Die Unsicherheit rund um den CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ist für viele Unternehmen greifbar. Die Komplexität der neuen Vorschriften, der zusätzliche bürokratische Aufwand und die Angst vor Fehlern bei der Meldung führen zu vielen Fragen. Wenn Sie Waren nach Europa importieren, stehen Sie vor der Herausforderung, schnell und sicher herauszufinden, ob Ihre Produkte betroffen sind und welche Schritte Sie jetzt einleiten müssen.
Dieser Artikel ist mehr als nur eine weitere Zusammenfassung der gesetzlichen Grundlagen. Er ist Ihr praxiserprobter Schritt-für-Schritt-Leitfaden, der Sie vom ersten, entscheidenden Schritt – der Prüfung Ihrer Zolltarifnummern – bis hin zur erfolgreichen Einreichung Ihres ersten CBAM-Quartalsberichts begleitet. Wir lichten den bürokratischen Dschungel und geben Ihnen klare, umsetzbare Anleitungen an die Hand, damit Sie die neuen Pflichten nicht nur erfüllen, sondern souverän meistern.
Schritt 1: Sind Ihre Waren betroffen? So prüfen Sie die CBAM-Zolltarifnummern
Die offizielle Liste der CBAM-Zolltarifnummern (Anhang I)
Um herauszufinden, ob Ihre Produkte von CBAM betroffen sind, müssen Sie deren Zolltarifnummer (KN-Code) mit der offiziellen Liste in Anhang I der CBAM-Verordnung (EU) 2023/956 abgleichen. Dieser Anhang ist die einzige rechtlich verbindliche Quelle („Source of Truth“) und listet präzise auf, welche Waren unter die Regelung fallen.
Die Verordnung deckt zunächst sechs Hauptwarengruppen ab:
- Zement
- Eisen und Stahl
- Aluminium
- Düngemittel
- Elektrizität
- Wasserstoff
Entscheidend ist jedoch nicht nur die Warengruppe, sondern die exakte 8-stellige Zolltarifnummer (Kombinierte Nomenklatur, KN). Nur wenn der KN-Code Ihrer importierten Ware in Anhang I aufgeführt ist, besteht eine CBAM-Meldepflicht.
Durchsuchbare Liste der CBAM-relevanten KN-Codes
Um Ihnen die Prüfung zu erleichtern, haben wir hier eine aufbereitete Liste der betroffenen KN-Codes aus Anhang I zusammengestellt, strukturiert nach den Hauptkategorien.
(Hinweis: Diese Tabelle dient der Übersicht. Rechtsverbindlich ist ausschließlich Anhang I der EU-Verordnung.)
Warengruppe | KN-Code (Beispiele) | Beispiele für Waren |
---|---|---|
Zement | 2523 10 00 | Zementklinker |
2523 21 00 | Portlandzement, weiß | |
2523 29 00 | anderer Portlandzement | |
2523 90 00 | andere hydraulische Zemente | |
Düngemittel | 2808 00 00 | Salpetersäure; Sulfonitriersäuren |
2814 | Ammoniak, wasserfrei oder in wässriger Lösung | |
2834 21 00 | Kaliumnitrat | |
3102 | Stickstoffdüngemittel, mineralisch oder chemisch | |
3105 | andere Düngemittel | |
Eisen & Stahl | 72 (diverse Pos.) | Erzeugnisse aus Eisen und Stahl (Rohre, Bleche, Draht, etc.) |
7207 11 00 | Halbzeug aus Eisen oder nicht legiertem Stahl | |
7301 | Spundwanderzeugnisse aus Eisen oder Stahl | |
7302 | Oberbaumaterial für Bahnen, aus Eisen oder Stahl | |
7304, 7305, 7306 | Rohre und Hohlprofile, aus Eisen oder Stahl | |
Aluminium | 7601 | Aluminium in Rohform |
7603 | Aluminiumpulver und -blättchen | |
7604 | Stangen und Profile, aus Aluminium | |
7605 | Draht aus Aluminium | |
7607 | Folien aus Aluminium (gewalzt), mit einer Dicke von <= 0,2 mm | |
Wasserstoff | 2804 10 00 | Wasserstoff |
Elektrizität | 2716 00 00 | Elektrischer Strom |
Hilfsmittel zur Überprüfung: EZT-online und das EU Self-Assessment-Tool
Für eine definitive Prüfung bieten sich zwei offizielle Werkzeuge an, die wir in der Praxis empfehlen:
- Elektronischer Zolltarif (EZT-online): Die deutsche Zollverwaltung bietet mit dem EZT-online das maßgebliche Werkzeug für Importeure. So gehen Sie vor:
- Besuchen Sie die Seite Informationen des deutschen Zolls zu CBAM.
