 
            Unternehmen, die noch Geschäfte mit Russland oder russischen Endkundenverbindungen unterhalten, geraten immer stärker ins Visier der Strafverfolgung. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat Mitte Mai 2025 einen Leitfaden veröffentlicht, der die gängige Strafpraxis bei Sanktionsverstößen erläutert und zugleich neue Offenlegungspflichten betont. Parallel zeigen drei aktuelle Gerichtsentscheidungen Haftstrafen im mehrjährigen Bereich auf. Die Botschaft ist eindeutig: Wer Ausfuhrlisten, Umleitungsrisiken oder Finanzsanktionen ignoriert, riskiert empfindliche Sanktionen bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Verantwortliche in Außenhandel, Finanzen und Compliance müssen deshalb unverzüglich ihre internen Prozesse prüfen und auf ein deutlich schärferes Vollzugsumfeld ausrichten.
Neuer BMWK-Leitfaden konkretisiert Melde- und Aufklärungspflichten
Der Leitfaden betont eine aktive Aufklärungspflicht: Unternehmen müssen potenzielle Umgehungsstrukturen, etwa Lieferungen an scheinbar neutrale Zwischenhändler mit erkennbarer Endverbleibsgefahr, offenlegen und dokumentieren. Stützt sich ein Ermittlungsverfahren auf Art. 6b der Russland-Verordnung, kann bereits die fehlende Informationsweitergabe als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Compliance-Abteilungen sollten prüfen, ob ihr Screening-System diese erweiterten Dokumentationsanforderungen abbildet.
Aktuelle Urteile verdeutlichen die Höhe möglicher Strafen
- OLG Stuttgart: Mehrjährige Haftstrafe wegen Lieferung elektronischer Bauteile nach Russland
- OLG Stuttgart: Sieben Jahre Gesamtfreiheitsstrafe für mehrfaches Handeln entgegen dem Außenwirtschaftsgesetz
- LG Frankfurt (Oder): Sechs und vier Jahre Haft für die unzulässige Ausfuhr von Fahrzeugen nach Russland
Diese Entscheidungen belegen, dass Gerichte bei systematischen Verstößen längst keine Bewährungsstrafen mehr verhängen, sondern erhebliche Freiheitsstrafen aussprechen. Besonders relevant: Es genügt, wenn die Beschuldigten mit Eventualvorsatz handelten, also Risiken billigend in Kauf nahmen.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
- Interne Sanktions- und Endverbleibskontrollen auf potenzielle Umgehungsketten ausweiten
- Liefer- und Zahlungsbedingungen um Klauseln zur Offenlegung verdächtiger Zwischenhändler ergänzen
- Zahlungsströme unterhalb der Schwellenwerte für Finanzsanktionen ebenfalls auf Russland-Bezug prüfen
- Dienstreise-Richtlinien aktualisieren und Bargeldlimits dokumentieren
- Schulungen anbieten, die aktuelle Urteile und den BMWK-Leitfaden praxisnah erklären
Fazit
Die Kombination aus neuen Leitlinien und strenger Rechtsprechung markiert eine neue Phase der Russland-Sanktionsdurchsetzung. Unternehmen müssen spätestens jetzt umfassende Risiko- und Informationspflichten implementieren, da Unwissenheit oder formale Nachlässigkeit vermehrt in hohe Haftstrafen umschlägt. Wer Transparenz schafft und Umgehungsversuche konsequent dokumentiert, sichert Lieferketten und Reputation.
FAQ
Gelten die neuen Offenlegungspflichten auch für indirekte Exporte über Drittländer?
Ja, der Leitfaden betont ausdrücklich, dass Umwege über Drittstaaten offenzulegen sind, wenn ein Russland-Bezug erkennbar bleibt.
Kann ich mich auf eine Bewährungsstrafe verlassen, wenn es sich um ein Erstvergehen handelt?
Die jüngsten Urteile zeigen, dass Gerichte selbst bei Ersttätern nicht zwingend Bewährung gewähren, wenn der Verstoß gravierend ist oder hohe Warenwerte betroffen sind.
Haben Sie Fragen zu Russland-Sanktionen? Unsere erfahrenen Anwälte helfen Ihnen gerne weiter.
Dieser Artikel wurde am 22. Juli 2025 erstellt.
Ihr Ansprechpartner
Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.
 
                                            