Der Bundesfinanzhof (BFH) hat vor Kurzem in einem Beschluss einem Unternehmen Erstattungszinsen durch den Zoll zugesprochen und bestätigt damit die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Verzinsung von Erstattungsbeträgen bei zu viel gezahlten Einfuhrabgaben.

Die Verzinsung von Einfuhrabgaben, die infolge einer Änderung der Kombinierten Nomenklatur erstattet werden, sei nicht gemäß Art. 241 Satz 1 Zollkodex ausgeschlossen, so der BFH in seinem Beschluss vom 21.04.2021, VII B 121/20.

Dabei betont der BFH, dass die Frage nach Erstattungszinsen in Fällen von rechtswidrigen Einfuhrabgabenbescheiden durch die EuGH-Rechtsprechung bereits abschließend geklärt sei und folgt mit seinem Beschluss der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urt. v. 18.01.2017, C- 365/15, Wortmann).

Der EuGH hatte sich im Jahr 2017 bereits mit dieser Frage beschäftigt und einen Zinsanspruch bei erstatteten Einfuhrabgaben in bestimmten Fällen bejaht.

Trotzdem wehren sich die Zollbehörden nach wie vor in den meisten Fällen gegen die Zinszahlungen und verwehren Unternehmen die Erstattungszinsen. Dies führte zu vielen Gerichtsverfahren.

Der Beschluss des Bundesfinanzhofs könnte in den Unternehmen für mehr Rechtssicherheit sorgen und die Durchsetzung von Zinsansprüchen in der Praxis künftig erleichtern.

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Erstattung wegen ungültiger vZTA

In dem Gerichtsverfahren vor dem BFH aus 2021 ging es um die Einfuhr von LCD-Monitoren und Rückfahrvideosystemen, für die die Klägerin zwei verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) erteilt bekommen hatte.

Die vZTA reihten die Ware zu dem Zeitpunkt damals unter der Zolltarifnummer, dem KN-Code 8528 59 40 90 0 ein.

Die Klägerin war anderer Ansicht und legte gegen die erteilten vZTA Einspruch ein.

Unabhängig vom laufenden Einspruchsverfahren meldete die Klägerin die Ware aber bei der Einfuhr unter Angabe der für sie ungünstigen Zolltarifnummern an, für die sie zuvor die vZTAs erteilt bekommen hatte.

Daraufhin erließ der Zoll mehrere Einfuhrabgabenbescheide unter Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer und einem Zollsatz in Höhe von 14 %.  

Wenige Zeit später wurde der Zolltarif aufgrund einer Einreihungsverordnung allerdings zugunsten der Klägerin geändert und das Einspruchsverfahren daraufhin für erledigt erklärt.

Das wiederum führte zu einem Erstattungsanspruch der Klägerin, die die Einfuhrabgaben vom Zoll auch fristgemäß zurückgezahlt bekam.

Streit um Erstattungszinsen

Anders verhielt es sich dagegen mit den Erstattungszinsen, für die die Klägerin ebenfalls einen Antrag stellte.

Das zuständige Hauptzollamt lehnte die Zahlung von Erstattungszinsen ab, u.a. mit dem Verweis auf fehlenden Vertrauensschutz auf Seiten der Klägerin.

Die Klägerin sei nicht dazu verpflichtet gewesen, die Ware unter der strittigen Zolltarifnummer anzumelden, da sie zuvor Einspruch dagegen eingelegt habe, so ein Argument des Zolls.

Zudem würden die unionsrechtlichen Ausnahmekonstellationen für eine Verzinsung von erstatteten Einfuhrabgaben hier nicht greifen.

Diese sehen im Übrigen dann eine Verzinsung vor, wenn die Erstattung der Einfuhrabgaben nicht innerhalb von 3 Monaten vollzogen wird oder aber wenn nationale Bestimmungen eine Zinszahlung gesetzlich vorschreiben.