- Gehen Sie zur Einfuhr-Anwendung des EZT-online.
- Geben Sie Ihre 8-stellige Zolltarifnummer und das entsprechende Ursprungsland (Drittland) ein.
- Suchen Sie in den Ergebnissen nach der Maßnahme 775. Wenn diese Maßnahme für Ihre Ware angezeigt wird, ist sie CBAM-pflichtig.
- EU „CBAM Self-Assessment“-Tool: Die EU-Kommission hat ein Excel-basiertes Werkzeug zur Selbsteinschätzung veröffentlicht. Es hilft dabei, eine erste Orientierung zu bekommen, ob eine Meldepflicht wahrscheinlich ist. Es ist nützlich für eine schnelle, erste Analyse, ersetzt aber nicht die verbindliche Prüfung über den EZT.
Schritt 2: Der CBAM-Quartalsbericht – Eine Anleitung für die Praxis
Die Berichtspflichten in der Übergangsphase (bis Ende 2025)
In der CBAM-Übergangsphase, die bis zum 31. Dezember 2025 andauert, müssen Importeure vierteljährlich einen Bericht über die in den importierten Waren enthaltenen „grauen“ Emissionen einreichen. In dieser Phase müssen noch keine Zertifikate gekauft werden; es handelt sich um eine reine Datensammel- und Berichtspflicht.
Pro Lieferung und Warenart müssen Sie folgende Daten erfassen und berichten:
- Gesamtmenge der importierten Ware (in MWh für Strom, in Tonnen für andere Waren)
- Gesamte direkte und indirekte graue Emissionen, die bei der Herstellung freigesetzt wurden (in Tonnen CO2e)
- Bereits im Herkunftsland gezahlter CO2-Preis, der anrechenbar sein könnte.
Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) ist die in Deutschland zuständige Behörde und stellt hierzu detaillierte Leitfäden und Ausfüllhinweise bereit, die als wichtige Orientierung dienen.
Datensammlung beim Lieferanten: So bekommen Sie die richtigen Informationen
Eine der größten Herausforderungen ist die Beschaffung der Emissionsdaten von den Herstellern außerhalb der EU. Handeln Sie proaktiv und gehen Sie systematisch auf Ihre Lieferanten zu.
Praxistipp: Senden Sie Ihren Lieferanten eine standardisierte Abfrage. Diese könnte als Checkliste folgende Punkte enthalten:
- Bitte um Benennung eines CBAM-Ansprechpartners in ihrem Unternehmen.
- Abfrage der direkten und indirekten Emissionen pro produzierter Tonne der von Ihnen bezogenen Ware.
- Frage nach der Methode der Emissionsermittlung (z.B. nach EU-Standard oder einer anerkannten lokalen Methode).
- Abfrage über bereits gezahlte CO2-Preise im Herkunftsland (inkl. Nachweise).
- Hinweis auf die gesetzliche Verpflichtung im Rahmen der EU-CBAM-Verordnung.
Sollten Ihre Lieferanten (noch) keine Primärdaten liefern können, erlaubt die EU während der Übergangsphase die Nutzung von Standardwerten. Diese sind eine legale Alternative, haben aber den potenziellen Nachteil, dass sie die Emissionen Ihrer Waren höher ansetzen könnten, als sie tatsächlich sind. Dies kann ab 2026 zu höheren Kosten führen.
Die Einreichung im CBAM-Übergangsregister: Schritt für Schritt erklärt
Die Quartalsberichte müssen über das offizielle CBAM-Übergangsregister der EU eingereicht werden.
- Zugang beantragen: Der Zugang erfolgt über das Zoll-Portal (GZD). Ihr Unternehmen muss dort registriert sein und die entsprechende Nutzerberechtigung für CBAM beantragen.
- Bericht anlegen: Im Register legen Sie für das betreffende Quartal einen neuen Bericht an.
- Daten eintragen: Sie geben die zuvor gesammelten Daten zu Importmengen und Emissionen strukturiert ein. Die Eingabe kann manuell oder durch den Upload einer XML-Datei erfolgen.
