der Praxis-Leitfaden zum Schutz vor 30.000 € Bußgeld

Ein vermeintlich einfacher Prozessschritt – die Gestellung – birgt für Unternehmen ein finanzielles Risiko von bis zu 30.000 € und kann zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers führen. Viele Unternehmen verwechseln die Gestellung mit der Zollanmeldung oder unterschätzen die formalen Anforderungen, was zu empfindlichen Strafen und dem Verlust von ZollBewilligungen (z.B. AEO) führen kann. Dieser Leitfaden bietet Ihnen eine rechtssichere Schritt-für-Schritt-Anleitung. Sie lernen nicht nur die Grundlagen kennen, sondern auch, wie Sie durch optimierte Prozesse (z.B. Gestellung außerhalb des Amtsplatzes) Kosten sparen und gleichzeitig existenzbedrohende Risiken eliminieren. Die Kanzlei O&W blickt auf über 38 Jahre Erfahrung in der rechtssicheren Gestaltung der internationalen Lieferkette zurück und signalisiert damit sofortige Autorität und Kompetenz.

Grundlagen: Was die Gestellung im Zollrecht wirklich bedeutet und wie sie sich abgrenzt

Dieser Abschnitt legt die unverzichtbare Basis und klärt die häufigsten Missverständnisse auf, um grundlegende Prozessfehler von vornherein auszuschließen.

Gestellung

Definition: Was ist die Gestellungspflicht laut Unionszollkodex (UZK)?

Die Gestellung ist die Mitteilung an die Zollbehörden, dass Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden zugelassenen Ort (z.B. Ihr Firmenstandort) eingetroffen sind und für Zollkontrollen zur Verfügung stehen. Dies ist eine gesetzliche Pflicht, die in Art. 139 des Unionszollkodex (UZK) verankert ist. In der Praxis bedeutet das: Ein LKW mit Teilen aus der Schweiz erreicht Ihr deutsches Werk. Der Moment, in dem Ihr Zollbeauftragter dem Zoll (via ATLAS-System) meldet, „Die Ware ist jetzt hier und kann kontrolliert werden“, ist die Gestellung.

Die entscheidende Abgrenzung: Gestellung vs. Zollanmeldung und vorübergehende Verwahrung

Um Fehler zu vermeiden, ist die Abgrenzung dieser drei Begriffe entscheidend:

  • Gestellung: Der reine Akt der Mitteilung über das Eintreffen der Ware.
  • Vorübergehende Verwahrung: Der zollrechtliche Status der Ware zwischen der Gestellung und der Überführung in ein Zollverfahren. Die Ware befindet sich unter zollamtlicher Überwachung.
  • Zollanmeldung: Ein separater, nachfolgender Schritt, bei dem die Ware in ein Zollverfahren (z.B. Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr) überführt wird, um über sie verfügen zu können.

Prozessoptimierung in der Praxis: Kosten und Zeit sparen mit zollrechtlichen Vereinfachungen

Machen Sie die Gestellung von einer reinen Pflicht zu einem strategischen Vorteil für Ihre Logistik.

Gestellung außerhalb des Amtsplatzes: Wann lohnt sich das und was kostet es?

Ein entscheidender Vorteil dieser Methode ist, dass Unternehmen Wartezeiten und Gebühren am Zollamt umgehen und die Logistik beschleunigen, da die Ware direkt zum eigenen Standort oder einem anderen zugelassenen Ort transportiert werden kann. Voraussetzung dafür ist eine Bewilligung durch das zuständige Hauptzollamt. Informationen zur Antragsstellung finden Sie in den offizielle Richtlinien zur Gestellung. Bei einer möglichen Zollbeschau vor Ort können zwar Gebühren gemäß der Zollkostenverordnung anfallen, diese sind aber oft geringer als die eingesparten Logistik- und Opportunitätskosten durch vermiedene Wartezeiten.

Der Status ‚Zugelassener Ausführer‘ (SDE): Die Königsklasse der Vereinfachung

Der Status als Zugelassener Ausführer (SDE – Self-Declaration Exporter) erleichtert oft die Bewilligung für die Gestellung außerhalb des Amtsplatzes. Die Vorteile gehen aber weit darüber hinaus: Als SDE können Sie auch Ursprungsnachweise (z.B. „Ursprungserklärung auf der Rechnung“) selbst ausstellen, was zu erheblichen Prozess- und Kostenvorteilen im gesamten Exportgeschäft führt. Aus unserer Praxiserfahrung können wir bestätigen, dass dieser Status ein entscheidender Wettbewerbsvorteil ist. Die Kanzlei O&W berät Unternehmen regelmäßig bei der Beantragung des AEO– und SDE-Status, was unsere praktische Erfahrung in diesen Prozessen untermauert.

Risikomanagement: So schützen Sie sich vor 30.000 € Bußgeld, Haftung und Bewilligungsverlust

Dieser Kernabschnitt adressiert den größten Schmerzpunkt und zeigt klare, anwaltlich geprüfte Lösungsstrategien auf.

Die Konsequenzen: Bußgelder, persönliche Haftung und Widerruf des AEO-Status

Eine nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführte Gestellung ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 € geahndet werden.

Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftet nicht nur das Unternehmen, sondern auch der verantwortliche Mitarbeiter oder Geschäftsführer persönlich. Wiederholte Fehler können zudem die Zuverlässigkeit des Unternehmens infrage stellen und zum Widerruf wertvoller Bewilligungen wie des AEO (Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter) führen.