Beide Ausnahmefälle seien aber im vorliegenden Fall nicht gegeben, so das Hauptzollamt.

Die Klägerin hingegen führte an, dass sie die Waren mit der bestrittenen Codenummer hätte anmelden müssen.

Eine Zollanmeldung unter einer abweichenden, für sie günstigeren Zolltarifnummer wäre eine Falschanmeldung gewesen. Eine falsche Zollanmeldung hätte zu Nachzahlungen und anderen negativen Konsequenzen, unter Umständen sogar strafrechtlichen führen können, so die Klägerin. Auch der Einspruch hätte daran nichts geändert.

Die Nutzung der falschen Zolltarifnummer sei im Ergebnis auf die fehlerhafte und rechtswidrige verbindliche Zolltarifauskunft und damit auf einen Anwendungsfehler des Hauptzollamts zurückzuführen.

Insofern bestehe nach ihrer Auffassung auch ein rechtlicher Anspruch auf Verzinsung der Erstattungsbeträge.

Die Klägerin führte hierzu u.a. zur Begründung an, dass die Verzinsung nur in solchen Fällen ausgeschlossen sei, in denen die zu hohen und daher fehlerhaften Einfuhrabgabenbescheide auf der schnellen Zollabfertigungspraxis beruhten.

Durch die hohe Anzahl an Abfertigungsvorgängen besteht für den Zoll oft keine Zeit, jeden Fall ausreichend vor Überlassung in den freien Verkehr zu überprüfen.

In allen anderen Fällen, in denen der fehlerhafte Einfuhrbescheid aber nicht auf der zu schnellen Zollabfertigung beruhe und der Zoll ausreichend Zeit für die Prüfung des jeweiligen Sachverhalts gehabt habe, bestünde eine Verzinsungspflicht auf Seiten des Zolls.

Und so verhalte es sich auch in ihrem Fall: Der Zoll habe ausreichend Zeit für eine eingehende Untersuchung ihrer Waren gehabt, bevor er die vZTA erlassen habe.  

Das Finanzgericht Düsseldorf folgte in seinem Urteil in der Vorinstanz weitestgehend den Argumenten der Klägerin und bejahte einen Zinsanspruch unter Verweis auf die dazu ergangene EuGH-Rechtsprechung. Daraufhin kam es zum Verfahren vor dem BFH.

BFH bejaht Zinsanspruch

Die Beschwerde des Hauptzollamts erwies sich aber als nicht erfolgreich, denn der Bundesfinanzhof sah die Sache ähnlich und schloss sich den Erwägungen des FG Düsseldorf an und und bejahte im Ergebnis einen Anspruch auf Zinszahlung.

In seinem Beschluss verwies der BFH im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Fall Wortmann aus dem Jahr 2017.

Im Fall Wortmann ging es um die Erstattung von Antidumpingzöllen, weil die zugrundeliegende Antidumpingverordnung für teilweise nichtig erklärt worden war. Wortmann verlangte darüber hinaus die Verzinsung der erstatteten Antidumpingzölle.

Der Europäische Gerichtshof bejahte 2017 in seinem Urteil die Verzinsung und erklärte:

EuGH zu Zinszahlungen bei Abgaben-Erstattungen

„Werden Einfuhrabgaben, zu denen auch Antidumpingzölle gehören, deshalb erstattet, weil sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden, (…) besteht eine unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten, Rechtsuchenden, die einen Anspruch auf die Erstattung der entrichteten Beträge haben, diese ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung zu verzinsen.“ (Hervorhebungen durch Bearbeiter) – EuGH, Urt. v. 18.01.2017, C- 365/15, Wortmann

In diesem wegweisenden Urteil stellte der EuGH einen Anspruch auf Verzinsung fest, der sich unmittelbar aus dem Unionsrecht ergibt und der neben das grundsätzliche unionsrechtliche Verzinsungsverbot tritt, das der Zollkodex in gewöhnlichen Fällen vorsieht.

