Unter bestimmten Umständen haften Frachtführer und Fixkostenspediteure für Transportschäden und Transportverluste in vollem Umfang und können von keiner Haftungsfreistellung profitieren.  

Das betrifft vor allem den Diebstahl einer Ladung oder auch des gesamten Aufliegers.

Doch welche Sorgfaltspflichten müssen Frachtführer erfüllen, um diesem Haftungsrisiko zu entgehen?

Fragen zur Haftung bei Ladungsdiebstahl?

Unsere Anwälte für Transportrecht bei O&W beraten Sie und Ihr Unternehmen zu möglichen Haftungsfreistellungen und Haftungsrisiken. Sie erreichen unsere Anwälte telefonisch unter +49 40 369615-0

Planenschlitzer-Banden als Haftungsrisiko

Gerade in den letzten Jahren ist es vermehrt zu Diebstählen von besonders gefahrgeneigtem Gut direkt von abgestellten LKW oder Auflieger gekommen, wie die Fälle der sogenannten Planenschlitzer-Banden zeigen.

Gerade bei besonders diebstahlsgefährdeten Gütern, wie Unterhaltungselektronik, Zigaretten oder Kleidung, die leicht absetzbar sind, trifft den Frachtführer daher eine Pflicht auf die Sicherheitsinteressen seines Auftraggebers Rücksicht zu nehmen.

Dazu gehört auch, während der Obhut bestimmte Vorkehrungen gegen Diebstahl und Raub zu treffen. Nur so können sich Frachtführer im Schadensfall auf die Haftungsprivilegierung berufen. In den Fällen der Planenschlitzer-Banden waren die getroffenen Vorkehrungen und Maßnahmen zur Abwehr oft jedoch nicht ausreichend, um die Annahme eines qualifizierten Verschuldens zu verhindern.

Welche konkreten Handlungen müssen Frachtführer vornehmen, um eine Haftung zu vermeiden?

Wer ist Frachtführer?

Frachtführer bezeichnet denjenigen in der Logistik- und Transportbranche, der als gewerbliches Unternehmen Frachten zu Land, zu Wasser oder in der Luft gegen Entgelt befördert.

Es ist derjenige der gegen Bezahlung die Beförderung verspricht. Selbst durchführen muss er sie nicht.

Auch der Spediteur wird als Frachtführer angesehen, wenn der die Organisation der Beförderung zu einem festen Preis anbietet, der die Kosten für die Beförderung beinhaltet. Er wird dann als sogenannter Fixkostenspediteur bezeichnet.

Das OLG Düsseldorf hat die Pflichten dafür in seinem Urteil vom 13. Mai 2020 (Az. 18 U 120/17) konkretisiert.

Ladungsdiebstahl aus ungesichertem LKW

Die Anforderungen an ein qualifiziertes Verschulden sind auf den ersten Blick hoch und stehen wohl zumindest der groben Fahrlässigkeit gleich.

Im täglichen Geschäft kommt es trotzdem gerade aufgrund der Masse an verschiedensten Transportaufträgen und des Kostendrucks zu Fehlern, die ein qualifiziertes Verschulden begründen können.

Unternehmen können solche Fehler aber einfach vermeiden, wie der nachfolgende Fall zeigt.

Im konkreten Fall wurden aus einem über Nacht und unbewacht in einem Gewerbegebiet abgestellten Planen-LKW, Damentextilien und Schuhe entwendet.

Hintergrund war ein medizinischer Notfall auf Seiten des Fahrers.

Der Fahrer hatte die Fahrt bereits mehrere Stunden schmerzbedingt unterbrochen bevor er den LKW verlassen hat, um sich ins Krankenhaus zu begeben. Seinen Arbeitgeber als Frachtführer hatte er darüber jedoch nicht unterrichtet.

Keine zwangsläufige Haftungsfreistellung bei medizinischem Notfall

Zunächst setzte sich das Gericht mit der Frage auseinander, ob ein solcher medizinischer Notfall auf Seiten des Fahrers des ausführenden Frachtführers ein unabwendbares Ereignis darstellt.

Dies verneinte das Gericht, stellte hierbei jedoch auf den konkreten Fall ab.

Der Fahrer hatte sich nach dem schmerzbedingten Abstellen des LKW noch einige Stunden in diesem aufgehalten, bevor er sich ins Krankenhaus begeben habe.

In dieser Zeit hätte der Fahrer Gelegenheit gehabt, seinen Arbeitgeber von seiner Erkrankung zu benachrichtigen.

Spätestens als klar war, dass der Fahrer sich ins Krankenhaus begeben muss, hätten die Beteiligten Maßnahmen zum Schutz des LKW ergreifen müssen. Dies ist hier jedoch nicht geschehen, so dass kein unabwendbares Ereignis vorgelegen habe. Eine Freistellung von der Haftung kam somit nicht in Betracht.

Der Frachtführer kann sich somit in diesen Fällen nur dann von der Haftung entziehen, wenn der medizinische Notfall jedes weitere Handeln des LKW-Fahrers außer das Abstellen des Fahrzeugs ausschließt.

