Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einer grundlegenden Entscheidung die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten von Spediteuren bei der Auswahl von Subunternehmern präzisiert und dabei die Kürzung des Versicherungsschutzes bei grober Fahrlässigkeit deutlich reduziert.

In diesem Fall ging es um den Verlust einer Zigarettenlieferung im Wert von über 1,8 Millionen Euro durch einen sogenannten „Phantom-Frachtführer“.

Sachverhalt und Prozessverlauf

Eine Spedition hatte den Auftrag erhalten, 1.100 Kartons mit 11 Millionen Zigaretten von Deutschland nach Madrid zu transportieren.

Der Geschäftsführer der Spedition vergab den Transport an einen vermeintlichen tschechischen Subunternehmer, der sich per E-Mail gemeldet hatte. Trotz merkwürdiger Umstände, wie der Initiativbewerbung mit detaillierten Kenntnissen über den Auftrag, erfolgte die Beauftragung nach nur sehr kurzer Überprüfung und innerhalb von ein paar Minuten. Die Ware erreichte allerdings nie ihr Ziel, sondern wurde noch in der Slowakei gestohlen.

Rechtliche Bewertung des OLG

Das OLG Düsseldorf bestätigte zunächst die Wirksamkeit der Klausel in der Versicherungspolice. Danach war der Versicherungsnehmer verpflichtet, die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bei der Auswahl von Subunternehmern an den Tag zu legen.

Diese Klausel sei trotz ihrer Abstraktheit hinreichend transparent, da sie einen im Transportrecht etablierten Sorgfaltsmaßstab voraussetzt.

Das Gericht bejahte auch das Vorliegen grober Fahrlässigkeit bei der Auswahl des Subunternehmers. Der Spediteur hatte elementare Überprüfungen unterlassen. Dazu gehörten z.B. die Verifizierung der Kontaktdaten anhand von unabhängigen Quellen.

Ein simpler Anruf auf die in der verdächtigen E-Mail angegebene Mobilnummer sei als Identitätsprüfung völlig unzureichend gewesen.

Signifikante Reduzierung der Versicherungskürzung

Bemerkenswert ist die deutliche Korrektur der Versicherungskürzung: Während das Landgericht noch eine Reduzierung um 70% für angemessen hielt, senkte das OLG diese auf 30%. Dabei berücksichtigte das Gericht insbesondere:

  • Die hohe kriminelle Energie und professionelle Vorgehensweise der Täter

  • Die unauffällig gestalteten Kontaktdaten

  • Den vermeintlichen Zeitdruck bei der Auftragsvergabe

  • Das Fehlen von Anhaltspunkten für ein vorsatznahes Verhalten

Praxisrelevanz

Die Entscheidung schafft wichtige Orientierungspunkte für die Transportbranche: Einerseits werden die grundsätzlichen Sorgfaltsanforderungen bei der Subunternehmerauswahl bekräftigt.

Andererseits zeigt die moderate Kürzung des Versicherungsschutzes, dass auch erfahrene Spediteure Opfer professioneller Betrüger werden können. Für die Praxis bedeutet dies:

  • Implementierung systematischer Überprüfungsroutinen für neue Geschäftspartner

  • Besondere Vorsicht bei Initiativbewerbungen mit Detailwissen

  • Nutzung unabhängiger Quellen zur Identitätsverifikation

  • Dokumentation der Überprüfungsschritte für eventuelle Versicherungsfälle

Das Urteil unterstreicht die anhaltende Bedeutung sorgfältiger Geschäftspartner-Verifizierung im Transportgewerbe, zeigt aber auch eine realistische Einschätzung der Grenzen möglicher Vorsichtsmaßnahmen gegenüber hochprofessionellen Betrügern.

Dieser Artikel wurde am 8. November 2025 erstellt.

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  • Dr. Tristan Wegner

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  • Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.