Aufschubkonto Zoll: Praxis-Leitfaden zur Beantragung & für mehr Liquidität

Stellen Sie sich vor, Sie könnten bei jeder Warenlieferung aus dem Ausland tausende Euro an Speditionsgebühren sparen und gleichzeitig Ihre Liquidität um bis zu 45 Tage verbessern. Genau das ermöglicht ein eigenes Aufschubkonto beim Zoll. Für viele Importunternehmen ist dies ein ungenutzter strategischer Vorteil, der oft aus Unkenntnis oder Respekt vor der Bürokratie ungenutzt bleibt.

Ein Aufschubkonto ist im Kern ein zinsloser Kredit des Zolls für Ihre Einfuhrabgaben. Statt bei jeder einzelnen Einfuhr sofort Zoll und Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) entrichten zu müssen oder teure Vorlageprovisionen an Ihren Spediteur zu zahlen, die Ihren Cashflow empfindlich belasten, bündeln Sie alle Abgaben eines Monats und begleichen diese bequem zu einem späteren Zeitpunkt.

Dieser Artikel ist Ihr umfassender, praxisnaher Leitfaden. Er entmystifiziert nicht nur den Antragsprozess von A bis Z, sondern beleuchtet – anders als die meisten Ratgeber – das kritische und oft übersehene Thema der Geschäftsführerhaftung. Wir zeigen Ihnen, wie Sie nicht nur Kosten sparen und Ihre Liquidität maximieren, sondern Ihr Unternehmen und sich selbst auch rechtssicher aufstellen.

Dieser Leitfaden basiert auf der Expertise von Dr. Tristan Wegner, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht und Partner bei O&W Rechtsanwaltsgesellschaft. Mit 13 Jahren Erfahrung in der Beratung zum internationalen Handel und der 38-jährigen Kanzleigeschichte im Zollrecht unterstützt er Mandanten täglich bei der Beantragung, Verwaltung und rechtlichen Absicherung von Aufschubkonten.

Was ist ein Aufschubkonto und warum ist es ein Game-Changer für Ihre Finanzen?

A corporate infographic comparing financials with and without a customs deferment account, visually showing the cost savings by eliminating forwarding agent's commission and improving cash flow.

Ein Aufschubkonto, offiziell als „Konto für den Zahlungsaufschub“ bezeichnet, ist ein vom Hauptzollamt bewilligtes Konto, über das Ihre Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) abgewickelt werden. Anstatt die Abgaben für jede Sendung einzeln zu bezahlen, werden alle Abgaben, die innerhalb eines Monats anfallen, gesammelt. Die Gesamtsumme wird dann erst am 16. des Folgemonats von Ihrem Konto abgebucht.

Der entscheidende Liquiditätsvorteil

Durch diesen Mechanismus gewährt Ihnen der Zoll einen zinslosen Zahlungsaufschub von bis zu 45 Tagen. Eine Ware, die am ersten Tag eines Monats eingeführt wird, muss erst am 16. des Folgemonats bezahlt werden. Dieser verlängerte Zahlungszeitraum schont Ihren Cash-flow erheblich und gibt Ihnen mehr finanziellen Spielraum. Die Optimierung des Importgeschäfts durch einen zinslosen Zahlungsaufschub für die EUSt ist ein entscheidender Hebel zur Verbesserung der Unternehmensliquidität, wie auch eine Analyse der Liquiditätsvorteile eines Aufschubkontos von PwC bestätigt.

Die direkte Kostenersparnis: Der Wegfall der Vorlageprovision

Wenn Sie kein eigenes Aufschubkonto besitzen, legt Ihr Spediteur oder Logistikdienstleister die Einfuhrabgaben für Sie aus. Für diesen Service berechnet der Spediteur eine sogenannte Vorlageprovision. Diese beträgt oft zwischen 2% und 3% der Abgabensumme, manchmal zuzüglich einer Mindestgebühr. Mit einem eigenen Aufschubkonto entfällt dieser Kostenpunkt vollständig.


Infografik/Tabelle: Kosten-Nutzen-Analyse: Eigenes Aufschubkonto vs. Spediteur

Szenario Monatliche Einfuhrabgaben Vorlageprovision (2,5%) Jährliche Kosten Liquiditätsvorteil
Ohne Aufschubkonto 100.000 € 2.500 € 30.000 € Keiner
Mit Aufschubkonto 100.000 € 0 € 0 € Bis zu 45 Tage

Diese direkte Ersparnis macht das Aufschubkonto zu einem Muss für jedes Unternehmen mit regelmäßigem Importaufkommen. Weiterführende offizielle Informationen des Zolls zum Aufschubkonto bestätigen diese Funktionsweise.

