Was ist der Aktenvortrag?

Der Aktenvortrag ist der Eintritt in die mündliche Prüfung des zweiten juristischen Staatsexamens. Hier kann sofort ein guter erster Eindruck vermittelt werden. Im Gegensatz zur mündlichen Prüfung, kann man den Aktenvortrag wirklich gut üben und vorbereiten, was die Note am Ende entscheidend beeinflussen kann.

Der Aktenvortrag macht am Ende – je nach Bundesland – bis zu 15 % der Gesamtnote des zweiten Staatsexamens aus. Deshalb lohnt sich also durchaus Zeit in die Vorbereitung zu investieren.

Was ist wichtig?

Das Wichtigste beim Aktenvortrag im Assessorexamen ist einerseits das Zeitmanagement und andererseits die Schwerpunktsetzung. Für das Zeitmanagement kann es mitunter hilfreich sein, eine funktionierende Armbanduhr dabei zu haben. Gerade wenn man den Raum nicht kennt, in dem man vortragen muss und nicht weiß, ob man immer einen freien Blick auf die Uhr hat, ohne sich großartig umgucken zu müssen. Der Aktenvortrag ist in der Regel zwölf Minuten lang. Aufgrund des sehr überschaubaren Zeitrahmens sollte man auch darauf achten, sich wirklich so gut es geht vorzubereiten. Dazu gehört auch, dass an die Lösungsskizze eine genaue Anzahl der Minuten geschrieben werden sollte. Hat man dann einen freien Blick auf die Uhr oder eben eine funktionierende Armbanduhr sollte man sich so gut es geht an den Zeitplan halten um keine Punkte am Ende zu verschenken.

Die Prüfer brechen nach zwölf Minuten oft den Vortrag ab oder werten nichts mehr von dem, was nach Ende der Vortragszeit gesagt wurde. Da aber am Ende des Aktenvortrags die rechtliche Würdigung und der Entscheidungsvorschlag stehen, sollte man wirklich versuchen zu vermeiden die Zeit zu überschreiten. Hier werden mit die meisten Punkte vergeben. Zusätzlich leidet auch die Vortragsweise darunter, wenn man sich am Anfang zu viel Zeit lässt und zum Ende hin immer schneller werden muss.

Die Schwerpunktsetzung sollte ähnlich wie in den Klausuren erfolgen. Im Unterschied zu diesen, kann man aber etwas besser mit den unterschiedlichen Stilen arbeiten. Auch im Aktenvortrag ist es bei Problempunkten durchaus angebracht, den Gutachtenstil zu verwenden. Die richtige Schwerpunktsetzung anhand einer Akte sollte ebenso wie die Vortragsart und das Zeitmanagement im vor hinein so viel wie möglich geübt werden.

Vortragsweise des Aktenvortrags

Den Aktenvortrag kann man deutlich besser oder auch einfacher üben, als die mündliche Prüfung oder das Vertiefungsgespräch danach. Vor allem die Vortragsweise lässt sich gut vorher trainieren und verinnerlichen. Die Prüfer bekommen während des Vortrags den ersten Eindruck vom Prüfling. Je souveräner man auftritt und vorträgt, desto besser ist auch der gesamte Einstieg in die mündliche Prüfung.

Für die Arbeit mit der Akte gilt zunächst einmal, dass man sich in der Vorbereitungszeit die relevanten Informationen sinnvoll hervorheben sollte. Gerade Passagen, die im Laufe des Vortrags beispielsweise zitiert werden sollen, müssen schnell auffindbar und erkennbar sein. Da helfen vor allem auch Post-its.

Allgemein wird es von den Prüfern gerne gesehen, wenn während des Vortrags auch tatsächlich mit der Akte gearbeitet wird. Dazu gehört auch, dass man sich in der Vorbereitungszeit einmal vor Augen führt, wo etwas steht, damit, wenn man beim Vortrag noch etwas nachgucken möchte, nicht allzu lange geblättert werden muss. Gerade beim Aktenvortrag geht es nicht nur um das materiell-rechtliche Wissen der Prüflinge, sondern vor allem auch um den Umgang mit der Akte.

