Im Anschluss an das Hamamatsu-Urteil des EuGH zum Zollwert bei Verrechnungspreisen hat zwischenzeitlich der Bundesfinanzhof (BFH) auf höchstrichterlicher Ebene für Recht erkannt, dass Zollerstattungen im Falle von Ausgleichszahlungen unter verbundenen Unternehmen nach der Einfuhr nicht möglich sind.
Darauffolgend entschied in gleicher Linie das Finanzgericht München auch für den umgekehrten Fall der Nacherhebung und damit dieses Mal zugunsten der Unternehmerseite. Es übertrug den Konsens der genannten Urteile auf eine Zollnacherhebung und versagte der Zollverwaltung die Handhabe, den Zollwert unter Berücksichtigung von nach der Einfuhr erfolgenden Ausgleichszahlungen zu ermitteln.
Bedeutung erlangt diese Rechtsprechungsentwicklung für die Vielzahl von Unternehmen, die anhand von Verrechnungspreisvereinbarungen ihre einzuführenden Waren zur Verzollung anmelden und die daher ihre bisherigen Zollwertberechnung unter Berücksichtigung dieser Urteile untersuchen sollten.
Grundsätze zum Zollwert bei Verrechnungspreisen
Die Berechnung der zu erhebenden Zölle erfolgt grundsätzlich zunächst anhand des Transaktionspreises im Sinne eines gezahlten oder zu zahlenden Kaufpreises. Bei verbundenen Unternehmen, etwa im Konzernkontext, werden diese meist durch vereinbarte Verrechnungspreise nachgebildet, die auf Vergleichswerten von anderen Wettbewerbern basieren. Die auf Grundlage dieses Arm’s length Principle festgelegten Preise können dann grundsätzlich als ermittelter Zollwert der Erhebung von Einfuhrabgaben zugrunde gelegt werden.
Für den Fall, dass sich die verabredeten Preise tatsächlich für das importierende Unternehmen als zu hoch oder zu gering herausstellen, enthalten die Vereinbarungen in der Regel Klauseln über Ausgleichszahlungen nach gewissen Zeitspannen (z.B. „Year-End-Adjustment“).
In seinem Urteil verneint der BFH die Möglichkeit der einführenden Unternehmen, die zuvor bestimmten Preise, aufgrund derer bereits Zoll festgesetzt wurde, später anhand solcher Ausgleichszahlungen nach unten zu korrigieren und letztlich Erstattungsanträge bei der Zollverwaltung zu stellen. Zeitpunkt der Ermittlung des Zollwertes sei bei allen in Betracht kommenden Berechnungsmethode – sowohl im Bereich der Transaktionsmethode als auch der subsidiären, schätzenden Schlussmethode – der Moment der Einfuhr. Der Grund dafür liegt in der Verhinderung der Bildung von willkürlichen Zollwerten. Letztlich soll sich dem „wirklichen Wert“ der Ware in diesem Augenblick so weit wie möglich angenähert werden.
Mit dem Grundsatz der waren- und stichtagsbezogene Zollwertermittlung wäre es unvereinbar, die Ausgleichszahlungen zollwertrechtlich zu berücksichtigen.
Außer Betracht bleiben müssen daher mögliche, aber im Einfuhrzeitpunkt nicht absehbare und daher von der Höhe nicht konkret bezifferbare Schwankungen, die sich erst bei weiterem Umgang mit den Waren abbilden werden. Die Höhe der Ausgleichzahlungen hängt auch von Umständen ab, die erst nach der Einfuhr eintreten.. Für den Zollwert kann im Augenblick der Zollanmeldung weder hinsichtlich des „Ob‘s“ einer Veränderung geschweige denn über ihre Richtung eine hinreichend sichere Aussage getroffen werden.
FG München hebt Nacherhebungsbescheid auf
Dem folgend erteilte das FG München der Zollverwaltung bezüglich einer Nacherhebung von Zöllen auf Basis später erfolgter interner Nachbelastungen eine Absage.
Die nach einem Perspektivwechsel für die Unternehmen günstige Entscheidung stützt das Gericht maßgeblich ebenfalls auf das Argument des Ermittlungszeitpunktes.
Da Zoll eine waren- und stichtagsbezogene Abgabe ist, kann auch keine Nacherhebung auf Umstände gestützt werden, die sich nach der Einfuhr realisieren.
Allerdings ließ das Finanzgericht aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision beim BFH zu, sodass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Unternehmen sollten Zollwertberechnung prüfen
Zu erwarten ist, dass die Zollverwaltung dieses nachteilige Ergebnis bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht auf sich beruhen lassen wird – sie selbst bleibt schließlich wiederum auf europäischer Ebene Rechenschaft und notfalls finanzielle Entschädigung schuldig.
Mindestens bis zur Entscheidung des BFH über die Revision wird die Zollverwaltung wahrscheinlich weiterhin Nacherhebungsbescheide aufgrund von Ausgleichszahlungen erlassen.
Gegen diese möglicherweise unberechtigten Nacherhebungen seitens der Zollverwaltung sollten sich Unternehmen wehren.
Gleichzeitig wird die Zollverwaltung wahrscheinlich weiterhin davon ausgehen, dass Unternehmen erhaltene Ausgleichszahlungen von sich aus dem Zoll anzeigen müssen. Ein Unterlassen dieser Pflicht kann unter Umständen ein Bußgeld oder gar Strafverfahren nach sich ziehen.
Zur Abwägung der Risiken und Chancen im Falle Ihrer Verrechnungspreise durch die neueste Rechtsprechung zur Zollwertermittlung bei Verrechnungspreisen beraten Sie O&W Rechtsanwälte.
Dieser Artikel wurde am 23. Februar 2023 erstellt. Er wurde am 13. Juli 2023 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.
Themen:
VerzollungIhr Ansprechpartner
- Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.