Der Zoll als mitgliedstaatliche Behörde ist daher in bestimmten Fällen dazu verpflichtet, Unternehmen für die zu Unrecht erhobenen Einfuhrabgaben Zinsen zu zahlen, lautet die Kernaussage des EuGH in 2017.

Im Übrigen verwies der BFH in seinem Beschluss auch auf die Ausführungen, die das FG Düsseldorf in der Vorinstanz traf.

Die Erstattung beziehe sich auch auf solche Beträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den gezahlten Abgaben stehen und die das betroffene Unternehmen an die jeweilige Behörde gezahlt hat die von dieser einbehalten worden sind.

Und unter solche Beträge fallen auch Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen, also Zinsen, urteilte das FG Düsseldorf und bezog sich damit auf EuGH-Urteile, in denen es um zu Unrecht erhobene Steuern und Abgaben ging (vgl. Littlewoods Retail Ltd u.a, EuGH, Urt. v. 19.07.2012, C‑591/10).

Voraussetzungen für Erstattungszinsen

Darüber hinaus geht der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss aber noch näher auf die Voraussetzungen für einen Zinsanspruch ein.

Zunächst muss man dafür aber einmal verstehen, von welcher Ausgangsituation der BFH in seinen Erläuterungen spricht:

Die Zollbehörden prüfen aufgrund der hohen Anzahl an Einfuhrvorgängen die Zollanmeldungen in den meisten Fällen erst nachträglich. Stellt die Zollbehörde im Nachgang fest, dass die Abgaben zu hoch angesetzt waren, korrigieren sie die ursprüngliche Festsetzung der Einfuhrabgaben nach unten und erstatten den überschüssigen Betrag.

Gesetzt den Fall, dass die Zollanmeldung vor ihrer Annahme nicht überprüft wurde und der fehlerhafte Abgabenbescheid aber grade auf der Schnelligkeit des Abfertigungsgeschehens beruht, besteht kein Anspruch auf Zinszahlung, so die aktuelle Rechtsprechung.

Denn die Fehleranfälligkeit des Abfertigungssystems stellt hier als Fehlerquelle den „gewöhnlichen Fall“ dar und beschreibt keine Willkür der Zollbehörden bei der Festsetzung der Abgaben, so die Argumentation.

Anders liegt es aber in der folgenden Konstellation, die auch den Fall der Klägerin beschreibt:

Laut BFH besteht auch dann ein Anspruch auf Zinszahlung, wenn die Abgaben aufgrund eines Wegfalls der zugrundeliegenden Rechtsgrundlage erstattet werden.

Dieser Annahme liegt folgender Gedankengang zugrunde:

Ändert sich die Kombinierte Nomenklatur nach der Zollanmeldung und es ergibt sich dadurch eine andere Zolltarifnummer für die Einfuhrware, verändert sich dadurch unter Umständen auch der für die Abgabenberechnung maßgebliche Zollsatz, im besten Fall zugunsten des Unternehmens.

Ist das der Fall, besteht ein Erstattungsanspruch für die zu viel gezahlten Einfuhrabgaben, der sich dann laut BFH auch auf die damit zusammenhängenden Zinsen erstreckt.

Aber was genau ist mit der „Rechtsgrundlage“ gemeint? Denn dieser Begriff ist weitläufig und kann in diesem Fall eng oder weit verstanden werden.

BFH: Zinsanspruch & fehlerhafte vZTA

Eine fehlerhafte und rechtswidrige vZTA führt zum Wegfall der Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Einfuhrabgaben. Bezahlt ein Unternehmen aufgrund dessen zu hohe Abgaben, besteht ein Erstattungsanspruch auf den Differenzbetrag sowie auf Zinszahlung.

Der BFH jedenfalls bezieht in seinem Beschluss dazu Stellung und weitet die Rechtsgrundlage auf verbindliche Zolltarifauskünfte aus, wie sie auch im vorliegenden Gerichtsverfahren der Klägerin erteilt wurden.