Hat man die Vorbereitungszeit sinnvoll genutzt, sollte man sich beim Vortragen selbst, darauf konzentrieren, ruhig, stringent, selbstbewusst und flüssig zu präsentieren. Dabei ist die richtige Körperhaltung sehr wichtig. Um sich dieser einmal bewusst zu werden, ist es oft hilfreich, wenn man sich vorher von verschiedenen Leuten eine Rückmeldung holt oder sich eventuell während dessen einmal filmen lässt. Kann man sich selbst einmal anschauen und gucken, wie der Vortrag beim „Publikum“ ankommt, ist der Lerneffekt oft am größten.

Vorbereitung des Aktenvortrags

In den meisten Bundesländern hat man für die Vorbereitung des Aktenvortrages ca. eine Stunde Zeit. Je häufiger man die Vortragsweise und die restlichen Rahmenbedingungen geübt hat, desto besser kann man die Vorbereitungszeit auch nutzen.

Sachverhalt

Beim Lesen des Sachverhalts sollte man sich – so wie bei jeder Klausur auch – zuerst einmal den Bearbeitervermerk angucken. Gibt es vielleicht eine Zusatzfrage oder wird beispielsweise gesagt, dass die Ausformulierung der Anträge entfällt. Danach sollte der Sachverhalt mindestens zweimal konzentriert gelesen werden, wobei dann die ersten Notizen beziehungsweise Skizzenansätze erstellt werden sollten. Darauf sollte ca. 1/3 der Vorbereitungszeit verwandt werden.

Lösungsskizze

Danach folgt die Erstellung einer Lösungsskizze. In die Lösungsskizze gehört auch eine zumindest ungefähre Anzahl der Minuten, die auf einen jeweiligen Punkt verwandt werden sollte. Das Wichtigste bei der Lösungsskizze ist, dass sie so übersichtlich wie möglich gestaltet ist. Aufgrund der begrenzten Zeit sollte außerdem darauf geachtet werden, dass genug Platz für etwaige Ergänzungen bleibt. Auch das Erstellen der Lösungsskizze für den Aktenvortrag sollte man vorher einmal ausreichend üben. Zeitlich sollte man dafür ca. 30 Minuten verwenden.

Zusätzlich gilt es während dieser Zeit darauf zu achten, dass man nicht zu viel in den Kommentaren nachliest. Dieses Problem zeiht sich durch das gesamte zweite Staatsexamen. Aufgrund der sehr genauen Zeitangaben ist es aber auch für den Aktenvortrag immens wichtig.

Stichpunkte

Die restliche Zeit sollte dann darauf verwandt werden, noch die letzten Stichpunkte an die Lösungsskizze zu setzen. Auch die Akte sollte so vorbereitet sein, dass man alles, was man braucht, so schnell wie möglich wiederfindet, um den Prüfern zu zeigen, dass man in der Lage ist souverän mit der Akte zu arbeiten. Zusätzlich sollte man sich nochmal vor Augen führen, dass man die zeitliche Vorgabe von zwölf Minuten auch wirklich einhalten kann. Auch kleine Formulierungsansätze kann man sich noch kommentieren, wenn man weiß, dass man durch solche genauen Vorgaben nicht abgelenkt ist oder dazu neigt, abzulesen.

Aufbau des Vortrags

Der Vortrag selbst gliedert sich in sechs Punkte.

  • Die Einleitung des Vortrages besteht aus einer – am besten im vor hinein ausgedachten – Standardfloskel. Diese sollte schon vor der Vorbereitungszeit perfekt sitzen. Zwar müssen beispielsweise die Parteien, der Streitgegenstand und die Klageart der Akte entnommen werden, alles andere sollte aber schon genauestens geplant sein, sodass keine Zeit mehr darauf verwendet werden muss.

  • In einer kurzen Sachverhaltserläuterung sollte man alles, was für das Urteil entscheidend ist, einmal erläutern. Aufbauen kann man die Erläuterung entweder chronologisch oder gutachterlich. Viele empfehlen, die Sachverhaltserläuterung chronologisch vorzutragen. Wirklich gutachterlich wird es bei der rechtlichen Würdigung im vierten Schritt. Wenn möglich, sollte die Sachverhaltserläuterung noch keine Zitate von Klauseln oder Ähnlichem enthalten, da auch hier die Zeit sehr kostbar ist. Bis zu diesem Punkt fließt praktisch noch nichts vom eigenen Wissen in die Prüfung mit ein. Deshalb sollte man auch nicht mehr als zwei bis drei Minuten für diesen Unterpunkt verwenden. Falls größere (rechtliche) Problematiken in den Fällen auftauchen, sollten diese auch wirklich nur angerissen werden, um später einen guten Einstieg zu finden.

