Was ist ein ICP?
Im Hinblick auf eine globalisierte Wirtschaft mit zunehmenden Embargos und Verordnungen ist es für Unternehmen, die im Außenhandel tätig sind, besonders wichtig, die verschiedenen rechtlichen Vorgaben stets einzuhalten. Ein effektives innerbetriebliches Exportkontrollsystem hilft Unternehmen, bestehende Compliance-Risiken zu beseitigen und künftig solche Risiken zu vermeiden.
Die Abkürzung „ICP“ steht für den englischen Begriff „Internal Compliance Program“. Auf Deutsch bedeutet dies innerbetriebliche Exportkontrollsysteme, also firmeninterne Programme, die die Einhaltung gesetzlicher Regelungen kontrollieren und gewährleisten.
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Die Notwendigkeit zur Erstellung eines ICPs ergibt sich aus den folgenden Punkten:
- für den Export gelisteter Güter und das Außenwirtschaftsrecht: § 8 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz (AWG)
- für Nutzer von Sammelgenehmigungen und der allgemeinen Genehmigung Nr. EU007: EU-Dual-Use-Verordnung
- für Sonstiges: § 130 Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), allgemeine Sorgfaltspflichten der Unternehmensleitung gemäß § 93 des Aktiengesetzes (AktG) und § 43 des GmbH-Gesetzes (GmbHG)
Warum ein ICP wichtig für Unternehmen ist
Die Erstellung eines ICPs ist besonders für diejenigen Unternehmen relevant, die an der Außenwirtschaft beteiligt sind und sich mit Gütern mit kritischen Verwendungszwecken befassen. Es gilt zwischen dem gesetzlich vorgeschriebenen ICP und der Empfehlung zur Erstellung eines ICPs zu unterscheiden.
Wie unterscheidet man zwischen vorgeschriebenen ICPs und Empfehlungen zur Erstellung?
- Gesetzlich vorgeschrieben ist die Erstellung eines ICPs beim Handel mit Rüstungsgütern, bei der Nutzung von Sammelgenehmigungen oder der allgemeinen Genehmigung Nr. EU007
- Eine Empfehlung zur Erstellung eines ICPs ergibt sich vor allem für Unternehmen, die sich mit genehmigungspflichtigen Gütern befassen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die mit Dual-Use-Gütern oder Gütern mit kritischem Verwendungszweck handeln oder Geschäfte mit sanktionierten Ländern tätigen.
Kriterien für ein starkes ICP
Für ein starkes ICP ist ein ausgebautes „Compliance-Management-System“ (CMS) erforderlich, das folgende Punkte beinhalten muss:
- Die Unternehmensleitung muss die Ziele der Exportkontrolle anerkennen und aktiv durchsetzen
- Durchführung von Risikoanalysen
- Interne Organisation mit klaren Zuständigkeiten und Abläufen durch Einbindung betriebsinterner Organe
- Dokumentation von Unterlagen und Ergebnissen der Kontrollen
- Stärkung des Personals durch regelmäßige Schulungen und Sensibilisierungen
- Benennung eines Ausfuhrverantwortlichen, der das ICP installieren muss
- Benennung eines Exportkontrollbeauftragten
- klare Ansprechpartner innerhalb es Unternehmens benennen
- Einrichtung von verschiedenen Prüfstellen innerhalb des Unternehmens
- Kontrolle der Prozesse und Systeme (ICP-Audit) sowie ggf. Korrekturmaßnahmen
- Verbesserung der physischen und technischen Sicherheit
- Sanktionslistenprüfungen
Beachtenswert ist, dass das BAFA bei diesen Kriterien zwischen Muss-, Soll- und Kann-Vorschriften unterscheidet. Nicht alle oben gelisteten Punkte sind zwingend erforderlich, aber dennoch empfehlenswert.
Was ist eine Risikoanalyse?
Bei einer Risikoanalyse prüft das Unternehmen, welche Rechtsvorschriften im Außenwirtschaftsrecht gelten. In die Analyse fließen verschiedene Faktoren ein, wie die Größe oder die Struktur des Unternehmens sowie die Art der Güter, mit denen das Unternehmen sich befasst. Auch die Art der ausgeübten Geschäftstätigkeit oder die Art der Kunden des Unternehmens sind entscheidend.
Beispielhafter Aufbau eines ICPs
Der Aufbau des ICPs unterscheidet sich je nach Größe, Form und Struktur des Unternehmens. Ein Unternehmen kann eine zentrale oder dezentrale Struktur aufweisen.
Ein beispielhafter hierarchischer Aufbau könnte an der Spitze den Ausfuhrverantwortlichen (AV) haben, der stets Teil der Geschäftsführung oder des Vorstands sein sollte. An zweiter Stelle folgt der Exportkontrollverantwortliche. Ihm stehen verschiedene Ausfuhrbeauftragte zur Seite, die weitere Prüfstellen kontrollieren. Diese Prüfstellen können beispielsweise aus Mitarbeitern des Vertriebs, des Produktmanagements oder des Personalmanagements bestehen.
Wann wird ein ICP durch das BAFA überprüft?
