Damit die Wirtschaftsbeteiligten eine Ware weltweit auch möglichst unter derselben Zolltarifnummer einreihen und damit einen einheitlichen Rechtsverkehr und Rechtssicherheit schaffen, gibt es sogenannte Allgemeine Vorschriften (AV) für die Auslegung des Harmonisierten Systems.

Daneben existieren im Übrigen aber noch weitere Einreihungsregelwerke wie Verordnungen, Hinweise und Anmerkungen zu den einzelnen HS-Kapiteln und Abschnitten und vor allem Rechtsprechung auf europäischer und nationaler Ebene, die Unternehmen bei der Einreihung ihrer Ware beachten müssen.  

Die Allgemeinen Vorschriften wurden als Gesetz von der Weltzollorganisation (WZO) erlassen und stellen quasi das Grundgesetz der zolltariflichen Einreihung von Waren dar. Alle Länder, die das HS anwenden und deren Wirtschaftsbeteiligte müssen sich also zwingend an die Vorgaben der Allgemeinen Vorschriften halten – sie sind für alle verbindlich!

Weil die die Wahl der richtigen Zolltarifnummer von den Allgemeinen Vorschriften und vielen anderen rechtlichen und oft komplizierten Auslegungsmethoden abhängt, braucht es viel Erfahrung im Zollrecht und Fingerspitzengefühl bei der richtigen Warendefinition. Darum empfehlen wir hier die Beratung durch einen Anwalt im Zollrecht.

Fragen zu den Allgemeinen Vorschriften im Zolltarif?

Unsere Anwälte bei O&W aus dem Zollrecht unterstützen Sie und Ihr Unternehmen und klären alle offenen Fragen rund um die rechtlichen Vorgaben im Zolltarif und helfen bei der Wahl der richtigen Zolltarifnummer. Sie erreichen unsere Anwälte telefonisch unter +49 40 369615-0.

Warum gibt es Allgemeine Vorschriften?

Wie bereits erwähnt, soll eine Ware weltweit möglichst unter derselben Zolltarifnummer in das Harmonisierte System eingereiht werden. Um für eine einheitliche Einreihungspraxis zu sorgen, hat die Weltzollorganisation daher mit den Allgemeinen Vorschriften ein Regelwerk erlassen, das sich weltweit im exakten Wortlaut in den jeweiligen Zolltarifen der Länder wiederfindet.

Die Allgemeinen Vorschriften für den Zolltarif haben folgende Aufgaben:

  • Rangfolge festlegen
  • Bedeutung der einzelnen Warenbestandteile, z.B. die stoffliche Beschaffenheit, Verwendungszweck und Funktion der Waren festlegen
  • Einreihung von Waren in die zutreffende Zolltarifnummer
  • Klärung von Konkurrenzproblemen bei mehreren möglichen Zolltarifnummern

Allgemeinen Vorschriften 1 bis 6 zur Auslegung der KN

Insgesamt gibt es 6 einzelne Allgemeine Vorschriften, die wiederum in einzelne Unterüberschriften unterteilt sind.

Die Wareneinreihung erfolgt numerisch, das heißt grundsätzlich gilt folgendes Schema:

  1. Sie beginnen mit der AV 1.
  2. Wenn danach keine Einreihung möglich ist, folgt AV 2.
  3. Danach folgt AV 3.
  4. etc.

Allerdings erfolgen rund 95 Prozent der Warentarifierungen mithilfe der Allgemeinen Vorschriften 1 und 6. Ist das nicht möglich, werden die Allgemeinen Vorschriften 2 – 5 in der entsprechenden Reihenfolge angewandt.

Was aber sagen die Allgemeinen Vorschriften im Einzelnen aus und welche Vorgaben enthalten sie?

AV 1: Überschriften als Hinweise

Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel im Harmonisierten System sind nur Hinweise und treffen keine rechtlich verbindliche Aussage.

Maßgebliches Kriterium für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und die Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln.

Diese Regelung gilt unter dem Vorbehalt, dass in den Anmerkungen und nachfolgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt wird.

