Nebenveredelungserzeugnisse

Fühlen Sie sich als Geschäftsführer manchmal im undurchdringlichen Dschungel der Zollvorschriften gefangen? Ein Gefühl des Kontrollverlusts, besonders wenn es um scheinbar unwichtige Nebenprodukte geht, ist weit verbreitet. Doch ist Ihnen bewusst, dass Fehler bei der Anmeldung von Reststoffen oder Nebenprodukten zu erheblichen Nachzahlungen und sogar zur persönlichen Haftung führen können? Dieser Artikel ist Ihr klarer, juristisch fundierter Fahrplan, der speziell für Geschäftsführer und Zollverantwortliche im Mittelstand entwickelt wurde, um genau diese Risiken zu eliminieren. Mit über 38 Jahren Erfahrung in der Beratung zur internationalen Lieferkette wissen wir bei O&W Rechtsanwaltsgesellschaft, wo die Fallstricke liegen und wie Sie sie umgehen. Unser Ziel ist es, Nebenveredelungserzeugnisse (NVE) von einer lästigen Pflicht in einen kalkulierbaren, strategischen Vorteil zu verwandeln – für mehr Rechtssicherheit, optimierte Kosten und die „Peace of Mind“ der Geschäftsführung.

Was sind Nebenveredelungserzeugnisse (NVE) wirklich? Eine rechtssichere Einordnung

Um Risiken zu managen, müssen wir zunächst verstehen, worüber wir sprechen. Die korrekte Klassifizierung von Erzeugnissen, die in einem Produktionsprozess anfallen, ist der erste und wichtigste Schritt zur Rechtssicherheit.

Rechtliche Definition: Haupt- vs. Nebenveredelungserzeugnisse gemäß Unionszollkodex

Der Unionszollkodex (UZK) definiert Veredelungserzeugnisse als Waren, die aus einem Veredelungsvorgang hervorgehen. Die entscheidende Unterscheidung liegt im Zweck des Verfahrens:

  • Hauptveredelungserzeugnisse (HVE): Dies sind die Produkte, für deren Herstellung das Veredelungsverfahren (z. B. die aktive Veredelung) durchgeführt wurde. Sie sind der beabsichtigte Zweck der Produktion.
  • Nebenveredelungserzeugnisse (NVE): Diese fallen zwangsläufig und unbeabsichtigt neben den Hauptprodukten an. Laut der Definition von Veredelungserzeugnissen im Gabler Wirtschaftslexikon sind sie ein unvermeidbares Resultat des Herstellungsprozesses.

Typische Beispiele aus dem Unternehmensalltag: Von Metallspänen bis zu chemischen Reststoffen

Aus unserer anwaltlichen Praxis kennen wir unzählige Beispiele, die dieses Konzept greifbar machen und die breite Relevanz unterstreichen:

  • Beispiel 1 (Maschinenbau): Ein Unternehmen importiert Stahlblöcke unter aktiver Veredelung, um präzise Motorkomponenten (Hauptveredelungserzeugnis) zu fräsen. Die dabei entstehenden Metallspäne sind klassische Nebenveredelungserzeugnisse.
  • Beispiel 2 (Textilindustrie): Stoffballen werden eingeführt, um daraus Kleider (Hauptveredelungserzeugnis) zuzuschneiden. Die anfallenden Stoffreste sind die Nebenveredelungserzeugnisse.

Diese „Reste“ sind zollrechtlich hochrelevant und dürfen nicht einfach als Abfall entsorgt werden, ohne sie zollrechtlich korrekt zu behandeln.

Die wirtschaftliche Bedeutung: Warum eine korrekte Klassifizierung entscheidend ist

Die Nichtbeachtung von NVE führt schnell zu finanziellen Verlusten. Für Nebenveredelungserzeugnisse fallen unter bestimmten Umständen Zollabgaben an, deren Höhe von der korrekten Einreihung in den Zolltarif abhängt.

  • Kostenrisiko: Eine falsche Zolltarifnummer für Späne oder Reste kann bei einer Zollprüfung zu empfindlichen Nachzahlungen und Säumniszinsen führen.
  • Chance zur Optimierung: Eine bewusste und strategische Handhabung von NVE kann jedoch auch zu einer legalen Zolloptimierung führen. Werden die NVE beispielsweise wiederausgeführt oder in ein anderes Zollverfahren überführt, können Abgaben vermieden werden.

Die korrekte Abwicklung in der Praxis: NVE in ATLAS sicher anmelden

Die Anmeldung von Nebenveredelungserzeugnissen erfolgt über das IT-System ATLAS. Ein strukturierter Prozess ist hierbei der Schlüssel, um Fehler zu vermeiden.

Vorbereitung: Notwendige Daten und Codierungen für die Anmeldung

Bevor Sie eine Anmeldung in ATLAS vornehmen, müssen folgende Informationen vorliegen:

  • Zolltarifnummer für das NVE: Diese unterscheidet sich fast immer von der des Hauptprodukts.
  • Gewicht und Wert: Der Wert der NVE muss realistisch ermittelt werden.
  • Verbleib: Was soll mit den NVE geschehen (z.B. Verkauf im Inland, Wiederausfuhr)?

Für weiterführende Details stellt der Zoll amtliche Informationen zur Aktiven Veredelung bereit, die als verlässliche Quelle dienen.

Schritt-für-Schritt-Anleitung: Die Anmeldung von NVE im ATLAS-System

Die Anmeldung selbst folgt einer klaren Logik. Halten Sie sich an diese Schritte, um die häufigsten Fehlerquellen zu umgehen:

  1. Verfahrensauswahl: Wählen Sie das korrekte Folgeverfahren für die NVE. Soll das Nebenprodukt in den freien Verkehr überführt und verkauft werden, ist dies die passende Wahl. Alternativ kommen auch die Wiederausfuhr oder die Vernichtung unter zollamtlicher Überwachung infrage.
  2. Dateneingabe in ATLAS: Tragen Sie die spezifischen Daten für das NVE in die entsprechenden Felder der ATLAS-Maske ein. Dies umfasst eine eigene Warenbezeichnung (z. B. „Stahlspäne“), die ermittelte Zolltarifnummer (TARIC-Code), das Gewicht und den Wert.
  3. Abschluss und Dokumentation: Geben Sie den Verbleib der NVE korrekt an und schließen Sie die Anmeldung ab. Die lückenlose Dokumentation dieses Vorgangs ist entscheidend für spätere Prüfungen.

Häufige Fehlerquellen in ATLAS und wie Sie sie proaktiv vermeiden

Aus unserer Erfahrung als Anwälte für Zollrecht kristallisieren sich immer wieder dieselben Fehler heraus:

  • Fehler 1: Falsche Tarifklassifizierung: Oft wird versucht, die Zolltarifnummer des Hauptprodukts auch für das Nebenprodukt zu verwenden. Tipp aus der Praxis: Klassifizieren Sie NVE immer als eigenständige Ware. Metallspäne sind tariflich etwas anderes als das daraus gefertigte Bauteil.
  • Fehler 2: Fehlende Dokumentation: Der Verbleib der NVE wird nicht sauber dokumentiert. Tipp aus der Praxis: Führen Sie genaue Aufzeichnungen darüber, ob die Reste verkauft, recycelt oder zerstört wurden. Jeder Schritt muss nachweisbar sein.
  • Fehler 3: Falscher Wertansatz: Der Wert der Nebenprodukte wird mit Null angesetzt, obwohl sie einen Marktwert (z.B. Schrottwert) haben. Tipp aus der Praxis: Ermitteln Sie einen realistischen Wert. Dies kann der erzielte Verkaufspreis oder ein branchenüblicher Schrottpreis sein.

Risikomanagement für Geschäftsführer: Persönliche Haftung bei Zollverstößen vermeiden

Die korrekte Abwicklung von NVE ist nicht nur eine Frage der Kosten, sondern ein zentraler Baustein des Risikomanagements zur Vermeidung der persönlichen Haftung der Geschäftsführung.

Die Rechtsgrundlage: Wann Geschäftsführer nach § 69 AO persönlich haften

Geschäftsführer haften persönlich für verkürzte Zölle und Steuern, wenn sie ihre Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen.