Das BAFA überprüft ein ICP bei Einzelantragsverfahren, vor der Erteilung von Sammelgenehmigungen sowie im Zertifizierungsverfahren nach der Verteidigungsgüterrichtlinie.
Nach § 8 Abs. 2 AWG kann das BAFA im Einzelantragsverfahren die Genehmigungserteilung von der Qualität bzw. dem Vorhandensein eines ICPs abhängig machen, da die Erteilung einer Genehmigung von sachlichen und persönlichen Zuverlässigkeitsvoraussetzungen des Antragstellers abhängig ist.
Durch eine Sammelgenehmigung ist es dem Genehmigungsinhaber erlaubt, eine Vielzahl von Ausfuhren in verschiedene Länder durchzuführen, weshalb eine strengere Kontrolle erforderlich ist. Daher werden vor der Genehmigungserteilung durch das BAFA die Organisationsstruktur des Unternehmens einzelfallbezogen auf Vollständigkeit und Angemessenheit überprüft und das Unternehmen wird vor Ort besucht.
Das BAFA kann Unternehmen bei Vorliegen bestimmter Kriterien ein Zertifikat auf Grundlage der Verteidigungsgüterrichtlinie 2009/43/EG erteilen, wonach Unternehmen rüstungsrelevante Güter importieren und exportieren dürfen.
Was ist eine Zuverlässigkeitsprüfung?
Bevor eine Genehmigung erteilt wird, müssen verschiedene sachliche und persönliche Voraussetzungen des Antragstellers vorliegen. Der Antrag kann beispielsweise von der Zuverlässigkeit des Antragstellers abhängig gemacht werden (siehe § 8 Abs. 2 AWG).
Zuverlässigkeit bedeutet in diesem Sinne, dass die Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften garantiert werden kann. Bei Verdacht des BAFA, dass ein Unternehmen gegen das Außenwirtschaftsrecht verstoßen hat, wird eine Zuverlässigkeitsprüfung eingeleitet.
Die Prüfung kann dazu führen, dass keine Genehmigung erteilt wird oder bereits erteilte Genehmigungen zurückgezogen werden.
Der Antragsteller kann jedoch den Verlust der Zuverlässigkeit und seiner bereits bestehenden Genehmigung vermeiden, indem er mit der Behörde zur Aufklärung des Sachverhalts zusammenarbeitet und seine Organisationsstruktur verbessert.
Haftungsrisiken
Die Erstellung eines ICPs kann das Risiko für Unternehmen verringern, gegen das Außenwirtschaftsrecht zu verstoßen, was für sie von Vorteil ist. Bei Verstößen drohen nicht nur straf- und bußgeldrechtliche Haftungsrisiken, sondern auch zivilrechtliche Haftungsrisiken. Ein Verstoß kann nicht nur Kostenrisiken für Unternehmen verursachen, sondern auch zu einem Reputationsverlust führen, beispielsweise durch Exportskandale.
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Welche strafrechtlichen Haftungsrisiken könnten bestehen?
Die Straftatbestände des Außenwirtschaftsrechts sind in den §§ 17, 18 AWG zu finden. Der § 17 Abs. 1 AWG regelt Verstöße gegen Waffenembargos während § 18 Abs. 1 AWG spezifische Verstöße gegen EU-Embargos enthält. § 18 Abs. 2, 5 AWG enthält Regelungen zu Verstößen gegen die Genehmigungsvorbehalte der Außenwirtschaftsverordnung.
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Was sind mögliche Haftungsrisiken bei Ordnungswidrigkeiten?
Fahrlässige Verstöße gegen die Außenwirtschaftsverordnung oder gegen EU-Verordnungen gelten als Ordnungswidrigkeiten, die in § 19 AWG und §130 OWiG näher geregelt sind. Eine Selbstanzeige kommt nur bei fahrlässigen Verstößen in Betracht; dies gilt jedoch nicht für Ausfuhrkontrollverstöße (§§ 17, 18 AWG). Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ein kooperatives Verhalten gegenüber den Behörden sich positiv auf die Höhe der Strafe oder des Bußgeldes auswirken kann.
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Welche zivilrechtliche Haftungsrisiken gibt es?
Nicht nur natürliche Personen, sondern auch Unternehmen können durch Geldbußen und andere Sanktionen haften. Grundsätzlich haftet die Unternehmensleitung zivilrechtlich gegenüber dem Unternehmen. Dies ergibt sich aus § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG oder § 280 Abs. 1 BGB.
Ein ICP ist natürlich nur dann von Vorteil, wenn die Unternehmensprozesse genau analysiert und entsprechend in der Praxis umgesetzt werden. Es empfiehlt sich das ICP kurz und verständlich zu halten, damit es leichter in die Praxis umgesetzt werden kann.
Sollten jedoch bei der Umsetzung Fehler auftreten oder die Kontrollen nicht ordnungsgemäß funktionieren, können insbesondere bei den Überprüfungen durch das BAFA die oben genannten Haftungsrisiken realisiert werden.
Daher ist es wichtig, dass Unternehmen ihr ICP kontinuierlich verbessern und anpassen um rechtliche und finanzielle Folgen zu vermeiden. Dazu empfiehlt es sich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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Dieser Artikel wurde am 27. März 2025 erstellt.
Ihr Ansprechpartner
Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.