Frisch- und Abwassertanks von Passagierflugzeugen sind keine Flugzeugteile

Das Urteil des Finanzgerichts Hamburg (Aktenzeichen: 4K 58/14) legt die zollrechtliche Einreihung von Frisch- und Abwassertanks in Passagierflugzeugen fest. Diese Tanks sind laut Gericht aufgrund ihrer stofflichen Beschaffenheit als Waren der Position 3926 9097 900 (Andere Waren aus Kunststoffen) einzustufen, nicht als Flugzeugteile. Aus der Einreihung als Flugzeugteil würde ein anderer Zollsatz für Waren aus Drittländern folgen. Das Urteil schafft für viele Unternehmen Klarheit über die korrekte Anwendung der Zolltarife bei Frisch- und Abwassertanks in Passagierflugzeugen, sodass diese künftig vor finanziellen Nachteilen durch möglicherweise erhöhte Importkosten geschützt sind.

Hintergrund des Rechtsstreits: Debatte um Frisch- und Abwassertanks in Flugzeugen

Die Klägerin meldete über die A GmbH im Zeitraum vom 4. Januar 2012 bis zum 20. Juni 2012 insgesamt 46 Kolli Frisch- und Abwassertanks für den Flugzeugtyp X an, die aus Kohlenstofffasern bestehen.

Beim Import dieser Tanks verwendete die Klägerin die Warennummer „6815 1010 000“, die für Waren aus Kohlenstofffasern steht. Für Waren, die unter dieser Warennummer aufgeführt sind, fallen grundsätzlich keine Drittlandszölle an. Anschließend gab das Zollamt C die Warensendungen frei, ohne weitere Prüfungsmaßnahmen durchzuführen, es wurde kein Drittlandszoll erhoben.

Bei einer Zollprüfung, die den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011 umfasste, stellte das Hauptzollamt D fest, dass für die Tanks keine Drittlandszölle erhoben worden waren, obwohl diese laut Hauptzollamt D sehr wohl hätten erfolgen müssen. Die importierten Waren der Klägerin seien nämlich keine „Waren aus Kohlenstofffasern“, da die Tanks aus einem Verbundwerkstoff (aus Kunststoffen, Metallen, Glasfasergeweben, Nomex und Kohlenstofffasern) bestehen und hauptsächlich im Flugzeugtyp X verbaut werden darf. Daher sei vielmehr die Warennummer „8803 3000 900“ für „Teile von Starrflügelflugzeugen“ zutreffend.

Das Hauptzollamt D erließ im Nachgang einen Einfuhrabgabenbescheid in Höhe von 8.008,45 €, da bei diesen Waren ein Drittlandszollsatz von 2,7 % nachträglich zu erheben sei. Die Klägerin klagte erfolglos gegen den Einfuhrabgabenbescheid und reichte anschließend eine Klage beim Finanzgericht Hamburg ein.

Das Finanzgericht wies die Klage zurück. Der Bundesfinanzhof hob jedoch das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Erforderlich seien vielmehr Feststellungen darüber, ob die Tanks nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften unverzichtbar für das Funktionieren von Flugzeugen sind. Nur dann könne eine Einstufung als „Teil“ erfolgen; die bloße Eignung zum Einbau in das Flugzeug sei nicht ausreichend.

Gerichtsentscheidung: Frisch- und Abwassertanks sind nach stofflicher Beschaffenheit einzureihen

Im zweiten Rechtsgang argumentierten die Klägerin und das Hauptzollamt D („Beklagte“) wie folgt:

  • die Klägerin trug vor, dass die importierten Tanks nicht ausschließlich für Luftfahrzeuge bestimmt sind und ihr wesentlicher Charakter durch Kohlefaser geprägt wird. Die Warennummer „6815 1010 000“ sei zutreffend.
  • die Beklagte argumentierte hingegen, dass die Tanks die Voraussetzungen für die Einreihung als Waren der Positionen 8801 und 8802 erfüllen. Sie seien wesentlich für die bestimmungsgemäße Nutzung der Flugzeuge des Typs X, da sie für die Beförderung und die damit verbundene Verpflegung von Fluggästen bestimmt sind, wofür ein Frischwasservorrat unabdingbar ist. Die Warennummer „8803 3000 900“ sei zutreffend.