Wann handelt ein Frachtführer leichtfertig?

Danach beschäftigte sich das Gericht mit der Frage, wann Leichtfertigkeit im Sinne des § 435 HGB bzw. Art. 23 Abs. 3 CMR vorliegt und welche Maßstäbe der Frachtführer zu beachten hat.

Die Rechtsprechung verlangt für die Annahme von Leichtfertigkeit einen besonders schweren Pflichtenverstoß.

Der Frachtführer und seine „Leute“ müssten sich in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen, so das Gericht.

Dafür spielt vor allem auch die subjektive Komponente eine Rolle.

Dem Frachtführer muss es quasi aufdrängen, dass es aufgrund seines leichtfertigen Verhaltens wahrscheinlich zu einem Schadenseintritt kommen wird.  

Dafür müssen aber der Inhalt und die Umstände des leichtfertigen Verhaltens eine solche subjektive Erkenntnis als innere Tatsache rechtfertigen.

Welche Sicherheitsvorkehrungen der Frachtführer treffen muss, hängt daher immer vom Einzelfall ab.

Dabei orientieren sich die Vorkehrungen an den Risiken, die mit dem konkret beförderten Gut verbunden sind.

Welche Abwehrmaßnahmen müssen Frachtführer treffen?

Bei der Frage, wie hoch die Anforderungen an die Abwehrmaßnahmen in Bezug auf Diebstahls- und Raubfälle sind, ist insbesondere zu berücksichtigen:

  • Wert der Ware,
  • Verwertbarkeit der Ware,
  • musste dem Frachtführer die Gefahrenlage bekannt sein und
  • Möglichkeiten zur Senkung des Risikos

So hat das Gericht für den vorliegenden Fall geurteilt, dass der Frachtführer keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen getroffen hat und er deswegen für qualifiziertes Verschulden haftet.

Dafür sprachen insbesondere folgende Umstände:

  • das Abstellen des Lkws in einem unbewachten Gewerbegebiet
  • das Verlassen des LKWs über Nacht
  • der Frachtführer kannte das Diebstahlgefährdungspotential des beförderten Gutes
  • Frachtführer hat nicht dafür Sorge getragen, dass die Informationen zum Gut auch die Subunternehmer-Frachtkette hinabgewandert sind

Zwischen dem notfallmäßigen Abstellen und dem Verlassen des LKWs waren mehrere Stunden vergangen, bis der Fahrer seinen Arbeitgeber über die Lage unterrichtet hat. Wenn dann keine entsprechenden Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, liegt ein qualifiziertes Verschulden vor.

Wie vermeiden Frachtführer eine Haftung?

Für Frachtführer bedeutet das: Für jeden Transport muss eine entsprechende Abwägung des Schadensrisikos stattfinden. Der Frachtführer muss eine korrespondierende Planung vornehmen, um keinen Wegfall der Haftungsprivilegierung zu riskieren. 

Gerne beraten wir Sie, wie Sie die Risiken in diesem Bereich minimieren und welche Anforderungen im konkreten Einzelfall einzuhalten und welche Vorkehrungen Sie zu treffen haben.

Dies bietet sich gerade für den Fall von wiederkehrenden Beförderungen im Rahmen einer längeren Geschäftsbeziehung an.

Gerade der Umstand, dass es hierbei noch nie zu einem Schaden gekommen ist heißt nicht, dass die Vorkehrungen im Schadensfall ausreichend sind. Oft schleicht sich hier der „Schlendrian“ ein. 

Auch für die Versicherungswirtschaft, an der der Schaden gerne hängen bleibt, prüfen wir gerne die Transportbestimmungen für bestimmte Gütern auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung und überarbeiten diese gegebenenfalls für Sie.

Gerne unterstützen unsere Anwälte für Transportrecht Sie und Ihr Unternehmen bei Fragen zur Haftung bei Ladungsdiebstählen und Transportschäden.

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Dieser Artikel wurde am 6. September 2021 erstellt. Die fachliche Zweitprüfung hat Rechtsanwalt Dr. Tristan Wegner durchgeführt.

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  • Dr. Tristan Wegner ist seit 2013 als Rechtsanwalt im internationalen Handels- und Transportrecht tätig und hat über 10 Jahre Erfahrung. Er ist Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Er ist geschäftsführender Partner der Kanzlei. Herr Dr. Wegner war für eine international führende Kanzlei im Zoll– und Außenwirtschaftsrecht sowie für die Zollfahndung tätig und hat zum internationalen Handel promoviert. Rechtsanwalt Dr. Wegner ist regelmäßig in der Fachpresse und veröffentlicht Aufsätze. Er ist Mitglied im Versicherungswissenschaftlichen Verein Hamburg, der Deutschen Initiative junger Schiedsrechtler (DIS40) sowie dem Europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll, dem Verein für Seerecht und der GMAA. Er ist zudem Dozent und Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg.