Das Finanzgericht Hamburg hat in einer von O&W erstrittenen wegweisenden Entscheidung die Voraussetzungen für die Erhebung von Antidumping- und Ausgleichszöllen auf Glaseinfuhren aus China präzisiert. Demnach unterliegt importiertes Glas nur dann den Zöllen, wenn es nicht nur die technischen Spezifikationen von Solarglas erfüllt, sondern auch potenziell für Fotovoltaikmodule oder thermische Solarkollektoren verwendet werden kann.

Grundsatzentscheidung zur Auslegung der EU-Durchführungsverordnung

Im konkreten Fall ging es um Vitrinenglas, das die technischen Eigenschaften von Solarglas aufwies, aufgrund seiner Verarbeitung jedoch nicht für Solarzwecke einsetzbar war. Das beklagte Hauptzollamt hatte für diese Einfuhren Antidumping- und Ausgleichszölle festgesetzt und sich dabei auf die EU-Durchführungsverordnung 2023/1033 berufen, die den Anwendungsbereich der Zollmaßnahmen präzisiert.

Technische Spezifikationen allein nicht ausreichend

Das Gericht stellte klar, dass die bloße Erfüllung der technischen Kriterien – wie etwa ein Eisengehalt von weniger als 300 ppm und eine solare Transmission von mehr als 88 % – nicht ausreicht, um die Zollpflicht zu begründen.

Entscheidend sei vielmehr die potenzielle Verwendbarkeit des Glases für Solaranwendungen.

Diese Auslegung entspreche dem ursprünglichen Zweck der Antidumping- und Ausgleichszollmaßnahmen, die speziell zum Schutz der europäischen Solarglashersteller eingeführt wurden.

Rechtliche Würdigung der Verordnungsänderung

Die Richter setzten sich eingehend mit der Frage auseinander, ob die neue Durchführungsverordnung 2023/1033 eine Erweiterung des Anwendungsbereichs bewirkt. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Verordnung lediglich eine Präzisierung, aber keine Ausweitung der betroffenen Warengruppe darstellt. Die Formulierung im verfügenden Teil der Verordnung, wonach die Maßnahmen ‚Solarglas‘ betreffen, impliziere weiterhin die Notwendigkeit einer potenziellen Verwendbarkeit in der Solarindustrie.

Bedeutung für Importeure und Zollbehörden

Das Urteil hat erhebliche praktische Auswirkungen für den Glasimport aus China. Importeure können sich nun darauf berufen, dass Glas, welches zwar die technischen Spezifikationen erfüllt, aber aufgrund seiner Verarbeitung oder Beschaffenheit nicht als Solarglas verwendbar ist, von den Zöllen ausgenommen ist. Dies gilt beispielsweise für speziell zugeschnittenes oder bearbeitetes Vitrinenglas.

Praxisrelevanz für die Zollabwicklung

Die Entscheidung schafft wichtige Klarheit für die Zollpraxis. Bei der Einfuhrabfertigung muss künftig nicht nur geprüft werden, ob das importierte Glas die technischen Parameter erfüllt, sondern auch, ob es grundsätzlich für Solaranwendungen geeignet wäre. Dies erfordert eine differenziertere Betrachtung der Wareneigenschaften und deren Verwendungsmöglichkeiten.

Rechtliche Einordnung der Entscheidung

Das Gericht stützt seine Auslegung auf die Systematik des EU-Antidumpingrechts und betont, dass nur solche Waren von Antidumpingmaßnahmen erfasst sein können, die auch Gegenstand der ursprünglichen Untersuchung waren. Die Entscheidung steht damit im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der wiederholt die Bedeutung einer präzisen Warenbeschreibung in Antidumpingverordnungen hervorgehoben hat.

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Dieser Artikel wurde am 8. November 2025 erstellt.

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  • Anton Schmoll

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.