Mit dem Wortlaut ist die hier in dunkelgelb markiere Bezeichnung hinter dem jeweiligen 4-stelligen HS-Code gemeint.

Zolltarif Harmonisiertes System

AV 2a: Unvollständige und unfertige, zerlegte und nicht zusammengesetzte Waren

Die Allgemeine Vorschrift 2a enthält Vorgaben für folgende Warentypen:

  • unfertige Waren
  • unvollständige Waren
  • zerlegte Waren
  • noch nicht zusammengesetzte Waren

  • Waren sind dann unfertige Waren, wenn sie bis zur Fertigstellung noch bearbeitet werden müssen, so z.B. Rohlinge, die aber bereits den Umriss der fertigen Ware aufweisen. Allerdings ist die Bewertung vom Einzelfall abhängig.

  • Eine unvollständige Ware muss mindestens die maßgeblichen Bestandteile der vollständigen Ware aufweisen. Das ist der Fall, wenn mehr als 50 % der vollständigen Ware gestellt wird. Auch hier entscheidet aber der Einzelfall über die Einordnung der Ware.

  • Bei zerlegten oder noch nicht zusammengesetzten Waren handelt es sich um Waren, deren verschiedene (Bestand-)Teile lediglich zusammengesetzt werden müssen, um die vollständige Ware zu ergeben.

    Das Zusammensetzen kann entweder durch Hilfsmittel (z.B. Schrauben, Muttern, etc.) oder durch einen anderen Vorgang, wie z.B. Vernieten oder Schweißen erfolgen. Dabei kommt es nicht auf die Kompliziertheit des Zusammensetzens an.

    Voraussetzung: die Waren dürfen nicht mehr weiter bearbeitet werden.

Diese Regelung bestimmt, dass solche Waren genauso wie eine vollständige, fertige, montierte oder zusammengesetzte Ware in den Zolltarif eingereiht werden.

Vorausgesetzt, die Ware hat die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware.

Diese Voraussetzung ist allerdings sehr schwammig formuliert und ist eine Frage der Auslegung. Weil hier auch keine Faustregel existiert, sollten Experten zu Rate gezogen werden, so zum Beispiel ein Anwalt aus dem Zollrecht.

AV 2b: Mischungen und zusammengesetzte Waren

Die Allgemeine Vorschrift 2b bestimmt, dass jede Anführung eines Stoffes in einer Position für diesen Stoff sowohl in Reinform als auch in Mischungen oder in Verbindung mit anderen Stoffen gilt.

Solche Mischungen oder aus mehr als einem Stoff bestehende Waren werden nach den Grundsätzen der Allgemeinen Vorschrift 3b eingereiht.

Insofern beinhaltet die Allgemeine Vorschrift 2b nur eine Anleitung für die Vorgehensweise bei Warenmischungen und bei Waren, die aus unterschiedlichen Stoffen bestehen.

Der Tarfierer wird stattdessen zur Regelung der Allgemeinen Vorschrift 3b weitergeleitet.

Das bedeutet: Wenn der Wortlaut einer HS-Position eine bestimmte stoffliche Beschaffenheit der Ware vorschreibt und die Ware aber aus mindestens zwei verschieden Stoffen besteht, ist die Ware unter dem Stoff einzureihen, der ihr den wesentlichen Charakter verleiht.

Kriterien, um den charakterbestimmenden Stoff zu bestimmen, sind u.a. Gewichts-, Wert- oder Prozentanteile.

AV 3a: Genauere Warenbezeichnungen genießen Vorrang

Oft kann es auch der Fall sein, dass für eine Ware mehrere Nummern in Betracht kommen. Ist das der Fall, müssen folgende Regeln 3a- 3c beachtet werden:

Gemäß der Allgemeinen Vorschrift 3a hat bei der Einreihung die Position mit der genaueren Warenbezeichnung vor Positionen Vorrang, die allgemeinere Warenbezeichnungen enthalten.