Strategien zur Exkulpation: Ein Internes Kontrollsystem (IKS) für Zollprozesse

Die wirksamste Strategie zur Entlastung (Exkulpation) ist der Aufbau eines dokumentierten Internen Kontrollsystems (IKS) für alle Zollangelegenheiten. Dieses System beweist, dass Sie als Geschäftsführer Ihrer Organisationspflicht nachgekommen sind. Kernelemente sind:

  1. Klare Prozessbeschreibungen: Wer macht was, wann und wie bei der Erfassung und Anmeldung von NVE?
  2. Definierte Verantwortlichkeiten: Benennen Sie einen oder mehrere Zollverantwortliche.
  3. Regelmäßige Schulungen: Sorgen Sie dafür, dass das zuständige Personal auf dem neuesten Stand ist.
  4. Vier-Augen-Prinzip: Führen Sie Kontrollmechanismen für kritische Anmeldungen ein.

Als Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht mit über 13 Jahren Erfahrung hat Dr. Tristan Wegner bereits zahlreiche Mittelständler bei der Implementierung solcher Systeme unterstützt, um die Geschäftsführung wirksam zu entlasten.

Dokumentation als Schutzschild: Nachweis der Erledigung und Sorgfaltspflicht

Betonen Sie die Wichtigkeit einer lückenlosen Dokumentation über den gesamten Veredelungsprozess. Insbesondere die Nachweise zur Erledigung des Veredelungsverfahrens sind im Falle einer Zollprüfung Ihr entscheidendes Schutzschild. Mit dieser Dokumentation belegen Sie, dass Ihr Unternehmen und seine Leitung der gesetzlichen Sorgfaltspflicht nachgekommen sind.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)


  • Was sind Nebenveredelungserzeugnisse?

    Nebenveredelungserzeugnisse sind Erzeugnisse, die bei einem Veredelungsvorgang zwangsläufig neben den beabsichtigten Hauptveredelungserzeugnissen anfallen. Ein prägnantes Beispiel hierfür sind Sägespäne bei der Möbelherstellung.


  • Wie können Geschäftsführer ihre persönliche Haftung im Zollrecht reduzieren?

    Geschäftsführer können ihre persönliche Haftung reduzieren, indem sie ein internes Kontrollsystem für Zollprozesse einrichten und ihre Organisations- und Überwachungspflichten nachweislich erfüllen. Dazu gehören insbesondere das Erteilen klarer Anweisungen, die Durchführung von Schulungen und die sorgfältige Auswahl des zuständigen Personals.


  • Was sind typische Fehler bei der aktiven Veredelung?

    Typische Fehler sind die falsche Zolltarif-Einreihung von Haupt- und Nebenprodukten, eine unzureichende Dokumentation des Warenverbleibs und das Versäumen von Fristen zur Erledigung des Verfahrens. Konkret werden oft folgende Fehler begangen:

    • Falsche Zolltarifnummer für NVE
    • Unzureichende Aufzeichnungen über den Verbleib
    • Unkorrekter Wertansatz für die Nebenprodukte


  • Wie werden NVE in der Zollanmeldung korrekt angegeben?

    NVE werden korrekt angegeben, indem sie in der Zollanmeldung mit ihrer eigenen, korrekten Zolltarifnummer, ihrem Wert und Gewicht deklariert und mit den entsprechenden Codes als Nebenprodukt gekennzeichnet werden. Dies geschieht in der Regel über IT-Systeme wie ATLAS.


Fazit: Vom Risiko zur Ressource – Übernehmen Sie die Kontrolle

Die strategische und rechtssichere Handhabung von Nebenveredelungserzeugnissen ist kein administratives Übel, sondern ein entscheidender Hebel zur Kostenoptimierung und Risikominimierung.

Die drei wichtigsten Erkenntnisse sind:

  1. Klassifizieren: NVE müssen als eigenständige Produkte mit eigener Zolltarifnummer und eigenem Wert korrekt eingereiht werden.
  2. Anmelden: Die Anmeldung in ATLAS folgt klaren Regeln, die unbedingt eingehalten werden müssen, um Nachforderungen zu vermeiden.
  3. Schützen: Ein Internes Kontrollsystem (IKS) für Zollprozesse ist der effektivste Weg, die Geschäftsführung vor dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit und damit vor der persönlichen Haftung zu schützen.

Wollen Sie Zollprozesse rechtssicher gestalten und Haftungsrisiken für die Geschäftsführung minimieren? Kontaktieren Sie uns für eine Erstberatung.

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Dieser Artikel wurde am 14. November 2025 erstellt. Er wurde am 16. November 2025 aktualisiert

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  • Dr. Tristan Wegner

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  • Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.