Der Brexit hat viel Aufruhr verursacht, das Abstimmungsergebnis ist denkbar knapp ausgefallen. Insbesondere Schottland und Irland haben sich mit dem Abstimmungsergebnis nicht anfreunden können. Ein schottisches Gericht hat den EuGH bereits im September zur Widerruflichkeit der Austrittserklärung durch das Vereinigte Königreich angerufen. Dabei stellt sich die Frage: Kann der Austrittsprozess nach Art. 50 EUV eigentlich noch von Großbritannien selbst gestoppt werden und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Ist ein einseitiger Widerruf des Austrittsantrags zulässig?

Noch nie ist die Austrittsklausel des EUV überhaupt aktiviert worden und tatsächlich hat wohl auch niemand damit gerechnet, dass die 2009 durch den Vertrag von Lissabon eingeführte Austrittsmöglichkeit so schnell wahrgenommen werden würde. Da die Klausel aber noch nie aktiviert wurde bestehen immer noch Unklarheiten über deren Anwendung.

Selbst die Juristen scheinen sich hinsichtlich der Abkehr von dem Austrittsersuchen uneinig zu sein. Während britische Juristen überwiegend annehmen, dass es Großbritannien bei entsprechendem politischen Willen möglich ist, den Austrittsprozess jetzt noch einseitig zu stoppen, scheint unter deutschen Juristen die Ansicht zu überwiegen, dass eine einseitige Abkehr nicht mehr möglich ist, sondern in dieser Hinsicht ein einstimmiger Beschluss des Europäischen Rates notwendig wäre. Dies würde allerdings voraussetzen, dass sämtliche Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Union ihre Zustimmung erteilen.

EuGH wird sich äußern

Der EuGH wird nun in absehbarer Zeit darüber befinden, ob es tatsächlich möglich ist, einen einmal in Gang gesetzten Austrittsprozess tatsächlich wieder zu stoppen. Es wurde bereits das beschleunigte Verfahren angeordnet, sodass mit einer Entscheidung in wenigen Monaten gerechnet werden kann.

Gegen den einseitigen Widerruf der Austrittserklärung spricht jedenfalls, dass selbst die Verschiebung des Austrittsdatums der einstimmigen Zustimmung aller Mitgliedstaaten bedarf. Wenn aber schon eine solche Verlängerung einer Zustimmung bedarf, dann spricht vieles dafür, auch die Lösung vom Austrittsersuchen zumindest an die Zustimmung aller Mitgliedstaaten zu knüpfen. Wie der EuGH sich aber zu dieser Frage konkret positionieren wird, ist völlig offen.

Sollte der EuGH sich gegen die einseitige Lösungsmöglichkeit aussprechen, dürfte jedenfalls auch das im Gespräch stehende zweite Austrittsreferendum Großbritanniens vom Tisch sein. Es bliebe noch die Möglichkeit eines erneuten Aufnahmeantrags Großbritanniens, der das normale Aufnahmeverfahren in Gang setzen würde.

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Dieser Artikel wurde am 12. Oktober 2018 erstellt. Er wurde am 22. November 2020 aktualisiert. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Rechtsanwalt Anton Schmoll berät im Zollrecht, zum Außenwirtschaftsgesetz und zur Verbrauchssteuer. Er ist seit 2013 für die Kanzlei tätig und hat seitdem in zahlreichen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und der Europäischen Kommission das Zollrecht maßgeblich weiterentwickelt.