- Validieren und Einreichen: Das System prüft die Daten auf Plausibilität, bevor Sie den Bericht final einreichen.
Wichtig ist die Rolle des anmeldenden Zollanmelders. In der Regel ist das der Importeur. Wenn Sie jedoch einen Spediteur als indirekten Vertreter beauftragen, kann die Berichtspflicht auf diesen übergehen. Klären Sie diese Zuständigkeit unbedingt vertraglich, um Doppelarbeit oder Versäumnisse zu vermeiden.
Schritt 3: Bürokratie minimieren – Lösungsansätze und Vereinfachungen
Die De-minimis-Regelung: Wann Sie von CBAM befreit sind
Es gibt eine wichtige Ausnahme: Die CBAM-Verordnung gilt nicht für Sendungen, deren Sachwert 150 € nicht übersteigt.
Achtung, Falle: Diese Regel gilt pro einzelner Sendung, nicht pro Berichtszeitraum oder pro Monat. Wenn Sie also an einem Tag zwei Sendungen à 100 € vom selben Lieferanten erhalten, die getrennt verzollt werden, fallen beide unter die De-minimis-Regelung. Erhalten Sie jedoch eine einzelne Sendung im Wert von 200 €, ist diese (sofern die Ware betroffen ist) vollumfänglich berichtspflichtig. Eine genaue Prüfung ist essenziell, um teure Bußgelder zu vermeiden.
Nutzung von Software und Beratungsleistungen
Je nach Umfang Ihrer Importe kann eine manuelle Meldung schnell aufwendig und fehleranfällig werden.
- Für KMU mit wenigen betroffenen Waren: Eine manuelle Meldung über das CBAM-Register kann zu Beginn ausreichend sein, erfordert aber eine sorgfältige Einarbeitung und Prozessdefinition.
- Für Unternehmen mit regelmäßigen Importen: Spezialisierte CBAM-Software kann den Prozess erheblich vereinfachen. Solche Lösungen helfen bei der Datensammlung, berechnen die Emissionen (auch mit Standardwerten) und automatisieren die Erstellung der Berichtsdatei (XML).
Für komplexe Fälle oder zur strategischen Vorbereitung auf die kostenpflichtige Phase kann eine CBAM-Beratung sinnvoll sein. Externe Experten können helfen, die Betroffenheit präzise zu analysieren, die Lieferantenkommunikation aufzusetzen und eine langfristige, kosteneffiziente Compliance-Strategie zu entwickeln.
Aktuelle Vereinfachungen (‚Omnibus‘-Initiative)
Um den Einstieg zu erleichtern, hat die EU-Kommission einige Vereinfachungen für die erste Phase beschlossen. Dazu gehört unter anderem, dass für die ersten Berichte die Fristen verlängert wurden und die Nutzung von Standardwerten bis Mitte 2024 noch stärker vereinfacht ist. Diese Maßnahmen zeigen, dass der Prozess im Wandel ist. Es ist daher entscheidend, auf dem Laufenden zu bleiben – beispielsweise über die Mitteilungen der IHKs oder der DEHSt.
Ausblick: Zeitplan und finanzielle Auswirkungen ab 2026
Das Ende der Übergangsphase: Was ändert sich 2026?
Der entscheidende Wandel tritt am 1. Januar 2026 in Kraft. Ab diesem Datum endet die reine Berichtspflicht und die finanzielle Phase von CBAM beginnt. Importeure müssen dann für die gemeldeten grauen Emissionen sogenannte CBAM-Zertifikate erwerben und jährlich abgeben.
Der Zeitplan sieht eine schrittweise Belastung vor, die parallel zum Auslaufen der kostenlosen Zuteilungen im EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) verläuft. Nutzen Sie die Daten, die Sie jetzt in der Übergangsphase sammeln, um präzise Budgetplanungen und Kostensimulationen für die Zeit ab 2026 zu erstellen.
Die Kosten von CBAM: Wie werden Zertifikate bepreist?
Der Preis eines CBAM-Zertifikats wird nicht willkürlich festgelegt, sondern ist direkt an den durchschnittlichen Wochenpreis der EU-ETS-Zertifikate gekoppelt.
Beispielrechnung (vereinfacht):
- Sie importieren 10 Tonnen Stahl.
- Die grauen Emissionen für diese Menge belaufen sich laut Hersteller auf 15 Tonnen CO2e.