Dabei gilt außerdem Folgendes:  

Zwei oder mehrere Positionen, von denen sich jede 

  • nur auf ein Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder
  • nur auf einen oder mehrere Bestandteile für einen für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung bezieht,

 werden im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet.

Das gilt selbst dann, wenn eine von den Positionen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält.

AV 3b: Warenzusammenstellungen

Die Allgemeine Vorschrift 3b bezieht sich auf Mischungen, auf Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und auf für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen.

Was sind Warenzusammenstellungen im Sinne des Zolltarifs?

Warenzusammenstellungen bestehen

  • aus mindestens zwei verschiedenen Waren, für deren Einreihung unterschiedliche Positionen in Betracht kommen
  • und die zur Befriedigung eines speziellen Bedarfs oder zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit zusammengestellt worden sind und
  • so aufgemacht sind, dass sie sich ohne vorheriges Umpacken zur direkten Abgabe an die Verbraucher eignen (z.B. in Schachteln, Kästchen, Klarsichtpackungen oder auf Unterlagen).

Diese Warentypen, sofern sie nicht nach der Allgemeinen Vorschrift 3a eingereiht werden können, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht. Voraussetzung ist dafür, dass dieser prägende Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

Weil es auch hier zu einer subjektiven Auffassung und Auslegung kommen kann, was den wesentlichen Charakter anbelangt, ist die Beratung von einem Anwalt aus dem Zollrecht hilfreich. Denn am Ende muss die Zollverwaltung davon überzeugt werden.

Warenzusammenstellungen korrekt in Zolltarif einreihen - so geht's!

Um den wesentlichen Charakter bei einer Warenzusammenstellung zu ermitteln, können folgende Merkmale der prägenden Ware herangezogen werden:

  • stoffliche Zusammensetzung
  • Gewicht
  • Wert
  • Verwendung oder Funktion
  • Menge

Ein typisches Beispiel für solche Warenzusammenstellungen sind verpackte Lebensmittel für den Einzelhandel.

Oftmals werden Lebensmittel in einem bestimmten Behältnis vertrieben, so z.B. Joghurt oder Quark in Bechern aus Kunststoff, um die gesetzlichen Bestimmungen für Lebensmittelverpackungen zu erfüllen.

Der einzelne Becher befindet sich dann aber zusammen mit 3 anderen Joghurtbechern noch in einer gesonderten Verpackung, die dann aber nur der Dekoration und Verkaufsoptik dient.

Hier ist also der eigentliche Becher aus Kunststoff aufgrund seiner wesentlichen Funktion als warengerechte Umschließung für die tarifliche Einreihung maßgeblich.

AV 3c: Letztgenannte Nummer

Ist eine Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3a und 3b nicht möglich, wird die Ware in die Position eingereiht, die von den gleichermaßen möglichen Positionen als letztes im Warenverzeichnis genannt wird.  

AV 4: Ähnliche Warentypen

Die AV 4 bestimmt, dass Waren, die nach den vorstehenden Allgemeinen Vorschriften nicht eingereiht werden können, in die Position der Waren eingereiht werden, denen sie am ähnlichsten sind. Die Anwendung dieser Vorschrift ist allerdings sehr subjektiv und unsicher. Daher wird sie in der Einreihungspraxis kaum angewandt..

AV 5a: Verpackungen und Umschließungen für den längeren Gebrauch

AV 5a befasst sich mit Behältnissen für Fotoapparate, Musikinstrumente, Waffen, Zeichengeräte, Schmuck und ähnlichen Behältnissen, die zur Aufnahme einer bestimmten Ware oder Warenzusammenstellung besonders gestaltet oder hergerichtet und zum dauernden Gebrauch geeignet sind.

Was sind Verpackungen im Sinne des Zolltarifs?

Als „Verpackungen“ gelten innere und äußere Behältnisse, Aufmachungen, Umhüllungen und Unterlagen mit Ausnahme von Beförderungsmitteln — insbesondere Behältern —, Planen, Lademitteln und des bei der Beförderung verwendeten Zubehörs.

Diese Behältnisse werden wie die Waren eingereiht, für die sie bestimmt sind.