Das Finanzgericht Hamburg entschied, dass die Tanks nicht als Teile eines Luftfahrzeugs in die Position 8802 KN fallen, sondern als „andere Waren aus Kunststoffen“ die Warennummer „3926 9097 900“ haben. Sowohl das Hauptzollamt als auch die Klägerin haben die Waren demnach falsch eingeordnet.

Die Begründung des Gerichts lautet:

  • die streitgegenständlichen Tanks sind für die Funktion eines Starrflügelflugzeuges nicht unabdingbar. Ein Flugzeug ist dafür bestimmt, als Fortbewegungsmittel zu dienen. Die Tanks sind lediglich dafür da, die sanitären Anlagen eines Flugzeugs für die Passagiere zu betreiben. Ohne die Tanks wäre die Nutzung eines Flugzeugs für die Passagiere durch die fehlenden sanitären Anlagen zwar weniger komfortabel, jedoch nicht unmöglich.
  • die Tanks bestehen aus verschiedenen Stoffen, wobei Kunststoffe, insbesondere Epoxidharz, den wesentlichen Charakter der Tanks ausmacht, da diese besonders fest sind und die Stabilität des Tanks gewährleisten. Die Einreihung erfolgte nach den allgemeinen Vorschriften AV 2 und AV 3.

Ungeachtet der abweichenden Einreihung im Einfuhrabgabenbescheid bleibt die Zollnacherhebung bestehen. Nach der Einreihung des Finanzgerichts Hamburg beträgt der nachträglich zu zahlende Drittlandzollsatz 6,5 %, was höher ist als der zuvor festgelegte Zollsatz von 2,7 %. Die Klägerin könne sich zudem nicht auf Vertrauensschutz berufen, da das Zollamt C keinem aktiven Irrtum unterlag. Der Bundesfinanzhof wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurück.

  • Wann liegt ein aktiver Irrtum vor?

    Ein aktiver Irrtum der Zollverwaltung liegt vor, wenn eine Zollanmeldung tatsächlich geprüft wurde und das Prüfungsergebnis als „richtig“ anschließend dem weiteren Verfahren zu Grunde gelegt wurde. Die bloße Übernahme der unzutreffenden Angaben des Zollanmelders reicht nicht aus.

Wie wirkt sich die Entscheidung auf künftige Zollverfahren und Importeure aus?

Die Entscheidung des Finanzgerichts schafft Klarheit über die zolltarifliche Einreihung von Waren. Entscheidend sind die objektiven Merkmale und Eigenschaften der Waren und nicht nur der Verwendungszweck.

  • Was sind die objektiven Merkmale einer Ware?

    • Physische Eigenschaften:
      • Stoffliche Beschaffenheit: die Materialzusammensetzung, Stabilität der Materialien
      • Design: Form, Gestalt oder Gewicht der Ware
    • Funktionale Eigenschaften:
      • Verwendungszweck der Ware
      • Unabdingbarkeit, d.h. sie sind unverzichtbar für das Funktionieren des Hauptgegenstandes

Darüber hinaus stellt das Urteil für die Zukunft klar, dass der Begriff „Teil“ im Zolltarif eng auszulegen ist. Eine Ware ist nur dann als Teil von etwas zu sehen, wenn sie für das Funktionieren des Ganzen unabdingbar ist.

Wenn eine Ware jedoch nicht als Teil eines Ganzen einzureihen ist, dann ist die stoffliche Beschaffenheit der Ware maßgeblich. Somit ist die Entscheidung nicht nur für Importeure von entsprechenden Frisch- und Abwassertanks von Bedeutung, sondern auch für Unternehmen aus anderen Bereichen. Die Entscheidung schafft Klarheit über die Einreihungspraxis von Waren in die Nomenklatur. Deshalb könnte es wichtig sein, sich damit auseinandersetzen und die Einreihungspraxis im eigenen Unternehmen zu überprüfen, um Nacherhebungen von Zöllen oder Verzugszinsen zu vermeiden. Idealerweise kann dies in Zusammenarbeit mit Zollberatern oder Fachanwälten im Zoll– und Außenhandelsrecht gewährleistet werden.

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Dieser Artikel wurde am 13. März 2025 erstellt.

Ihr Ansprechpartner

  • Anton Schmoll

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    ABC-Str. 21
    20354 Hamburg
  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.