Einreihung von Bandschleifmaschinen aus Graphit

Ein Graphit-Gleitbelag für Bandschleifmaschinen ist nach dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 29. Mai 2024 (4 K 148/21) als bestrichenes oder überzogenes Gewebe des Kapitels 59 KN und nicht als mineralisches Erzeugnis des Kapitels 68 einzureihen.
Damit greift die Zolltarifnummer 5907 0000 90. Unternehmen, die den Belag bisher als Maschinenteil oder unter Kapitel 68 angemeldet haben, müssen mit Nacherhebungen rechnen. Zugleich verschiebt sich der Fokus der Zollbehörden weg von der Maschinenfunktion hin zu objektiven Textilmerkmalen und dem konkreten Beschichtungsverfahren. Künftige Einreihungskonzepte und Preiskalkulationen sollten diese Neubewertung berücksichtigen, um finanzielle Risiken sowie Bußgelder zu vermeiden und Lieferketten stabil zu halten.

Kernentscheidung des FG Hamburg

Das Gericht stellte fest, dass die streitige Rollenware zunächst aus einem Textilgewebe besteht, das im Produktionsprozess vollständig mit Graphit beschichtet wird. Die spezielle Kollisionsregel in Anmerkung 1 c zu Kapitel 68 verdrängt damit eine Einreihung als „Andere Waren aus Graphit“ oder als Reibungsbelag unter 6813 KN. Mangels Unverzichtbarkeit für das technische Funktionieren der Bandschleifmaschine lehnte das Gericht zudem eine Zuordnung als Teil oder Zubehör im Sinne der Position 8466 KN ab. Entscheidend war allein der fertigungsbedingte Charakter als beschichtetes Gewebe, der klar in Kapitel 59 fällt.

Hintergrund: Warum der Graphit-Belag als Gewebe gilt

Der Beschichtungsvorgang verbindet Graphitpartikel dauerhaft mit dem Trägergewebe. Aus Sicht des Zolls bleibt das Grundmaterial deshalb ein Textilerzeugnis, auch wenn der Überzug dick ist und die Gleitfunktion prägt. Die objektive Materialstruktur überwiegt jedes funktionsbezogene Argument und führt zur Anwendung der Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 in Verbindung mit Kapitelanmerkung 1 c.

Auswirkungen auf Warenkalkulation und Zollabgaben

Durch die neue Einreihung greift der Drittlandszollsatz für Waren der Unterposition 5907 0000 90. Liegt dieser höher als der bisher verwendete Satz aus Kapitel 68 oder Kapitel 84, erhöhen sich Einfuhrabgaben und gegebenenfalls Einfuhrumsatzsteuer. Bestandsprüfungen der Zollverwaltung können Nachforderungen samt Verzugszinsen auslösen. Gleichzeitig steigen Haftungs- und Bußgeldrisiken, falls fehlerhafte Tarifierungen auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen.

Sofortmaßnahmen für Zollverantwortliche

  • Bestimmen Sie, ob in Ihren Einfuhren Graphit-Gleitbeläge oder ähnliche beschichtete Gewebe enthalten sind.
  • Vergleichen Sie die aktuell verwendete Warennummer mit 5907 0000 90 TARIC und ermitteln Sie den korrekten Zollsatz.
  • Archivieren Sie technische Datenblätter, Prozessbeschreibungen und Materialanalysen zum Belag, um Ihre Einreihung im Prüffall belegen zu können.
  • Aktualisieren Sie Kalkulations- und Verkaufspreise, wenn höhere Abgaben anfallen, und kommunizieren Sie Änderungen intern an Einkauf, Vertrieb und Controlling.

Fazit

Das Finanzgericht Hamburg verlagert die Tarifierung von Graphit-Gleitbelägen eindeutig in Kapitel 59. Unternehmen müssen ihre Waren- und Zollstammdaten rasch anpassen, sonst drohen Nachzahlungen und empfindliche Sanktionen. Eine sorgfältige Dokumentation des Beschichtungsverfahrens ist künftig unverzichtbar.

FAQ

Gilt das Urteil sofort für alle EU-Zollstellen?
Es entfaltet lediglich Bindungswirkung im konkreten Verfahren, wird aber erfahrungsgemäß von anderen Zollbehörden herangezogen. Eine EU-weites Vorgehen ist deshalb zu erwarten.

Kann ich meine frühere Anmeldung berichtigen?
Ja. Innerhalb der Einspruchs- oder Änderungsfristen können Bescheide unter Hinweis auf das Urteil angepasst werden.

Welche Unterlagen fragt der Zoll besonders nach?
Technische Zeichnungen, Materialgutachten, Angaben zur Beschichtung und Nachweise über den Produktionsablauf.

Ist eine Revision anhängig?
Zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung wurde kein Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof angezeigt.

Haben Sie Fragen zu Einreihungen in Zolltarife? Unsere erfahrenen Anwälte helfen Ihnen gerne weiter.

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Dieser Artikel wurde am 31. Juli 2025 erstellt. Er wurde am 07. August 2025 aktualisiert

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  • Anton Schmoll

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.