Präventive Maßnahmen: Eine Checkliste für die rechtssichere Gestellung

Implementieren Sie die folgenden Punkte, um auf der sicheren Seite zu sein:

  • Ist die Zuständigkeit des Hauptzollamts für Ihren Standort geklärt?
  • Ist eine Person im Unternehmen klar für die Gestellung verantwortlich (Zollbeauftragter)?
  • Ist der Prozess für die Mitteilung via ATLAS-System klar definiert und dokumentiert?
  • Bei Gestellung außerhalb des Amtsplatzes: Liegt eine gültige Bewilligung vor und sind die Bedingungen bekannt?
  • Sind alle Mitarbeiter, die Waren annehmen (z.B. im Wareneingang), über die Gestellungspflicht informiert und geschult?

Wenn ein Fehler passiert ist: Die strafbefreiende Selbstanzeige als Lösung

Was tun, wenn Sie einen Fehler bei der Gestellung in der Vergangenheit feststellen? Das Instrument der Selbstanzeige im Zollrecht kann bei bereits geschehenen Fehlern helfen, die rechtlichen Konsequenzen, insbesondere Bußgelder, zu minimieren oder sogar vollständig zu vermeiden. Wesentliche Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige sind unter anderem die Vollständigkeit der Angaben und dass die Meldung vor der Entdeckung durch die Behörden erfolgt.

Die Durchführung einer Selbstanzeige ist komplex. Daher wird die Begleitung durch einen Anwalt dringend empfohlen, um formale Fehler zu vermeiden, die zur Unwirksamkeit führen könnten.

Häufig gestellte Fragen zur Gestellung (FAQ)

  • Was ist der Unterschied zwischen Gestellung und Zollanmeldung?

    Die Gestellung ist nur die Mitteilung an den Zoll, dass die Ware angekommen ist, während die Zollanmeldung der separate Antrag ist, die Ware in ein Zollverfahren zu überführen. Die Gestellung ist ein rein faktischer Akt, die Zollanmeldung ein rechtlicher Akt mit dem Ziel, über die Ware verfügen zu können (z.B. sie zu verkaufen).

  • Welche Vorteile bietet die Gestellung außerhalb des Amtsplatzes?

    Der Hauptvorteil ist eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis, da LKW nicht am Zollamt warten müssen und die Ware direkt im eigenen Betrieb geprüft werden kann. Dies führt zu beschleunigten Logistikprozessen, geringeren Standgeldern für Spediteure und einer besseren Planbarkeit in der eigenen Lieferkette.

  • Was ist Gestellung im Zollrecht?

    Im Zollrecht ist die Gestellung die gesetzlich vorgeschriebene Mitteilung an eine Zollbehörde, dass eine Ware physisch eingetroffen ist und für eine eventuelle Kontrolle bereitsteht. Diese Pflicht ist im Unionszollkodex (UZK) verankert und der erste formale Schritt, bevor eine Ware zollrechtlich abgefertigt werden kann.

  • Welche Kosten können bei der Gestellung außerhalb des Amtsplatzes anfallen?

    Es können Gebühren für die Anfahrt und den Zeitaufwand der Zollbeamten anfallen, falls diese für eine Kontrolle (Zollbeschau) zu Ihrem Unternehmensstandort kommen müssen. Diese Kosten sind in der Zollkostenverordnung geregelt, sind aber oft niedriger als die indirekten Kosten durch Wartezeiten und Logistikverzögerungen bei der Gestellung am Amtsplatz.

  • Wie kann externe Beratung bei der Zollabwicklung helfen?

    Ein Anwalt kann helfen, Prozesse rechtssicher zu gestalten, teure Fehler zu vermeiden, Vereinfachungen wie den AEO-Status zu beantragen und im Fall einer Prüfung oder eines Bußgeldverfahrens zu verteidigen. Die Expertise eines Anwalts gewährleistet Compliance, minimiert Haftungsrisiken für die Geschäftsführung und hilft, das volle Potenzial von zollrechtlichen Optimierungen auszuschöpfen.

Fazit: Gestellung als strategischer Hebel statt als Risiko

Die Gestellung ist weit mehr als eine bürokratische Pflicht. Ein korrekt umgesetzter und proaktiv gemanagter Prozess schützt Ihr Unternehmen nicht nur vor hohen Bußgeldern und persönlicher Haftung, sondern kann sich zu einem echten Wettbewerbsvorteil entwickeln. Insbesondere durch die Nutzung von Vereinfachungen verwandeln Sie diesen Prozess von einem Kostenfaktor in einen Hebel für eine effizientere und resilientere Lieferkette.

Haben Sie Fragen zur Optimierung Ihrer Zollprozesse oder zur Beantragung von Vereinfachungen? Unsere Anwälte für Zollrecht beraten Sie gern.

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Über den Autor:

Dr. Tristan Wegner ist Partner bei O&W Rechtsanwaltsgesellschaft und als Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht einer der führenden Experten für die rechtlichen Aspekte der globalen Lieferkette. Mit 13 Jahren Berufserfahrung und einer Promotion zum internationalen Handel berät er Unternehmen umfassend bei der Optimierung und Absicherung ihrer Zoll- und Logistikprozesse.

Dieser Artikel wurde am 7. November 2025 erstellt.

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  • Dr. Tristan Wegner

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  • Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.