Arten des Aufschubkontos: Die strategische Wahl für Ihr Unternehmen

An illustration comparing the two types of customs deferment accounts: the standard account requiring a security deposit for customs and VAT, and the VAT-only account which often doesn't.

Es gibt nicht nur das eine Aufschubkonto. Die strategische Wahl des richtigen Kontotyps kann den Aufwand und die Kosten weiter minimieren.

Das ’normale‘ Aufschubkonto

Dieses Konto umfasst alle Einfuhrabgaben, also sowohl Zölle als auch die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt). Es ist die Standardlösung und für alle Importeure geeignet. Für die Bewilligung dieses Kontos verlangt der Zoll in der Regel eine Sicherheitsleistung in Höhe der durchschnittlich anfallenden monatlichen Abgaben.

Der Geheimtipp für viele Unternehmen: Das reine EUSt-Aufschubkonto

Hier liegt eine oft übersehene Chance: Beantragen Sie ein Aufschubkonto, das ausschließlich für die Einfuhrumsatzsteuer genutzt wird. Der größte Vorteil: Unternehmen, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, benötigen für dieses Konto in der Regel KEINE Sicherheitsleistung. Da die EUSt ein durchlaufender Posten ist, verzichtet der Fiskus hier oft auf eine Absicherung. Für Unternehmen, die hauptsächlich Waren aus Ländern importieren, für die keine Zölle anfallen (z.B. innerhalb der EU oder mit Präferenznachweis), ist dies der Königsweg, um ein Aufschubkonto ohne Sicherheitsleistung für die EUSt zu erhalten und den vollen Liquiditätsvorteil zu nutzen.

Gestaltungsmöglichkeiten und Sonderfälle

Es gibt flexible Regelungen. So beschreibt die IHK diverse Gestaltungsmöglichkeiten bei Aufschubkonten laut IHK, etwa für Unternehmen mit wenigen, aber sehr hochwertigen Einfuhren pro Jahr. Es ist sogar möglich, mehrere Aufschubkonten für unterschiedliche Zwecke zu führen.

Aufschubkonto beantragen: Der praxisnahe Schritt-für-Schritt Leitfaden von A-Z

A flowchart showing the 4-step process to apply for a customs deferment account: check requirements, submit application, provide security, and receive approval and BIN.

Der Antragsprozess ist standardisiert und mit der richtigen Anleitung unkompliziert. Folgen Sie diesen vier Schritten:


Schritt 1: Voraussetzungen prüfen – Was verlangt der Zoll?

Bevor Sie den Antrag stellen, stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen die folgenden Kriterien erfüllt:

  • Zollrechtliche Zuverlässigkeit: Sie dürfen in der Vergangenheit keine schweren oder wiederholten Verstöße gegen Zoll- und Steuer-Vorschriften begangen haben.
  • Nachweis eines Buchführungssystems: Ihre Buchführung muss es dem Zoll ermöglichen, Ihre Geschäfts- und Zollvorgänge nachzuvollziehen und zu prüfen.
  • Finanzielle Solvenz: Sie müssen nachweisen, dass Ihr Unternehmen finanziell gesund ist und in der Lage sein wird, die Abgaben zu entrichten.

Ein AEO-C-Zertifikat (Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter) ist hier von großem Vorteil. Es gilt als starker Beleg für Ihre Zuverlässigkeit und kann die geforderte Sicherheitsleistung erheblich reduzieren oder sogar überflüssig machen.

Schritt 2: Die Antragsstellung – Formulare und Zuständigkeiten

Der Antrag wird mit dem Formular 0580 „Antrag auf Bewilligung eines Zahlungsaufschubs“ gestellt. Dieses finden Sie auf der Website des Zolls. Füllen Sie es sorgfältig aus.

  • Zuständigkeit: Der Antrag ist bei dem für Ihr Unternehmen zuständigen Hauptzollamt (HZA) einzureichen. Welches HZA das ist, richtet sich nach dem Sitz Ihres Unternehmens.
  • ATLAS-Verfahren: Das Aufschubkonto wird im IT-Verfahren ATLAS des Zolls hinterlegt. Alle Ihre zukünftigen Zollanmeldungen, die über dieses System laufen, können dann auf Ihr Konto zugreifen.

