Eine Eilentscheidung des OLG Düsseldorf befasst sich damit, dass Verkäufer trotz der Berufung auf höhere Gewalt bzw. „force majeure“ dazu verpflichtet sein können, ihre Lieferverpflichtungen gegenüber dem Käufer einstweilen weiter zu erfüllen. Allerdings kommt dieses nur in Betracht, wenn beim Käufer aufgrund der Nichtbelieferung eine Existenzgefährdung eintritt.

Höhere Gewalt als Ausrede

In dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf ging es um die Lieferung von russischem Erdgas an den deutschen Käufer bis zum 1.1.2023 zu festgelegten Preisen.

Der Verkäufer hatte jedoch die vereinbarten Liefermengen reduziert und schließlich am 31.8.2022 die Gaslieferungen vollständig eingestellt. Er berief sich dabei auf höhere Gewalt, da die zur Verfügung stehenden Pipelines nicht mehr genutzt werden können und er kein Gas auf dem europäischen Markt einkaufen könne.

Der Käufer beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung, um den Verkäufer zur Fortsetzung der Erdgaslieferungen bis zum 1.1.2023 zu verpflichten.

Der Käufer war ein Gashandelsunternehmen, das bereits seit mehreren Jahren am Markt tätig ist. Er beliefert Stadtwerke und Industrieunternehmen in Deutschland mit Erdgas und hat dadurch eine solide Kundenbasis aufgebaut. Die langjährige Zusammenarbeit mit ihren Kunden und die stabile Nachfrage nach Erdgas in Deutschland machten die Belieferung weiterhin nötig.

Der Verkäufer behauptete im Verfahren, dass er aufgrund höherer Gewalt von der Lieferverpflichtung befreit sei. Der Abnehmer argumentierte hingegen, dass der Lieferant verpflichtet sei, alternative Bezugsquellen zu nutzen, um die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Der Lieferant sei in der Lage, Erdgasmengen auf dem Markt zu beschaffen oder Gas aus einem anderen Gasspeicher zu liefern.

Da es in dem Verfahren um russisches Gas ging, wurde behauptet, dass der russische Staat gezielt Leistungshindernisse geschaffen habe, um Gaslieferungen an deutsche Unternehmen zu verhindern. Diese Hürden seien bewusst errichtet worden, um den deutschen Markt zu kontrollieren und die Abhängigkeit der deutschen Unternehmen von russischem Gas zu verstärken. Es wurde argumentiert, dass diese Maßnahmen gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen und den freien Handel zwischen den Ländern behindern.

Ablehnung einer einstweiligen Verfügung wegen höherer Gewalt

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. In seinem Beschluss vom 30.9.2022 begründet es seine Entscheidung damit, dass der Käufer nicht ausreichend dargelegt habe, dass eine besondere Eilbedürftigkeit und Existenzgefährdung vorliege.

Zwar wurden eidesstattliche Versicherungen vorgelegt, in denen behauptet wurde, dass die wirtschaftliche Existenz durch die Nichterfüllung der vertraglichen Lieferpflichten gefährdet sei. Jedoch hat das Gericht diese Versicherungen als nicht ausreichend angesehen, um die Eilbedürftigkeit glaubhaft zu machen.

Der Käufer legte gegen die Entscheidung des Landgerichts sofortige Beschwerde ein. Er argumentiert, dass das Landgericht die von ihr vorgelegten Entscheidungen anderer Gerichte nicht ausreichend berücksichtigt habe.

Jedoch wurde dieses Sichtweiseletztlich auch vor dem OLG Düsseldorf bestätigt.

Hintergrund: Einstweilige Verfügung bei Lieferstopp

Eine einstweilige Verfügung dient dazu, dem Antragsteller einen vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, bis über die Hauptsache entschieden ist.

Dabei handelt es sich um ein summarisches Erkenntnisverfahren, bei dem das Gericht aufgrund einer vorläufigen Prüfung der Sachlage eine Entscheidung trifft.

Um eine einstweilige Verfügung zu erwirken, muss der Antragsteller bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Einstweilige Verfügung nur bei Verfügungsgrund

Der Verfügungsgrund ist eine zentrale Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung. Hierbei handelt es sich um ein rechtliches Interesse des Antragstellers, das durch das Unterlassen der einstweiligen Verfügung existenziell bedroht wäre. Das Gericht prüft streng, ob ein solcher Verfügungsgrund vorliegt.

Insofern muss an dieser Stelle nachhaltig argumentiert werden.

Es müssen besondere Umstände vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordern und eine endgültige Regelung im Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann.

Notlage oder irreparable Schädigung des Antragstellers

Um eine einstweilige Verfügung zu erwirken, muss der Antragsteller nachweisen, dass er sich in einer Notlage befindet oder dass ihm andernfalls irreparable Schädigungen drohen würden. Es reicht nicht aus, dass der Antragsteller ohne den Erlass der Verfügung benachteiligt wäre.

Schon das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 13. Juni 1995 klargestellt, dass eine einstweilige Verfügung nur dann erlassen werden kann, wenn der Gläubiger dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist oder ihm erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen.

Eine solche Verfügung sollte nicht dazu dienen, den Gläubiger einfach nur schneller zu befriedigen, sondern nur dann, wenn ihm ein Zuwarten oder eine Verweisung auf spätere Schadensersatzansprüche nicht zumutbar ist.

Der Käufer argumentierte zwar, dass die vertragswidrige Nichtbelieferung zu unverhältnismäßigen Nachteilen für die wirtschaftliche Existenz führt, die unmittelbar existenzbedrohend seien und auch Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland hätten.

Er sei gezwungen, durch Käufe auf dem Gasmarkt seine bestehenden Lieferverpflichtungen gegenüber zahlreichen Stadtwerken und Industriekunden nachzukommen.

Eine weitere Ersatzbeschaffung sei in naher Zukunft nicht möglich.

Auch gab der Käufer an, dass sein Eigenkapital bereits aufgebraucht sei und die noch verfügbare Liquidität kurzfristig aufgebraucht sei.

Auch wurde erklärt, dass die gestiegenen Gaspreise dazu führen, dass die liquiden Mittel nicht mehr ausreichen, um den Bedarf an Ersatzgas zu decken.

Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass nach dem 30. September 2022 ein weiterer Lieferant nicht in der Lage sein wird, Gas zu liefern, und das Unternehmen daher auf eigene Kosten Ersatz beschaffen muss. Diese zusätzliche Belastung würde die finanziellen Mittel des Unternehmens weiter strapazieren und seine Fähigkeit, weiterhin am Markt zu bestehen, ernsthaft gefährden.

Allerdings stellte das Oberlandesgericht maßgeblich darauf ab, dass der Käufer im Konzern verankert sei und mit der Muttergesellschaft ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestehe, wonach die Muttergesellschaft gem. § 302 AktG zur Verlustübernahme verpflichtet sei. Deswegen ließ sich allein aus der finanziellen Situation des Abnehmers eine Existenzgefährdung nicht herleiten.

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Dieser Artikel wurde am 25. Juli 2023 erstellt. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.