Unternehmen, die bestimmte unfertige Produkte einführen, können von Zollaussetzungen profitieren. Der Grund hierfür war, dass bestimmte gelistete Waren in der Europäischen Union bisweilen gar nicht oder nur in unzureichender Menge hergestellt wurden. Insofern konnte der Bedarf Wirtschaftszweige, die die Ware verwenden, nicht ausreichend gedeckt werden. So hat die Europäische Kommission im Jahr 2013 z.B. die Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 zur Zollaussetzung in Bezug auf bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren erlassen. Darunter fallen auch bestimmte unfertige Waren.
Oft wird die betroffene Ware aus nichteuropäischen Ländern wie China in die EU versandt, um dann vom europäischen Hersteller zum Endprodukt weiterverarbeitet zu werden. Dieser Prozess ist kennzeichnend für sogenannte Halbfertigprodukte.
Die Verordnung wurde angesichts der geänderten wirtschaftlichen Bedingungen und Änderungen in Bezug auf die Warenbezeichnung, die Einreihung, die Zollsätze oder die Anforderung einer Endverwendung durch die neue Verordnung (EU) 2016/2390 entsprechend abgeändert und ergänzt.
Diese listet Halbfertigprodukte, also Waren, deren Herstellung gegenwärtig in der Union nicht oder nur in unzureichender Menge gewährleistet werden kann. Hier liegt es im Interesse der Europäischen Union, die autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für diese Waren vollständig auszusetzen.
Zollvergünstigung bei Halbfertigwaren im Rahmen der Endverwendung
Voraussetzung einer Halbfertigware ist dabei stets, dass sie dieselben wesentlichen Eigenschaften aufweist, wie das fertige oder fertiggestellte Endprodukt. Diese wird dann mit entsprechender Kennzeichnung in dieselbe Zolltarifnummer wie das Fertigprodukt eingereiht.
Unabhängig von Rohstoffen oder aufgrund von Kapazitätenmangel in der EU können Halbfertigwaren vom Zoll befreit werden. Hier kann es unter Umständen streitig sein, ob es sich um ein Halbfertigprodukt handelt oder nicht und ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Wichtig ist, dass im Regelfall bei Halbfertigprodukten nur dann eine Zollbefreiung gewährt wird, wenn das Zollverfahren der Endverwendung genutzt wird. Der Zoll kontrolliert im Verfahren der Endverwendung, ob tatsächlich eine Weiterverarbeitung der Ware erfolgt. Wenn diese Bewilligung nicht vorliegt, kann das Unternehmen nicht von der Zollbefreiung profitieren. Die Endverwendung muss förmlich beim Zoll beantragt und bewilligt werden.
Beispielhaft für unfertige Produkte und eine Zollaussetzung seien digitale Videorekorder der Zolltarifnummer 8521 90 00 20 genannt, die in der Verordnung aus 2016 gelistet ist und von einer Zollaussetzung profitieren. Unter die Zolltarifnummer 8521 90 00 20 fällt folgende Ware:
Digitaler Videorekorder zur Verwendung bei der Herstellung von CCTV-Überwachungssystemen
- ohne Festplatte,
- mit oder ohne DVD-RW-Laufwerk,
- mit Bewegungsmelder oder Bewegungsmeldungsfunktion durch IP-Connectivity über LAN-Connector
- mit oder ohne serielle USB-Schnittstelle
Hier wird die Ware also ausdrücklich als ein digitaler Videorekorder ohne Festplatte definiert. Insofern handelt es sich um ein halbfertiges Produkt.
Für diese digitalen Videorekorder ohne Festplatte sieht die Verordnung zur Zollaussetzung aber explizit vor, dass bei der Einfuhranmeldung eine Bewilligung zur Endverwendung vorhanden sein muss. Anderenfalls scheidet eine Zollvergünstigung aus.
Dieser Artikel wurde am 11. Mai 2020 erstellt. Er wurde am 19. Oktober 2024 aktualisiert
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Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.