  • Der vorläufige Entscheidungsvorschlag sollte zeigen, in welche Richtung die rechtliche Würdigung gehen wird. Es sollte aber noch nicht auf entscheidende Normen oder Anträge eingegangen werden. Auch hier sollte man nicht mehr als ein bis maximal zwei Minuten Zeit benötigen.

  • Die rechtliche Würdigung des Aktenvortrags ist der materiell-rechtliche Teil und sollte ungefähr 2/3 der Zeit einnehmen. Dieser Teil des Aktenvortrags ist der Schwerpunkt, sowohl wenn es um den zeitlichen als auch den inhaltlichen Rahmen geht. Überwiegend sollte auch hier der Urteilsstil verwandt werden. Um den Prüfern zu verdeutlichen, dass man Problemschwerpunkte setzten kann, sollte aber der Gutachtenstil verwendet werden, wenn es um ein umfangreiches Problem geht. Das Problem sollte dann ausführlich, aber kurz dargestellt werden. Um das zu schaffen, sollte man sich vor allem die relevanten Punkte in der Akte deutlich machen. Je nachdem, was vom Bearbeitervermerk beziehungsweise im Sachverhalt verlangt wird (Rechtsberatung| Klage| Rechtsbehelf| Sonderfälle etc.) sollte die Art rechtliche Würdigung dementsprechend angepasst werden.

    Auch wenn bei der rechtlichen Würdigung vordergründig auf die eigene Lösungsskizze zurückgegriffen wird, sollte man den Prüfern auch während der Erläuterung des Problems zeigen, dass man mit der Akte arbeitet.

  • Im Entscheidungsvorschlag wird das empfohlene Vorgehen für den jeweiligen Fall geschildert. Hierbei wird sowohl auf das materiell-rechtliche Gesamtergebnis, als auch auf die prozessrechtlichen Erwägungen verwiesen. Gerade um einen präzisen Entscheidungsvorschlag präsentieren zu können, sollte man den Bearbeitervermerk und den Sachverhalt gut in Erinnerung behalten und sich die maßgeblichen Punkte der Fragestellung markieren.

  • Der Abschluss des Aktenvortrags ist – wie auch schon die Einleitung – eine am besten auswendig gelernte Standardfloskel. Nach einem kurzen Einleitungssatz, sollte der Vortrag mit „Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit!“ enden.

Übungsmaterial für den Aktenvortrag

Eine sehr gute Möglichkeit sich gute Lehrmaterialien zu besorgen, sind die Internetseiten der jeweiligen Landesjustizprüfungsämter (LJPA). Dort findet man im Archiv oft relativ viele Akten, die für diese Zwecke verwandt wurden. Zusätzlich sollte man nach Möglichkeit vorher einmal passiv an einem Aktenvortrag, beziehungsweise auch dem darauffolgenden Teil der mündlichen Prüfung, teilgenommen haben. Außerdem gibt es auch eine Menge Lehrbücher und Aufsätze, die Beispiele und andere nützliche Tipps enthalten.

Zum Ende sei nochmal gesagt, dass es für den Aktenvortrag wirklich immens wichtig ist, sich mit der Vortragsweise auseinanderzusetzen und die Zeit perfekt einteilen zu können. Für den Fall, dass man diese beiden Dinge beherrscht, hat man bereits einen entscheidenden Teil der Punkte für diesen Abschnitt in der Tasche. Obwohl der Aktenvortrag unter den Referendaren also relativ unbeliebt ist, kann man schon im Vorfeld eine Menge dazu beitragen, dass der Anfang der mündlichen Prüfung reibungslos vonstattengeht.

Dieser Artikel wurde am 13. November 2022 erstellt. Er wurde am 30. September 2023 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Katharina Scharf ist Mitarbeiterin für unseren Karriereblog. Sie bloggt regelmäßig über Themen der juristischen Ausbildung, dem Studium, Examen und Referendariat. Sie kann hierzu aus erster Hand berichten, da sie sich selbst gerade in der Examensvorbereitung befindet und weiß, welche Themen zur juristischen Karriere relevant sind.