- Der durchschnittliche ETS-Preis liegt bei 85 € pro Tonne CO2.
- Kosten: 15 Tonnen CO2e * 85 €/Tonne = 1.275 € an CBAM-Abgaben.
Diese Kosten können reduziert werden, wenn Sie nachweisen können, dass im Herkunftsland bereits ein CO2-Preis für die Emissionen gezahlt wurde. Dieser Betrag kann dann von den CBAM-Kosten abgezogen werden.
Die wichtigsten Punkte auf einen Blick
- Betroffenheit prüfen: Gleichen Sie die 8-stellige Zolltarifnummer Ihrer Importwaren mit Anhang I der EU-Verordnung 2023/956 ab oder nutzen Sie die Maßnahmensuche (775) im EZT-online.
- Berichtspflicht ernst nehmen: In der Übergangsphase bis Ende 2025 sind vierteljährliche Emissionsberichte über das EU-Register Pflicht, auch wenn noch keine Kosten anfallen.
- Daten sind entscheidend: Beginnen Sie jetzt mit der systematischen Kommunikation mit Ihren Lieferanten, um Primärdaten zu Emissionen zu erhalten. Nutzen Sie Standardwerte nur als Übergangslösung.
- Kosten kommen ab 2026: Nutzen Sie die jetzige Phase als Lern- und Vorbereitungszeit, um die finanziellen Auswirkungen ab 2026 durch den Kauf von CBAM-Zertifikaten zu kalkulieren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu CBAM-Zolltarifnummern
Welche Waren fallen unter CBAM?
Unter CBAM fallen zunächst Waren aus den Sektoren Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel, Elektrizität und Wasserstoff, deren spezifische Zolltarifnummern in Anhang I der CBAM-Verordnung gelistet sind.
Wie finde ich heraus, ob meine Produkte von CBAM betroffen sind?
Sie finden dies heraus, indem Sie die 8-stellige Kombinierte Nomenklatur (KN-Code) Ihres Produkts mit der offiziellen Liste in Anhang I der EU-Verordnung 2023/956 abgleichen oder die Maßnahmensuche im EZT-online (Maßnahme 775) verwenden.
Welche Pflichten haben Importeure in der CBAM-Übergangsphase?
In der Übergangsphase (1. Oktober 2023 bis 31. Dezember 2025) müssen Importeure für jedes Quartal einen Bericht über die in den importierten CBAM-Waren enthaltenen Emissionen einreichen, aber noch keine Zertifikate kaufen.
Wie können Unternehmen die notwendigen Emissionsdaten von Lieferanten beschaffen?
Unternehmen sollten proaktiv auf ihre Lieferanten zugehen, idealerweise mit standardisierten Abfragevorlagen, und auf die gesetzliche Pflicht hinweisen. Falls keine Primärdaten verfügbar sind, können übergangsweise von der EU bereitgestellte Standardwerte genutzt werden.
Was passiert, wenn ich meiner Berichtspflicht nicht nachkomme?
Die Nichteinhaltung der Berichtspflichten kann zu Sanktionen und Bußgeldern führen. Die Höhe wird von den nationalen Behörden festgelegt und soll wirksam und abschreckend sein.
Fazit: Vom Aufwand zur strategischen Vorbereitung
Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus ist zweifellos komplex, aber mit einem strukturierten, schrittweisen Vorgehen ist er für jedes Unternehmen beherrschbar. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Betroffenheit der eigenen Waren schnell und sicher zu klären, einen robusten Prozess zur Datensammlung aufzusetzen und die gesetzlichen Fristen einzuhalten.
Sehen Sie die aktuelle Übergangsphase nicht als Belastung, sondern als eine strategische Lern- und Vorbereitungszeit. Die Daten und Erfahrungen, die Sie jetzt sammeln, sind die Grundlage, um ab 2026 fundierte Entscheidungen zu treffen, Kosten zu optimieren und Ihre Lieferketten nachhaltig und wettbewerbsfähig aufzustellen.
Haben Sie spezifische Fragen zu Ihren Zolltarifnummern oder benötigen Sie praxisnahe Unterstützung bei der Umsetzung Ihrer CBAM-Meldepflichten? Kontaktieren Sie unsere Experten für eine Erstberatung, um Ihre passgenaue CBAM-Strategie zu entwickeln.
Dieser Artikel wurde am 3. September 2025 erstellt.
Ihr Ansprechpartner
Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.