Der Einführer könne sich bei der Zollanmeldung auf eine zuvor erteilte vZTA berufen, sodass die Zollbehörden bei der zolltariflichen Einreihung der Ware an eine bestimmte Zolltarifnummer und an die damit verbundenen Einfuhrabgaben und zollrechtlichen Maßnahmen gebunden seien. Damit handele es sich bei den vZTA um eine taugliche Rechtsgrundlage, so der BFH.

Erweist sich die vZTA im Nachgang dann als fehlerhaft und rechtswidrig, entfalle dadurch die gesicherte Rechtsposition des Zollanmelders und damit auch die notwendige Rechtsgrundlage für die tarifliche Einreihung der Waren und die Festsetzung der Abgaben, so die Argumentation des BFH.

Neues EuGH-Verfahren

Parallel dazu legte das Finanzgericht Hamburg im Herbst 2020 dem EuGH in einem ähnlichen Verfahren eine Frage zur Verzinsung von Erstattungsansprüchen vor (vgl. FG Hamburg 4. Senat, EuGH-Vorlage vom 01.09.2020, 4 K 67/18; EuGH, C-427/20).

Das FG Hamburg führt in seinem Beschluss aus, dass sich das Urteil des EuGH im Fall Wortmann und andere damit zusammenhängende Urteile darin einen, dass u.a. die zugrundliegende Verordnung für nichtig erklärt, eine Richtlinie nicht richtig umgesetzt oder ein nationales Gesetz europarechtswidrig erlassen worden ist.

Somit beruhe die Erstattung in den Fällen auf einem Rechtssetzungsfehler, so die Auffassung des FG Hamburg.

Unklar sei aber, ob sich ein Zinsanspruch auch auf Fälle erstrecke, bei denen es um eine fehlerhafte Anwendung des Zollrechts durch die nationale Zollbehörde gehe, d.h. bei denen die Erstattung aufgrund von sogenannten Rechtsanwendungsfehlern gewährt wird.

Diese Frage habe der EuGH nach Ansicht des FH Hamburg noch nicht entschieden.

Eine Entscheidung des EuGH dazu steht im Moment noch aus – wird aber voraussichtlich noch im Laufe des Jahres 2021 gefällt werden.

Unternehmen: Zinsantrag stellen

Mit seinem Beschluss bestätigt der BFH nicht nur das Urteil des EuGH aus 2017, sondern festigt auch die Rechtsprechung der deutschen Finanzgerichte auf nationaler Ebene zu dem Thema Verzinsung und schafft damit auch mehr Rechtssicherheit für Unternehmen.

Es bleibt abzuwarten, wie die Zollbehörden in der Praxis auf die Rechtsprechung reagieren und ob der Zoll die Rechtsprechung nun zugunsten der Unternehmen umsetzt und Zinsen zahlt oder aber ob es zu weiteren Gerichtsverfahren kommen wird.

In Bezug auf das Vorlageverfahren des FG Hamburg bleibt abzuwarten, ob sich der EuGH dazu abschließend äußert oder auf seine bisherige Rechtsprechung verweist.

Unabhängig davon empfehlen wir Unternehmen, die einen zu hohen oder falschen Einfuhrbescheid vom Zoll erhalten haben, in jedem Fall einen Antrag auf Zollerstattung und einen Zinsantrag zu stellen – denn der Zoll wird erfahrungsgemäß nicht von sich aus tätig.

Unsere Anwälte bei O&W aus dem Zollrecht sind auf Erstattungsanträge spezialisiert und können Unternehmen bei der Beantragung einer Zollerstattung beraten und ggf. Einspruch gegen den Zollbescheid einlegen.

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Dieser Artikel wurde am 27. April 2021 erstellt. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

Ihr Ansprechpartner

  • Anton Schmoll

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.