Heiß diskutiert wurde bereits die jüngere Rechtsprechung, wonach europarechtswidrig erhobene Zölle nicht nur zu erstatten, sondern auch vom Zoll mit 6 % p.a. zu verzinsen sind. Die Verzinsung von Verbrauchsteuern (z.B. Stromsteuer, Energiesteuer, Tabaksteuer) stand hierbei bisher nicht im Fokus.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun in einem Beschluss entschieden, dass 6 % Zinsen auch auf eine Erstattung der Stromsteuer in Betracht kommen, wenn die Steuer europarechtswidrig festgesetzt worden ist.

Unternehmen, denen Verbrauchsteuern erstattet werden müssen, sollten daher prüfen, ob sie nicht zusätzlich Zinsen vom Zoll verlangen können.

Europarechtlicher Anspruch auf Zinsen bei falsch festgesetzter Steuer

In mehreren Urteilen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass ein Mitgliedstaat die Erstattung einer europarechtswidrig festgesetzten Steuer verzinsen muss.

Ein solcher Anspruch ist im Europarecht nicht ausdrücklich festgeschrieben und ergibt sich allein aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Zinsen sind dabei ab dem Tag der Zahlung bis zum Tag der Erstattung der Steuer zu zahlen.

Dieser Anspruch geht daher wesentlich weiter als der Anspruch auf Prozesszinsen nach deutschem Recht, der erst ab einer gerichtlichen Klage in Betracht kommt.

Der deutsche Zoll wehrt sich nach wie vor gegen eine Verzinsungspflicht bei Zollerstattungen und begründet dies damit, dass sich nach der Rechtsprechung Zinsen angeblich nur auf Fälle beschränken würden, in denen eine Antidumpingzollverordnung für nichtig erklärt worden sei.

Dabei hat der EuGH in mehreren Urteilen entschieden, dass nicht nur Zölle, sondern allgemein europarechtswidrig erhobene Steuern zu verzinsen sind.

Stromsteuer und Zinsen: Beschluss des BFH

Recht beiläufig hat der BFH nun den Zinsanspruch auch auf die Erstattung einer europarechtswidrig erhobenen Stromsteuer ausgeweitet (vgl. BFH-Beschluss VII R 17/18).

In diesem Verfahren hat ein energieintensiver Betrieb beim Zoll für das Aufladen von Akkumulatoren die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes beantragt. Der Zoll setzte daraufhin den regelmäßigen Steuersatz fest, verlor das anschließende Gerichtsverfahren und musste die Steuer erstatten. Auf die Erstattung verlangte die Klägerin anschließend Zinsen.

Für den BFH stellt sich in diesem Verfahren nun die Frage, ob der Zoll die Stromsteuer europarechtswidrig festgesetzt hat. Denn nur in diesem Fall wären nach Ansicht des BFH unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH Zinsen zu zahlen.

Die Besonderheit hier liegt jedoch darin, dass die Steuerermäßigung zunächst aus dem deutschen Stromsteuergesetz und nicht unmittelbar aus dem Europarecht folgt. Die entsprechende europarechtliche Richtlinie 2003/96 ermächtigte einen Mitgliedstaat zur Steuerermäßigung für energieintensive Betriebe, verpflichtete ihn jedoch nicht dazu (fakultative Steuerermäßigung).

Bei einer zwingenden (obligatorischen) Steuerermäßigung nach der Richtlinie, so der BFH, wäre ein Zinsanspruch gegeben.

Da jedoch die Richtlinie im Streitfall eine Steuerermäßigung nicht zwingend vorschreibt, neigt der BFH auch die Verzinsung der Erstattung abzulehnen. Hierbei gesteht er jedoch ein, dass es aus Sicht des Steuerpflichtigen egal ist, ob die Steuerermäßigung nach der Richtlinie fakultativ oder obligatorisch war. Denn dem Steuerpflichtigen steht der Steuerbetrag in beiden Fällen nicht zur Verfügung, was durch die Zinsen gerade kompensiert werden soll.

Daher legte der BFH dem EuGH im Wege des sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vor, ob Zinsen auch bei fakultativen Steuerermäßigungen zu zahlen sind.

Jetzt Zinsen bei Verbrauchsteuern beantragen

Unabhängig von der mit Spannung abzuwartenden Entscheidung des EuGH sollten Unternehmen schon jetzt prüfen, ob sie Zinsen auf Erstattungen von Verbrauchsteuern beantragen können. Denn zum einen folgt aus dem BFH-Beschluss, dass der ungeschriebene europarechtliche Zinsanspruch auch bei Verbrauchsteuern in Betracht kommt. Zum anderen folgt aus dem Beschluss, dass der Zinsanspruch insbesondere bei Verletzung von zwingenden Vorschriften des Europarechts begründet sein kann.

Zinsen müssten beim Zoll beantragt werden, da der Zoll wohl kaum von sich aus Zinsen zahlt. Gerichtlich bisher ungeklärt ist auch die Frage, wann der Zinsanspruch verjährt, sodass die Anträge möglichst kurzfristig gestellt werden sollten.

Unsere Zollanwälte stellen seit Jahren Zinsanträge für unsere Mandanten beim Zoll. Wir prüfen, ob sich in Ihrem Fall ein Zinsantrag lohnt.

Dieser Artikel wurde am 28. April 2020 erstellt. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.