Das Finanzgericht Hamburg hat in einem Urteil vom 21. Mai 2025 (Az. 4 K 137/21) die Berücksichtigung von Lizenzgebühren beim Zollwert neu bewertet. Nach der Entscheidung müssen auch Lizenzgebühren, die an nicht mit dem Verkäufer verbundene Dritte gezahlt werden, den Zollwert der eingeführten Waren erhöhen, wenn deren Zahlung eine Voraussetzung für den Verkauf darstellt.
Neue Auslegung mit weitreichenden Folgen
Die Entscheidung markiert eine bedeutende Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Während nach früherer Rechtsprechung Lizenzgebühren an fremde Dritte nur dann zollwertrelevant waren, wenn sie einen abgespaltenen Kaufpreisbestandteil darstellten, legt das FG Hamburg den Begriff der „Bedingungen des Kaufgeschäfts“ in Art. 71 Abs. 1 Buchst. c Unionszollkodex (UZK) nun deutlich weiter aus.
Rechtlicher Rahmen und neue Interpretation
Das Gericht stützt seine Auslegung maßgeblich auf Art. 136 Abs. 4 Buchst. c UZK-Durchführungsverordnung (UZK-DVO). Danach sind Lizenzgebühren dem Zollwert hinzuzurechnen, wenn der Käufer die Waren nicht erwerben kann, ohne die Lizenzgebühren an den Lizenzgeber zu entrichten. Entscheidend ist nach Auffassung des Gerichts allein das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung einer Lizenzgebühr für die eingeführten Waren.
Diese Verpflichtung kann sich nicht nur aus dem Einfuhrkaufvertrag, sondern auch aus einem separaten Lizenzvertrag ergeben, den der Käufer mit einem fremden Dritten geschlossen hat. Das Gericht begründet diese Auslegung unter anderem mit dem WCO-Kommentar Nr. 25.1 und den Leitlinien der EU-Kommission, die eine Gesamtbetrachtung aller Begleitumstände des Verkaufs und der Einfuhr der Waren verlangen.
Entscheidung im konkreten Fall
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin mit einer Lizenzgeberin einen Lizenzvertrag geschlossen, der ihr das Recht einräumte, bestimmte Markenzeichen auf Waren zu verwenden und diese weltweit zu vertreiben. Die Lizenzgebühren bemassen sich nach einem Prozentanteil des Nettoverkaufspreises. Die Waren wurden von drittländischen Subunternehmern hergestellt und in die EU eingeführt.
Das Gericht sah die Lizenzgebühren als zollwertrelevant an, da sich aus einer Gesamtschau der Regelungen des Lizenzvertrags und der Vereinbarungen mit den Subunternehmern ergab, dass die Klägerin verpflichtet war, die Lizenzgebühren gerade für die eingeführten Waren zu zahlen. Besonders bedeutsam war dabei, dass die Subunternehmer die lizenzpflichtigen Waren ausschließlich an die Klägerin liefern durften und die Lizenzgeberin somit rechtliche Einflussmöglichkeiten auf den Warenfluss hatte.
Praktische Bedeutung für Unternehmen
Die Entscheidung hat erhebliche praktische Auswirkungen für Unternehmen, die lizenzierte Waren importieren. Die neue, weite Auslegung der zollwertrechtlichen Vorschriften bedeutet, dass Lizenzgebühren häufiger als bisher dem Zollwert hinzugerechnet werden müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn:
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die Lizenzgebühr die eingeführten Waren betrifft
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der Lizenzvertrag Einfluss auf den Warenfluss zwischen Hersteller und Importeur nimmt
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die Qualitäts- und Herstellungsanforderungen durch den Lizenzvertrag geregelt werden
Praxisrelevanz und Handlungsbedarf
Unternehmen sollten ihre bestehenden Lizenz- und Einfuhrverträge daraufhin überprüfen, ob die Lizenzgebühren nach den neuen Maßstäben zollwertrelevant sind. Dabei ist eine sorgfältige Analyse der vertraglichen Verknüpfungen zwischen Lizenzierung und Wareneinfuhr erforderlich. Die bloße Tatsache, dass Lizenzgebühren an einen fremden Dritten gezahlt werden, schließt ihre Zollwertrelevanz nicht mehr aus.
Gegen die Entscheidung wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. des BFH: VII B 107/25). Bis zu einer abschließenden Klärung durch den Bundesfinanzhof empfiehlt es sich für betroffene Unternehmen, entsprechende Einfuhrabgabenbescheide durch Einspruch offenzuhalten.
Haben Sie Fragen zur Hinzurechnung von Lizenzgebühren zum Zollwert oder benötigen Sie Unterstützung bei der Überprüfung Ihrer Verträge? Unsere Fachanwälte beraten Sie.
Dieser Artikel wurde am 8. November 2025 erstellt.
Ihr Ansprechpartner
Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.