Das oberste europäische Gericht hat sich damit auseinandergesetzt, welche Zolltarifnummer für einen Schiffsrumpf richtig ist. Dafür kam es gerade darauf an, wann ein Schiff seetüchtig ist. Dabei stellte sich konkret die Frage, ob Schiffe, die sich bei schwerem Wetter höchstens einige Seemeilen von der Küste entfernen können, noch als seetüchtig gelten können.

Laut europäischem Gerichtshof ist es für die Zolltarifnummer relevant, wie die konstruktionsbedingten Eigenschaften sind.

Demnach seien Schiffe dann als seetüchtig einzustufen, wenn sie in der Lage sind, überall auf dem Meer, einschließlich auf hoher See, zu fahren, so der Gerichtshof in dem Urteil.

Unsere Anwälte für Zollrecht beraten Sie gerne bei der Ermittlung der richtigen Zolltarifnummer und wenn Sie einen Einspruch gegen den Zoll einlegen wollen.

Betroffene Waren

Diese Einordnung hat Auswirkungen auf die Tarifierung von Waren, wie z.B. Fahrgastschiffe, Kreuzfahrtschiffe, aber auch Fischereifahrzeuge, Jachten, Schlepper oder Kriegsschiffe, die unter folgende Zolltarifnummern fallen:

  • 8901 10 10
  • 8901 20 10
  • 8901 30 10
  • 8901 90 10
  • 8902 00 10
  • 8903 91 10
  • 8903 92 10
  • 8904 00 91
  • 8906 90 10

Zolltarifliche Einreihung eines Schiffsrumpfs

Im konkreten Fall ging es um die Zolltarifnummer eines Schiffsrumpf. Der Importeur hatte die Ware bei der Zollanmeldung unter der Zolltarifnummer 8901 90 10 eingeführt.

Bei der Zollbehörde aber war man aber der Auffassung, dass es sich bei der Ware um Schiffskaskos zum Bau von Schiffen für die Binnenschifffahrt handele. Die Behörde reihte den Warenimport folgendermaßen ein:

  • als andere Tankschiffe als solche für die Seeschifffahrt unter der Zolltarifnummer 8901 20 90 und
  • als andere Wasserfahrzeuge zum Befördern von Gütern unter der Zolltarifnummer 8901 90 91 und
  • als Wasserfahrzeuge, die ihrer Beschaffenheit nach zur Personen- und Güterbeförderung bestimmt sind, ohne und mit mechanischem Antrieb, ausgenommen für die Seeschifffahrt unter der Zolltarifnummer 8901 90 99

Unstreitig war in dem Fall, dass die Ware nicht dafür geeignet war, bei schwerem Wetter die Weltmeere zu befahren.

Bisher unbeantwortet in der Rechtsprechung war aber die Frage, wie weit ein Schiff vor die Küste auf See fahren können muss, um als Schiff für die Seeschifffahrt gelten zu können.

Der EuGH musste in dem Verfahren insbesondere klären, was unter dem zollrechtlichen Begriff „hohe See“ zu verstehen ist.

Zunächst stellte der EuGH Folgendes fest: „wenn keine Zweifel an der Wasserfahrzeuggattung bestehen, zu der sie gehören, sind die Waren in die für diese Wasserfahrzeuge geltenden Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur einzureihen.“

Im konkreten Fall reihte der Gerichtshof den Schiffsrumpf als

  • Tankschiffe unter der Zolltarifnummer 8901 20 und
  • andere Wasserfahrzeuge zum Befördern von Gütern sowie Wasserfahrzeuge, die ihrer Beschaffenheit nach zur Personen- und Güterbeförderung bestimmt sind unter der Zolltarifnummer 8901 90 ein.

Wann sind Schiffe „seetüchtig“?

Das Gericht musste sich damit befassen, ob Schiffe, die sich bei schwerem Wetter bis ca. 21 Seemeilen von der Küste entfernen können seetüchtige Wasserfahrzeuge im Sinne des Zolltarifs sind.

Was ist ein Seeschiff?

Der EuGH stellte klar:

Unter die Zolltarifnummern, die Seeschiffe betreffen, fallen nur Wasserfahrzeuge, die

  • ihrer Beschaffenheit nach seetüchtig sind und
  • deren größte Rumpflänge zweitens (ohne Berücksichtigung überragender Teile) 12 m oder mehr beträgt.

Insofern komme es für die Einreihung auf die Bauweise an und nicht auf die Verwendung des fraglichen Schiffes.

Im Hinblick auf den Begriff „Wasserfahrzeug“ gelte weiterhin Folgendes:

Was ist ein Wasserfahrzeug?

Ein „Wasserfahrzeug“ ist ein Schiff, das aufgrund seiner konstruktionsbedingten Eigenschaften seetüchtig ist, ohne dass es tatsächlich in dieser Eigenschaft eingesetzt werden muss.

Unterschiede bei den Länderfassungen des Zolltarifs

Was den Begriff „seetüchtig“ betrifft gibt es Unterschiede bei den Länderfassungen des Zolltarifs. Die Fassungen der Zusätzlichen Anmerkung 1 zum Kapitel 89 der KN weichen in den Ländern sprachlich voneinander ab.

So werden in der französischen Fassung („tenir la haute mer“) und in der niederländischen Fassung („vaart in volle zee„) auf die „hohe See“ Bezug genommen. Anders sieht es bei der deutschen und der englischen Fassung aus: Hier wird im Deutschen („seetüchtig„) und im Englischen („sea-going„) auf die „See“ Bezug genommen.

Unabhängig davon ist aber einheitlich folgendes Kriterium relevant:

Wann sind Schiffe seetüchtig?

Schiffe sind nur dann als seetüchtig einzustufen, wenn sie in der Lage sind, überall auf dem Meer, einschließlich auf hoher See, zu fahren.

Schiffe, die aufgrund ihrer konstruktionsbedingten Eigenschaften nur in einem bestimmten Bereich vor der Küste fahren kann, könnten hingegen nicht als „seetüchtig“ gelten.

Als Argument führte der Gerichtshof an, dass im Kapitel 89 der Kombinierten Nomenklatur sowohl spezifische Unterpositionen für Schiffe „für die Seeschifffahrt“ als auch für „andere“ Schiffe vorgesehen sind.

Die HS-Position „andere“ Schiffe beziehe sich dabei aber auf Schiffe gelten, die nicht in der Seeschifffahrt eingesetzt werden, sondern in der Schifffahrt auf Binnengewässern wie Flüssen und Seen. In diesem Zusammenhang sei die Unterscheidung zwischen Seeschiffen und Binnenschiffen notwendig und sinnvoll, so der EuGH.

Es sei zweckwidrig, wenn alle Binnenschiffe als Seeschiffe anzusehen wären, nur weil sie technisch in der Lage seien, sich einige Seemeilen von der Küste zu entfernen, so der EuGH in seiner Urteilsbegründung.

Dieser Artikel wurde am 22. Juni 2020 erstellt. Er wurde am 03. November 2021 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Anton Schmoll

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.