Neuer EU-China-Handelskrieg erwischt Importeure auf dem falschen Fuß

Ich habe heute einen Handelsblatt-Artikel gelesen. Die EU plant Zölle auf Stahl- und Aluminium aus China, 25 bis 50 Prozent. Und Buy European-Mandate für öffentliche Aufträge.

Mein Telefon fing sofort an zu klingeln.

Die EU nennt das Schutz der europäischen Industrie. Ich nenne es einen perfekten Sturm für deutsche Importeure, die vor Monaten Verträge unterschrieben haben, während die Schiffe bereits auf See sind.

Die Timing-Falle

Unternehmen werden jetzt völlig überrascht. Sie haben Preise fixiert, Lieferverträge unterschrieben, Margen auf Basis aktueller Kosten kalkuliert.

Einige Sendungen werden erst in vier bis sechs Wochen ankommen. Wenn sie das tun, gelten sofort die dann schon verschärften Zollregeln. Die Kommission will in wenigen Wochen handeln, nicht erst in Monaten.

Wahrscheinlich wie immer: Keine Bestandsschutzklauseln. Keine Übergangsfristen. Volle Wirkung, sofortige Durchsetzung.

Bereits jetzt verteuern Anti-Dumping und Anti-Subventionszölle de die Importe von Stahl um rund 40 Prozent. Diese neuen Maßnahmen kommen voraussichtlich noch dazu.

Tarifierungs-Herausforderungen

Und wer jetzt nicht aufpasst, den erwischt es später noch stärker. Nämlich dann, wenn falsche Zolltarifnummern verwendet werden.

Zollbehörden führen gerne nachträgliche Prüfungen durch. Sie finden Fehler in den Zolltarifnummern und verhängen die vollen neuen Schutzzölle dann auch rückwirkend.

Bis dahin sind alle Importkontingente, die Sie eventuell hätten schützen können, erschöpft. Sie zahlen Höchstsätze für alles.

Ich habe dieses Muster immer wieder gesehen. Ehrliche europäische Unternehmen befolgen die Regeln genau. Chinesische Exporteure finden oft kreative Umgehungswege.

Die Schutzmaßnahmen schaden damit vielfach den Unternehmen, denen sie helfen sollen.

Lieferverträge helfen nur bedingt

Ihre langfristigen Liefervereinbarungen werden dadurch toxisch. Das regulatorische Umfeld ändert sich zu schnell für mehrjährige Verpflichtungen.

Aber kurzfristige Verträge kosten mehr. Lieferanten bieten ihre besten Preise nicht ohne Bindung an.

Unternehmen trifft damit ein Doppelschlag: potenzielle Zollerhöhungen plus höhere Grundkosten durch kürzere Vertragslaufzeiten.

Einige verhandeln Zoll-Teilungsklauseln mit ihren Lieferanten. Andere schließen Optionen zur Stornierung ein oder leiten die Ware als letzten Akt der Verzweiflung um.

Aber eines kann ich Ihnen sagen: Kluge Unternehmen handeln, bevor die Waren die Zollgrenze passieren. Danach sind Sie an die dann geltenden Regeln gebunden.

Kontingent-Glücksspiel

Unklar ist derzeit, ob es auch weitere Kontingente geben wird. Kommuniziert wurde nur, dass bestehende Kontingente drastisch gekürzt werden sollen.

Aber eines ist klar: Wenn Kontingente knapp sind, erschöpfen sie bereits am ersten Tag jeder Periode.

Importeure kaufen aber oft Monate im Voraus, ohne zu wissen, ob Kontingente dann noch existieren, wenn die Sendungen ankommen.

Kaufmännische Sorgfalt erfordert eine Kalkulation so, als käme das Kontingent nicht zum Einsatz.

Einige versuchen dann noch, ihre Zollanmeldung auf den Zeitpunkt abzustimmen, zu dem neue Kontingente eröffnet wurden. Aber wenn Kontingente generell knapp sind, wird das unmöglich.

Und wenn auch eine alternative Beschaffung logisch klingt, denken Sie daran Preise und Qualität zu prüfen. Europäische Alternativen kosten oft deutlich mehr für vergleichbare Produkte.

Bürokratie-Multiplikator

Das eigentliche Problem ist hier nicht der Protektionismus. Es ist der Bürokratie-Multiplikator.

Unternehmen bewegen sich ohnehin bereits in komplexen Compliance-Anforderungen. Lieferketten-Sorgfaltspflichtgesetz. Klimazoll und Entwaldungsbeschränkung. Exportkontrollvorschriften.

Jetzt kommen weitere Schutzzölle und Kontingentsysteme hinzu.

Wer soll das noch alles durchblicken?

Lieferketten-Compliance-Verstöße können Bußgelder von mehreren Millionen Euro oder 2 Prozent des Jahresumsatzes auslösen. Plus potenzielle Ausschlüsse von öffentlichen Aufträgen für mehrere Jahre.

Kein Unternehmen kann all diese sich ständig ändernden Vorschriften gleichzeitig im Blick behalten.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Erstens, lesen Sie das Amtsblatt. Nicht nur Wirtschaftspresse. Die formellen Bekanntmachungen enthalten die Details, die wichtig sind.

Zweitens, prüfen Sie Ihre Zolltarifnummern. Holen Sie professionelle Unterstützung ein. Eine falsche Zolltarifnummer wird noch teurer, wenn in Zukunft noch weitere Schutzzölle hinzutreten.

Drittens, überprüfen Sie bestehende Verträge auf Klauseln, die Ihnen eine Stornierung der Bestellung ermöglichen. Einige Vereinbarungen enthalten Bestimmungen für derartige regulatorische Änderungen.

Viertens, erwägen Sie alternative Beschaffung, aber rechnen Sie sorgfältig. Preis und Qualität müssen wettbewerbsfähig bleiben.

Die politische Lösung

Schutzmaßnahmen könnten angesichts der aktuellen globalen Handelsdynamik notwendig sein. Aber die Umsetzung ist entscheidend.

Wenn Politiker effektiven Schutz wollen, müssen sie die Compliance anderswo vereinfachen. Unnötige bürokratische Belastungen in Klimavorschriften und Lieferketten-Sorgfaltspflicht beseitigen.

Mein Appell: Geben Sie Unternehmen einen klaren Regelkatalog statt mehrerer überlappender Anforderungen.

Sonst schaffen Sie ein System, in dem Umgehung gedeiht und ehrliche Unternehmen kämpfen.

Das Ziel sollte der Schutz der europäischen Industrie sein, nicht die Schaffung administrativer Komplexität, die niemandem außer Compliance-Beratern nützt.

Unternehmen brauchen Klarheit und Planungssicherheit. Der aktuelle Ansatz liefert beides nicht.

Dieser Artikel wurde am 25. September 2025 erstellt.

Ihr Ansprechpartner

  • Dr. Tristan Wegner

    ABC-Str. 21
    20354 Hamburg
  • Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.