Voraussetzung dafür ist: Das Behältnis wird auch mit diesen Waren gestellt und üblicherweise zusammen mit ihnen verkauft.

Beachte: Diese Allgemeine Vorschrift wird NICHT angewendet auf Behältnisse, die dem Ganzen seinen wesentlichen Charakter verleihen.

Folgende Kriterien müssen bei den Behältnissen also erfüllt sein:

  • Verkauf zusammen mit der Ware
  • Verwendungszweck ist der Verbleib und Schutz der Ware
  • Behältnis hat keine keine sinnvolle anderweitige Verwendung
  • Beschaffenheit dient der dauerhaften Verwendung
  • Behältnis verleiht der Ware nicht den wesentlichen Charakter  

AV 5b: Verpackungen und Umschließungen für den einmaligen Gebrauch

Vorbehaltlich der Bestimmungen in der AV 5 legt die AV 5b Folgendes fest:

Verpackungen werden wie die darin enthaltenen Waren eingereiht, wenn sie zur Verpackung dieser Waren üblich sind.

Aber: Diese Allgemeine Vorschrift gilt NICHT verbindlich für Verpackungen, die eindeutig zur mehrfachen Verwendung geeignet sind!

AV 6: Für HS-Unterpositionen gelten AV 2 – AV 5

Bei der AV 6 handelt es sich um die Erweiterungsvorschrift für die AV 1.

Ware, die anhand der AV 1 in eine HS-Position (4-stellige Codenummer) eingereiht wurde, wird mithilfe der AV 6 dann in eine HS-Unterposition (6-stellige Codenummer) weiter eingereiht.

Auch hier sind maßgebliche Kriterien für die zolltarifliche Einreihung der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und –sinngemäß– die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften 1-5.

Außerdem gilt folgende Grundregel: nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe sind miteinander vergleichbar, also HS-Unterpositionen auf derselben Hierarchiestufe!

Die Regelungen der AV 6 werden zudem für die Einreihung von Waren auf auf Ebene der Kombinierten Nomenklatur (7-und 8-stellige Codenummer) angewendet.

Zolltarifnummer finden – Beratung durch Anwalt

Wie Sie sehen, handelt es sich bei den Allgemeinen Vorschriften um keine ganz einfache Materie und stellt Unternehmen oft vor eine große Herausforderung. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn selbst unter Anwälten führen die Regeln und ihre Anwendung nicht selten zu hitzigen Debatten vor Gericht.

Die Kenntnis der Allgemeinen Vorschriften für den Zolltarif und ein sicherer Umgang mit den Regeln sind aber dennoch elementar für die Zolltarifnummer Ihrer Ware und damit auch entscheidend für die Höhe der Zölle, die Sie bei der Einfuhr zahlen.

Und es schützt auch vor Fehlern, die mitunter auch Auswirkungen auf die Zollanmeldung und die Verzollung haben können. Falsche Zolltarifnummern können zu hohen Nachzahlungen und unter Umständen auch zu Strafverfahren führen.

Um solche Fehlentscheidungen zu vermeiden, ist jahrelange Erfahrung im Zollrecht nötig und Fingerspitzengefühl für eine präzise Definition Ihrer Ware gefragt.

Uns ist es deswegen wichtig, an dieser Stelle eng mit Ihnen und Ihrem Unternehmen zusammenzuarbeiten. Denn Sie kennen Ihre Ware am besten. Gemeinsam mit Ihnen erarbeiten wir eine Strategie und finden die richtige Zolltarifnummer für Sie.

Unsere Anwälte bei O&W haben jahrelange Erfahrung im Umgang mit dem Zolltarif und Zolltarifnummern und unterstützen Sie gerne auch bei allen weiteren Fragen rund um den Zoll.

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Dieser Artikel wurde am 7. Mai 2021 erstellt. Er wurde am 24. September 2023 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

Ihr Ansprechpartner

  • Anton Schmoll

    Rechtsanwalt
    ABC-Str. 21
    20354 Hamburg
  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.