Das Finanzgericht Hamburg hat entschieden, dass eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung auch dann gegeben ist, wenn die Waren gemäß den Vorgaben der aktiven Veredelung verarbeitet wurden, jedoch zuvor keine ordnungsgemäße Überführung in das besondere Zollverfahren erfolgte. Dies hat zur Konsequenz, dass eine Zollschuld entsteht.
Worum ging es in der Entscheidung?
In dem Urteil wehrte sich die Klägerin gegen einen Abgabenbescheid in Gestalt einer Einspruchsentscheidung, soweit hiermit EUZoll und Verzugszinsen für eine Schiffsladung rohes Palmöl festgesetzt wurden.
Die Klägerin betreibt Pflanzenölraffinerien in zwei Standorten in Norddeutschland, Hamburg und A. An beiden Standorten gibt es Lager, in denen regelmäßig Waren gelagert werden, die sich in vorübergehend Verwahrung befinden. Im maßgeblichen Zeitpunkt hatte die Klägerin zudem eine zollrechtliche Genehmigung für das besondere Verfahren der aktiven Veredelung.
Die Klägerin erwartete im September 2018 eine Schiffslieferung von 7.799.958 kg rohem Palmöl aus Indonesien.
Falsche Zollanmeldung
Obwohl das Palmöl nie körperlich nach Hamburg transportiert werden sollte, sondern in das Werk nach A wiesen das Zollamt D als Zollstelle der Registrierung, den im Bezirk des Zollamts gelegenen Ort Hamburg als Verwahrort aus. Die Ware befand sich stattdessen durchgehend im Lager des Zollamts A. Daher hatten die Mitteilungen beim Zollamt D keine rechtlichen Auswirkungen.
Da sich das Palmöl nie am angegebenen Ort befand, gilt die Zollanmeldung als nicht abgegeben, was rückwirkend die rechtlichen Konsequenzen der Annahme der Zollanmeldungen und der Überlassung der Ware aufhebt.
Klägerin handelte nicht vorsätzlich
Das Gericht und beide Parteien sind sich einig, dass die Klägerin keine absichtliche Täuschung begangen hat und demnach nicht böswillig handelte. Die entstandenen Fehler lassen sich vielmehr auf interne Änderungen im Unternehmen zurückführen, die sich auf die Zollanmeldung auswirkten. Zunächst hatte die Klägerin diese Unstimmigkeiten nicht bemerkt und erlangte erst Kenntnis davon, als sie die Mitteilung erhielt, dass die Waren vom Zollamt D freigegeben wurden. Zu diesem Zeitpunkt ging sie jedoch davon aus, dass das Palmöl ordnungsgemäß vom Zollamt D in das Verfahren der „Aktiven Veredelung“ überführt wurde. Sobald die Klägerin ihren Fehler bemerkte, nahm sie unverzüglich Kontakt zu den Zollämtern auf.
Jedoch liegt die Pflichtverletzung der Klägerin darin, dass sie es versäumte, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um den Fehler im Zusammenhang mit den Waren zu korrigieren. Insbesondere hat sie nach dem Feststellen des Verstoßes versäumt, die Waren beim zuständigen Zollamt anzumelden und erneut vorzustellen, da sie die Waren bereits verarbeitet hatte.
Kein Erlöschen der Zollschuld
Die Klägerin verteidigte sich zwar indem sie vortrug, dass es ihr objektiv unmöglich war, die Waren erneut vorzustellen, da sie zu der Zeit bereits verarbeitet wurden. Das Gericht argumentiert jedoch, dass der Gesetzgeber dies nicht berücksichtigt hat und dass im Rahmen des Unionszollkodex eine Fortexistenz der Ware oder die Beteiligung der Zollbehörden erforderlich ist. Daher liegt das Verschulden für das Verschwinden der Ware durch die Verarbeitung bei der Klägerin.
Die Zollschuld ist auch nicht dadurch erloschen, dass durch Aktive Veredelung, die hergestellte Ware nach der Verarbeitung exportier wurde. Gemäß Artikel 124 Absatz 1 Buchstabe k des Unionszollkodex erlischt eine entstandene Einfuhrzollschuld erst dann, wenn nachgewiesen wird, dass die Waren nicht nur verbraucht, sondern aus dem Zollgebiet der Union exportiert wurden.
Durch die Aktive Veredelung wurde die hergestellte Ware jedoch verbraucht und nicht physisch aus dem Zollgebiet herausgebracht. Daher liegt kein Erlöschen der Einfuhrzollschuld vor.
Wesentliche Punkte des Urteils
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Urteil und Begründung
Das Gericht erklärt, dass die Anfechtungsklage unbegründet ist und der Abgabenbescheid vom 12. Februar 2019 rechtmäßig ist. Der Bescheid betrifft die Festsetzung von ZollEU und Verzugszinsen auf ZollEU und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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Ermächtigungsgrundlage
Die Festsetzung von ZollEU basiert auf Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) Var. 2 UZK.
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Entstehung der Zollschuld
Gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) Var. 2 UZK entsteht die Einfuhrzollschuld, wenn eine in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegte Verpflichtung bezüglich des Entziehens von Waren aus der zollamtlichen Überwachung nicht erfüllt wurde. Die Klägerin hat das streitgegenständliche Palmöl der zollamtlichen Überwachung entzogen.
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Zollrechtliche Pflichtverletzung durch Entziehung
Die Klägerin hat das Palmöl durch die körperliche Gestellung und Abgabe der Summarischen Anmeldung beim Zollamt A in die Vorübergehende Verwahrung übernommen. Unmittelbar im Anschluss wurde die Ware vom Seeschiff entladen und im Werk der Klägerin verarbeitet, wodurch eine Kontrolle und zollamtliche Prüfung der Ware endgültig nicht mehr möglich war.
Die Pflichtverletzung tritt ein, wenn einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. -
Zollanmeldung gilt als nicht abgegeben
Die Klägerin hatte irrtümlich angenommen, dass die zollamtliche Überwachung fortgesetzt oder wiederhergestellt wurde, weil die Waren gemäß ihrer Bewilligung zur Aktiven Veredelung verarbeitet und ausgeführt wurden. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Ware zuvor nicht in das Verfahren der Aktiven Veredelung überführt wurde. Grund hierfür ist, dass irrtümlich beim Zollamt D abgegebenen vereinfachten Zollanmeldungen. Die Überführung hätte aufgrund der vorübergehenden Verwahrung bei Zollamt A erfolgen müssen, wo sich die Ware tatsächlich befand. Die vorzeitige Zollanmeldung zur Aktiven Veredelung nach Art. 171 UZK gilt als nicht abgegeben, da die Ware nicht innerhalb von 30 Tagen am angegebenen Ort gestellt wurde. Folglich entfallen rückwirkend die Rechtswirkungen der Zollanmeldung, einschließlich der Annahme durch die Zollbehörden und der Überlassung der Ware.
Dieser Artikel wurde am 13. Oktober 2024 erstellt. Er wurde am 19. Oktober 2024 aktualisiert
Ihr Ansprechpartner
Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.