Schritt 3: Die Sicherheitsleistung – Berechnung, Höhe und Hinterlegung

Falls eine Sicherheitsleistung erforderlich ist (insbesondere für das ’normale‘ Aufschubkonto), muss deren Höhe bestimmt werden.

  • Berechnung des Referenzbetrags: Die Sicherheit muss die Summe der Einfuhrabgaben abdecken, die typischerweise innerhalb eines Zahlungsaufschubzeitraums (also ca. einem Monat) entstehen. Dieser Betrag wird „Referenzbetrag“ genannt und auf Basis Ihrer bisherigen oder geschätzten zukünftigen Einfuhren ermittelt.
  • Hinterlegung: Die Sicherheitsleistung wird in der Regel durch eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft einer in der EU ansässigen Bank erbracht. Alternativ ist auch eine Barsicherheit möglich.

Schritt 4: Die Bewilligung und die Aufschub-BIN

Nach Prüfung Ihres Antrags und der Sicherheitsleistung erhalten Sie vom Hauptzollamt einen Bewilligungsbescheid. Damit ist Ihr Aufschubkonto offiziell genehmigt. Sie erhalten zudem eine einmalige Aufschub-BIN (Beteiligten-Identifikationsnummer). Diese Nummer müssen Sie oder Ihr Zolldienstleister in jeder Zollanmeldung angeben, damit die Abgaben Ihrem Konto zugeordnet werden. Die Frage „Was ist eine Aufschub-BIN?“ lässt sich also einfach beantworten: Es ist Ihre persönliche Kontonummer für Zollanmeldungen.

Das größte Risiko: Wie Geschäftsführer persönliche Haftung beim Aufschubkonto vermeiden

Symbolic image of a CEO being protected by a shield representing an Internal Control System (IKS) from the risks of personal liability associated with a customs deferment account.

Ein Aufschubkonto ist ein mächtiges Werkzeug, birgt aber auch ein erhebliches, oft unterschätztes Risiko: die persönliche Haftung des Geschäftsführers. Dies ist der Punkt, den kein Standard-Ratgeber behandelt und der unsere anwaltliche Expertise unterstreicht.

Nach § 69 der Abgabenordnung (AO) haften gesetzliche Vertreter, also Geschäftsführer einer GmbH, persönlich mit ihrem Privatvermögen für Steuerschulden der Gesellschaft, wenn diese durch eine schuldhafte Pflichtverletzung ihrerseits nicht oder nicht rechtzeitig entrichtet werden. Dazu zählen auch Zoll und Einfuhrumsatzsteuer.

Typische Compliance-Fallen aus der Anwaltspraxis

Aus unserer Beratungstätigkeit kennen wir die drei häufigsten Fallen, die zu einer Haftung führen können:

  1. Überschreitung des bewilligten Sicherheitsrahmens: Der häufigste Fehler. Wenn die Summe der laufenden Abgaben den hinterlegten Referenzbetrag übersteigt, ist das Konto nicht mehr gedeckt. Werden trotzdem weitere Einfuhren angemeldet, ohne die Sicherheit zu erhöhen, gilt dies als schwere Pflichtverletzung.
  2. Verspätete Zahlung: Wenn das Geschäftskonto am 16. des Monats nicht ausreichend gedeckt ist und die Abbuchung fehlschlägt, entsteht eine Zollschuld, für die der Geschäftsführer schnell in Haftung genommen werden kann.
  3. Systematisch falsche Zollanmeldungen: Werden Waren über längere Zeit falsch tarifieriert oder angemeldet, kann eine Betriebsprüfung zu massiven Nachforderungen führen. Übersteigen diese den Sicherheitsrahmen, steht sofort die persönliche Haftung des Geschäftsführers im Raum.

Die Rechtsgrundlage im Unionszollkodex (UZK) (siehe Art. 110 UZK) ist hier eindeutig. Die Überwachung der Einhaltung der Bewilligungsauflagen ist eine zentrale Geschäftsführerpflicht.

Proaktive Schutzmaßnahmen zur Haftungsminimierung

Schützen Sie sich und Ihr Unternehmen durch ein einfaches, aber wirksames Internes Kontrollsystem (IKS):

  • Überwachung des Kontostands: Etablieren Sie einen Prozess zur regelmäßigen (mindestens wöchentlichen) Überwachung des ausgeschöpften Rahmens Ihres Aufschubkontos.
  • Klare Verantwortlichkeiten: Benennen Sie einen Zollverantwortlichen im Unternehmen, der für die Überwachung und die Kommunikation mit der Geschäftsführung zuständig ist.
  • Regelmäßige Prozess-Checks: Überprüfen Sie Ihre Zollanmeldeprozesse in regelmäßigen Abständen, um systematische Fehler zu vermeiden.

