Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem wegweisenden Urteil die Haftung eines Unterfrachtführers für Steuerschäden in Millionenhöhe abgelehnt, die durch die Umleitung einer Zigarettenlieferung entstanden waren. Die Entscheidung vom 30. April 2025 (Az. 7 U 43/24) behandelt grundlegende Fragen zur Haftung von Unterfrachtführern im internationalen Straßengütertransport.

Der Sachverhalt

Eine Versicherungsgesellschaft machte gegen einen Unterfrachtführer Schadensersatzansprüche in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro geltend. Der Streitfall betraf eine Zigarettenlieferung, die ursprünglich von Deutschland nach Spanien transportiert werden sollte. Die Ware wurde jedoch aufgrund von Weisungen auf der Transportkette nach Osteuropa umgeleitet, wo sie schließlich abhandenkam.

Durch die unerlaubte Entladung innerhalb der EU entstand ein erheblicher Steuerschaden von 1,7 Millionen Euro zuzüglich des Warenwerts von etwa 102.000 Euro.

Die rechtliche Kernfrage

Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob der ausführende Unterfrachtführer direkt vom ursprünglichen Versender bzw. dessen Versicherung in Anspruch genommen werden kann, wenn er Weisungen seiner unmittelbaren Auftraggeberin befolgt, die von den ursprünglichen Transportvorgaben abweichen.

Die Entscheidung des OLG Brandenburg

Das OLG Brandenburg hat die Berufung der klagenden Versicherung zurückgewiesen und die Klageabweisung des Landgerichts Potsdam bestätigt. Nach Auffassung des Senats bestehen weder vertragliche noch deliktische Ansprüche gegen den beklagten Unterfrachtführer.

Für die Praxis besonders bedeutsam sind folgende Kernaussagen:

Keine Haftung nach Art. 34 CMR

Das Gericht stellte klar, dass eine direkte vertragliche Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem ursprünglichen Versender nur unter den strengen Voraussetzungen des Art. 34 CMR in Betracht kommt. Dies erfordert insbesondere einen durchgehenden Frachtbrief über die gesamte Transportstrecke, der vom ersten Absender und Hauptfrachtführer unterzeichnet sein muss. Da diese Voraussetzungen nicht vorlagen, schied eine Haftung aus.

Weisungsrecht nach Art. 12 CMR

Zentral für die Entscheidung war auch die Auslegung des Weisungsrechts nach Art. 12 CMR. Das Gericht betonte, dass als ‚Absender‘ im Sinne dieser Vorschrift nur der unmittelbare Vertragspartner des jeweiligen Frachtführers anzusehen ist. Der Unterfrachtführer war daher nur an Weisungen seiner direkten Auftraggeberin gebunden, nicht an solche des ursprünglichen Versenders.

Keine deliktische Haftung

Auch eine deliktische Haftung lehnte das Gericht ab. Dem Unterfrachtführer war kein vorsätzlich rechtswidriges Verhalten nachzuweisen. Die Befolgung der Weisungen seiner Auftraggeberin zur Umleitung und Neuausstellung des Frachtbriefs war nach Überzeugung des Senats durch die Annahme eines legitimen Streckengeschäfts gedeckt.

Bedeutung für die Transportpraxis

Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für Unterfrachtführer im internationalen Straßengütertransport. Sie müssen und dürfen sich grundsätzlich auf die Weisungen ihrer unmittelbaren Auftraggeber verlassen. Eine Pflicht zur Überprüfung der Berechtigung zur Erteilung abweichender Weisungen besteht nicht.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Versender sollten zur Absicherung ihrer Interessen:

  • die Unterbeauftragung vertraglich ausschließen oder
  • die direkte Bindung von Unterfrachtführern an ihre Weisungen ausdrücklich vereinbaren

Für Unterfrachtführer empfiehlt sich:

  • sorgfältige Dokumentation der erhaltenen Weisungen
  • bei offensichtlichen Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten Rücksprache mit dem Auftraggeber halten

Sie haben Fragen zum Transportrecht oder zur Haftung in der Lieferkette? Unsere spezialisierten Anwälte beraten Sie.

Für Unternehmen: 15 Minuten kostenlose Erstberatung+49 40 369615-0oder Telefontermin sichern

Dieser Artikel wurde am 11. Dezember 2025 erstellt.

Ihr Ansprechpartner

  • Dr. Tristan Wegner

    ABC-Str. 21
    20354 Hamburg
  • Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.