Experten-Tipp von Dr. Wegner:
„Implementieren Sie einen wöchentlichen Report, der den ausgeschöpften Rahmen des Aufschubkontos an die Geschäftsführung meldet. Das ist eine simple, aber extrem wirksame Schutzmaßnahme. So können Sie proaktiv handeln und eine Erhöhung der Sicherheit beantragen, bevor der Rahmen überschritten wird.“


Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Aufschubkonto

Was ist ein Aufschubkonto?

Ein Aufschubkonto ist im Grunde ein zinsloser Kredit des Zolls, der es Importeuren ermöglicht, alle in einem Monat anfallenden Einfuhrabgaben gesammelt erst am 16. des Folgemonats zu bezahlen.

Welche Vorteile bietet ein Aufschubkonto?

Die Hauptvorteile sind eine massive Verbesserung der Liquidität durch den Zahlungsaufschub und die Einsparung teurer Vorlageprovisionen, die Spediteure für die Auslage der Einfuhrabgaben berechnen.

Wann lohnt sich ein Aufschubkonto für ein Unternehmen?

Ein eigenes Aufschubkonto lohnt sich für jedes Unternehmen, das regelmäßig Waren importiert und Einfuhrabgaben entrichtet, da die Kosteneinsparungen und Liquiditätsvorteile den geringen Verwaltungsaufwand schnell übersteigen.

Was kostet ein Aufschubkonto?

Das Aufschubkonto selbst ist kostenlos; es fallen keine Kontoführungsgebühren an. Kosten können lediglich für die Bereitstellung einer eventuell notwendigen Sicherheitsleistung, z.B. eine Bankbürgschaft, entstehen.

Wie hoch muss die Sicherheitsleistung sein?

Die Sicherheitsleistung muss grundsätzlich die Höhe der Einfuhrabgaben abdecken, die innerhalb eines Monats anfallen (der sogenannte Referenzbetrag). Sie kann jedoch unter bestimmten Umständen, z.B. mit einem AEO-Zertifikat, reduziert werden oder bei reinen EUSt-Konten ganz entfallen.

Was passiert, wenn der Sicherheitsbetrag überschritten wird?

Wenn der Sicherheitsrahmen überschritten wird, können Zollanmeldungen blockiert werden, bis die Sicherheit erhöht oder die Abgabenschuld beglichen wird. Wiederholte Überschreitungen können zum Widerruf der Bewilligung führen und Haftungsrisiken für den Geschäftsführer begründen.

Fazit: Machen Sie Ihr Aufschubkonto vom Kostentreiber zum strategischen Vorteil

Das Aufschubkonto ist mehr als nur ein administratives Detail in der Importabwicklung. Es ist ein strategisches Finanzinstrument, das auf drei Säulen ruht:

  1. Massive Liquiditätsverbesserung: Durch den zinslosen Zahlungsaufschub von bis zu 45 Tagen.
  2. Direkte Kostensenkung: Durch die vollständige Eliminierung der Vorlageprovision des Spediteurs.
  3. Rechtssicherheit: Durch eine korrekte Einrichtung und Verwaltung, die das persönliche Haftungsrisiko für Geschäftsführer minimiert.

Das Aufschubkonto ist kein bürokratisches Monster, sondern ein mächtiges Werkzeug, das jedes Importunternehmen nutzen sollte. Mit dem richtigen Wissen und einem klaren Prozess ist die Beantragung und Verwaltung absolut beherrschbar. Der finanzielle Gewinn ist immens, doch die rechtlichen Risiken bei falscher Handhabung dürfen nicht ignoriert werden.

Sichern Sie sich die Unterstützung von Experten, um von Anfang an Fehler zu vermeiden und alle Vorteile rechtssicher auszuschöpfen. Kontaktieren Sie die Fachanwälte von O&W Rechtsanwaltsgesellschaft für eine Erstberatung und machen Sie den ersten Schritt zur Optimierung Ihrer Importprozesse.

Dieser Artikel wurde am 12. September 2025 erstellt.

Ihr Ansprechpartner

  • Dr. Tristan Wegner

    ABC-Str. 21
    20354 Hamburg
  • Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.